Der Gesetzgeber hat im Dezember 2021 mit dem Gesetz zur Stärkung der Impfprävention eine sogenannte „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ für bestimmte Bereiche des Gesundheitswesens eingeführt (§ 20a IfSG). Tatsächlich handelt es sich weniger um eine Impfpflicht, als vielmehr um eine Verpflichtung zur Vorlage bestimmter Immunitätsnachweise. Die gesetzlichen Regelungen werfen in der Praxis einige Fragen auf. Wir geben einen Überblick zu den wichtigsten Aspekten.

I.

Welche Einrichtungen und Unternehmen sind betroffen?

Die Regelung betrifft nur die im Gesetz abschließend aufgezählten Einrichtungen und Unternehmen. Dabei handelt es sich um Einrichtungen des Gesundheitswesens wie beispielsweise Krankenhäuser, Tageskliniken, Arztpraxen sowie Einrichtungen zu Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen.

II.

Für welche Personen gilt die Pflicht?

Das Gesetz stellt alleine darauf ab, dass die Personen in der Einrichtung oder dem Unternehmen „tätig“ sind. Auf die vertraglichen Beziehungen oder gar das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses kommt es nicht an. Neben dem Pflege- und Betreuungspersonal sind damit etwa auch Hausmeister sowie Transport-, Küchen- oder Reinigungspersonal und externe Dienstleister erfasst. An einem Tätigwerden in der Einrichtung mangelt es nur, wenn die Einrichtung zeitlich nur ganz vorübergehend (wenige Minuten) betreten wird. So können beispielsweise Lieferdienste von der Regelung ausgenommen sein.
Unerheblich ist auch, ob ein direkter Kontakt zu vulnerablen Personengruppen besteht. Deshalb sind beispielsweise auch Personen in der Verwaltung der Einrichtung erfasst, wenn es an einer klaren räumlichen Abgrenzung zu der Einrichtung bzw. den dort betreuten Personen mangelt. Beschäftigte, die (vorrübergehend) etwa wegen Mutterschutz oder Elternzeit nicht in der Einrichtung tätig sind, sind erst erfasst, wenn sie die Tätigkeit in der Einrichtung wieder aufnehmen.

III.

Welche Personen sind ausgenommen?

Nicht erfasst sind folgenden Personengruppen:
  • Personen, die in den Einrichtungen und Unternehmen behandelt, betreut oder untergebracht sind (bspw. Patienten in einer Arztpraxis).
  • Personen, bei denen eine medizinische Kontraindikation gegen eine COVID-19-Impfung vorliegt.
Ob eine Kontrainduktion vorliegt ist im Ergebnis eine medizinische Feststellung, wobei übliche Impfreaktionen keine Kontrainduktion begründen (vgl. zu Impfreaktionen auch die Aufstellung auf der Seite des RKI). Bei Zweifeln am Vorliegen einer Kontrainduktion ist das Gesundheitsamt zu informieren.

IV.

Wann gilt eine Person als geimpft oder genesen?

Wann eine Person als geimpft oder genesen gilt, regelt die so genannte COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung:
  • Danach ist eine geimpfte Person eine Person ohne Symptome, deren Impfung den jeweiligen Anforderungen des Paul-Ehrlich-Institutes (PEI) genügt.
  • Eine genesene Person ist eine Person ohne Symptome, deren Genesenennachweis den Anforderungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) genügt.

Beachte:

Ab dem 15. Januar 2022 wurden die Anforderungen an den Impf- und Genesenenstatus aktualisiert und durch den Hinweis auf die Vorgaben des RKI und des PEI „dynamisch“ ausgestaltet. Insbesondere ist nunmehr auch bei der Impfung mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson (COVID-19-Vaccine Janssen) eine zweifache Impfung nötig und der Genesenenstatus gilt nur noch für 90 Tage nach der positiven Testung. Auch in Zukunft werden sich die Anforderungen – insbesondere im Hinblick auf den „Booster“ – noch ändern.

V.

Erfolgt eine Differenzierung zwischen Neueinstellungen und „Alt-Beschäftigten“?

Zunächst sind alle betroffenen Personen in den Einrichtungen verpflichtet, eines der folgenden Dokumente vorzulegen:
  • Impfnachweis,
  • Genesenennachweis oder
  • ärztliches Zeugnis über das Vorliegen einer medizinischen Kontraindikation.
Das Gesetz differenziert sodann zwischen Personen, die ab dem 16. März 2022 erstmals in der Einrichtung tätig werden (Neueinstellungen) und Personen, die ohne nennenswerte Unterbrechung bereits vor dem 15. März 2022 in der Einrichtung tätig waren und weiterhin dort tätig sind („Alt-Beschäftigte“).

1. Neueinstellungen nach dem 15. März 2022

Personen, die ab dem 16. März 2022 erstmals in den jeweiligen Einrichtungen tätig werden, sind verpflichtet, vor Beginn ihrer Tätigkeit einen entsprechenden Nachweis vorzulegen. Ohne diesen Nachweis darf die Person in der Einrichtung nicht beschäftigt bzw. tätig werden (§ 20a Abs. 3 S. 4, 5 IfSG). Es existiert damit ein gesetzliches und bußgeldbewehrtes Verbot für die Person tätig zu werden bzw. für die Einrichtung, die Person zu beschäftigen. Bestehen Zweifel an der Echtheit bzw. inhaltlichen Richtigkeit der vorgelegten Nachweise ist unverzüglich das zuständige Gesundheitsamt zu benachrichtigen (§ 20a Abs. 3 S. 2 IfSG). Das Gesundheitsamt kann der betroffenen Person dann untersagen, die Einrichtung zu betreten bzw. dort tätig zu werden (§ 20 a Abs. 5 S. 3 IfSG).

Beachte:

Arbeitsverträge sollten erst abgeschlossen werden, nachdem entsprechende Nachweise vorgelegt wurden.

2. „Alt-Beschäftigte“, die bereits vor dem 15. März 2022 tätig waren

Diese Personen müssen einen der genannten Nachweise bis zum Ablauf des 15. März 2022 vorlegen. Wird die Vorlage unterlassen oder bestehen Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises ist unverzüglich das zuständige Gesundheitsamt zu informieren (§ 20a Abs. 2 S. 2 IfSG). Das Gesundheitsamt kann der betroffenen Person untersagen, die Einrichtung zu betreten bzw. dort tätig zu werden (§ 20 a Abs. 5 S. 3 IfSG).
Nach dem Wortlaut des Gesetzes löst die Nichtvorlage bei bereits zum 15. März 2022 tätigen Personen unmittelbar kein Beschäftigungsverbot aus. Die Person darf also auch über den 15. März 2022 hinaus weiter beschäftigt werden, bis das Gesundheitsamt ein Tätigkeits- oder Betretungsverbot ausspricht. Es sind aber natürlich die Vorgaben zum „3G-Nachweis“ zu beachten (vgl. § 28b IfSG). Der deutsche Städtetag hat bereits angekündigt, dass aufgrund der Überlastung der Gesundheitsämter die Verstöße gegen die Impfpflicht „vermutlich zunächst nicht zu Betretungs- oder Tätigkeitsverboten führen“ werden.

VI.

Was gilt, wenn der Nachweis ab dem 16. März 2022 abläuft?

Verliert ein Nachweis ab dem 16. März 2022 seine Gültigkeit auf Grund Zeitablaufs, haben die betroffenen Personen einen neuen Nachweis innerhalb eines Monats nach Ablauf der Gültigkeit des bisherigen Nachweises vorzulegen. Geschieht dies nicht, ist unverzüglich das zuständige Gesundheitsamt zu informieren. Ein gesetzliches Beschäftigungsverbot tritt nicht automatisch ein, das Gesundheitsamt kann aber ein Tätigkeitsverbot aussprechen.

VII.

Wie lange gilt die Regelung?

Die Regelung des § 20a IfSG ist aktuell bis zum 31. Dezember 2022 befristet.

VIII.

Was ist datenschutzrechtlich zu beachten?

Die Verarbeitung der Gesundheitsdaten ist zum Zweck der Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben zulässig. Insbesondere im Rahmen des Arbeitsverhältnisses kann die Datenverarbeitung daher auf § 26 Abs. 3 BDSG gestützt werden. Auch die Weitergabe der Daten an die zuständige Behörde ist zur Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben zulässig. Zum Schutz der Daten hat der Arbeitgeber technische und organisatorische Maßnahmen zur Datensicherheit zu ergreifen. Insbesondere ist sicherzustellen, dass eine Kenntnisnahme der erfassten Daten durch unbefugte Dritte ausgeschlossen ist.

Beachte:

Bei einer erforderlichen Meldung an das Gesundheitsamt regelt das Gesetz ausdrücklich, dass „personenbezogene Daten“ zu übermitteln sind. Darunter sind Name und Vorname, Geschlecht, Geburtsdatum, Anschrift sowie Telefonnummer und E-Mail-Adresse (soweit vorhanden) zu verstehen (vgl. § 2 Nr. 16 IfSG).

IX.

Drohen Bußgelder?

Für die betroffenen Unternehmen bzw. Einrichtungen drohen im Fall von Verstößen Bußgelder bis zu EUR 25.000 (§ 73 IfSG). Insbesondere dann, wenn Sie
  • das Gesundheitsamt nicht unverzüglich über die am 15. März 2022 noch nicht vorliegenden Nachweise informieren,
  • das Gesundheitsamt nicht unverzüglich über Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises informieren,
  • das Gesundheitsamt nicht im Fall eines abgelaufenen Nachweises über die unterlassene Vorlage eines neuen Nachweises informieren,
  • Personen tätig werden lassen, gegen die das Gesundheitsamt ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot ausgesprochen hat (Alt-Beschäftigte),
  • Personen ab dem 16. März erstmalig tätig werden lassen (Neueinstellungen), ohne dass diese einen Nachweis vorgelegt haben.
Auch für betroffene Personen drohen Bußgelder, insbesondere wenn Sie dem Gesundheitsamt nach Aufforderung entsprechende Nachweise nicht rechtzeitig vorlegen oder ohne Nachweise tätig werden.

X.

Welche arbeitsrechtlichen Nachteile/Sanktionen können drohen?

Für Alt-Beschäftigte, die bereits vor dem 15. März 2022 in der Einrichtung tätig waren, sieht das Gesetz – anders als teilweise kommuniziert – kein „automatisches“ Beschäftigungsverbot vor. Vielmehr kann erst das Gesundheitsamt der betroffenen Person untersagen, die Einrichtung zu betreten bzw. dort tätig zu werden (§ 20a Abs. 5 S. 3 IfSG). Sofern dies geschieht, kann sie die Arbeitsleistung – vorbehaltlich der Möglichkeit von Homeoffice – nicht erbringen. Nach dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ ist diese Zeit nicht zu vergüten.
Kündigungen kommen möglicherweise in Betracht, wenn Beschäftigte beharrlich die Vorlage von Nachweisen verweigern und – nach einem entsprechenden Tätigkeits- oder Betretungsverbot – daher voraussichtlich dauerhaft nicht mehr beschäftigt werden können. Die Konstellation ist vergleichbar mit dem Entzug einer für die Berufsausübung erforderlichen Erlaubnis, wie etwa dem Führerschein beim Kraftfahrer oder der Fluglizenz eines Piloten. Hier stellt die Rechtsprechung darauf ab, ob bei Zugang der Kündigung mit der Erteilung einer neuen Erlaubnis in absehbarer Zeit zu rechnen ist (Negativprognose) und ob eine Weiterbeschäftigung in einem anderen Bereich möglich erscheint (vgl. BAG, Urteil vom 5. Juni 2008 – 2 AZR 984/06). Mit Blick auf die zeitlich befristete Regelung des § 20a IfSG stellt sich die Frage, ob eine ausreichende Negativprognose gegeben ist. Dies wird auch vom jeweiligen Einzelfall und der Dauer der individuellen Kündigungsfristen abhängen. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Weigerung zur Vorlage eines entsprechenden Nachweises zugleich ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflichten darstellt. Probleme können zudem auftreten, wenn das Beschäftigungshindernis nach Ausspruch der Kündigung und während des Laufs der Kündigungsfrist wegfällt, etwa weil die Person erkrankt und im Anschluss als genesen gilt. Letztendlich bleibt zu hoffen, dass derartige „Eskalationen“ vermieden und einvernehmliche Lösungen gefunden werden können. Dies gilt gerade in dem so wichtigen Bereich des Gesundheitswesens.

XI.

To-Dos für betroffene Arbeitgeber bzw. Unternehmen

Betroffenen Arbeitgebern bzw. den Unternehmen und Einrichtungen ist insbesondere Folgendes zu raten:
  • Transparente Kommunikation an alle Beschäftigten, verbunden mit dem Hinweis zur Vorlage entsprechender Nachweise bis spätestens zum 15. März 2022. Die Vorlagepflicht gilt auch dann, wenn der jeweilige Status bereits bekannt ist.
  • Es ist – unter Beachtung datenschutzrechtlicher Vorgaben – zu notieren, dass die Nachweise vorgelegt wurden sowie wann die Nachweise ablaufen und daher eine neue Vorlage erforderlich ist. Dabei sind auch die Änderungen auf der Seite des PEI und RKI zu beachten (vgl. unter IV.). Die Pflicht „erschöpft“ sich also nicht nach einer einmaligen Kontrolle.
  • Transparenter Hinweis über das Vorgehen, wenn Nachweise nicht vorgelegt werden (drohende Beschäftigungsverbote, Wegfall der Entgeltzahlung, ggf. weitere arbeitsrechtliche Sanktionen).
  • Es sollte sichergestellt sein, dass spätestens am 16. März 2022 Meldungen an die zuständige Behörde über nicht vorgelegte bzw. verdächtige Nachweise erteilt werden können.
  • Bei Neueinstellungen ist sicherzustellen, dass Personen ohne Nachweis nicht beschäftigt werden bzw. auch keine Arbeitsverträge abgeschlossen werden.

In konkreten Einzelfällen unterstützen wir Sie natürlich gerne.