Die Inanspruchnahme von Elternzeit durch Mütter und Väter ist in sämtlichen Unternehmen längst gelebte Realität. Für die Betriebe stellt sich in Zeiten des Fachkräftemangels häufig die Herausforderung, die fehlende Arbeitskraft zu ersetzen. Daneben tauchen aber auch immer wieder arbeitsrechtliche Probleme auf, welche die Parteien vor Beginn der Elternzeit nicht erkannt und infolgedessen auch nicht geregelt haben. So kann sich etwa die Frage stellen, wie mit einer jahresbezogenen Zielvereinbarung umzugehen ist, wenn der Arbeitnehmer die Hälfte des Jahres in Elternzeit ist (weitere Beispiele bei Küttner/Poeche, Personalbuch 2018, Elternzeit, Rdz. 58 ff.). Immer wieder haben sich darüber hinaus in verschiedenen Konstellationen Probleme in Bezug auf Urlaubsansprüche ergeben.

Der Europäische Gerichtshof hat nun in einer Entscheidung vom 4. Oktober 2018 (C-12/17) Stellung genommen zu einem Fall auf Basis des rumänischen Rechts. Bisher liegt lediglich die Pressemitteilung vor. 

I. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes

Frau Maria Dicu, Richterin in Rumänien, nahm bis zum 3. Februar 2015 Mutterschaftsurlaub (vergleichbar mit den deutschen Mutterschutzfristen) in Anspruch, in der Zeit vom 4. Februar 2015 bis 16. September 2015 Elternurlaub (vergleichbar deutscher Elternzeit) und in der Zeit vom 17. September 2015 bis zum 17. Oktober 2015 Erholungsurlaub.

Sie begehrte nun weitere fünf Tage bezahlten Erholungsurlaub. Das rumänische Recht sieht 35 Tage bezahlten Jahresurlaub vor. Im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung legte das rumänische Berufungsgericht dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Entscheidung vor, ob das Unionsrecht einer Bestimmung des nationalen Rechts entgegensteht, nach welcher der Jahresurlaub bei Inanspruchnahme von Elternurlaub gekürzt werden darf.

In seinem Urteil weist der Europäische Gerichtshof darauf hin, dass nach dem Unionsrecht jeder Arbeitnehmer Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen hat. Sein Zweck – es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zu erholen – beruhe auf der Prämisse, dass der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum tatsächlich gearbeitet habe. In bestimmten besonderen Situationen, in denen der Arbeitnehmer nicht in der Lage sei, seine Aufgaben zu erfüllen, dürfe der Jahresurlaub zwar nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet habe. Dies sei etwa bei ordnungsgemäß nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit und Mutterschaftsurlaub der Fall. Elternurlaub sei jedoch keine solche besondere Situation. Der Arbeitnehmer leide hier nicht an physischen oder psychischen Beschwerden (wie bei einer Krankheit) und es bestehe kein erhöhtes Schutzbedürfnis aufgrund der vorangegangenen Schwangerschaft und Entbindung (wie bei dem Mutterschaftsurlaub). Daher sei eine Bestimmung des nationalen Rechts, wonach bei der Berechnung der Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub die Dauer eines von dem Arbeitnehmer im selben Bezugszeitraum genommenen Elternurlaubs nicht als Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung angesehen werde, mit Unionsrecht vereinbar.

II. Auswirkungen auf die Praxis

Der Europäische Gerichtshof hat im vergangenen Jahrzehnt zahlreiche Urteile zum Urlaubsrecht gefällt, welche in die bis dahin bestehende Rechtslage in Deutschland gravierend eingegriffen haben. Die bekannteste Entscheidung mit weitreichenden Auswirkungen ist sicher „Schultz-Hoff" vom 20. Januar 2009, wonach bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern der Urlaub nicht mit dem Ende des 1. Quartals des Folgejahres verfällt.

Die nun vorliegende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs dürfte die deutsche Rechtslage demgegenüber nicht berühren. Nach § 24 Satz 1 MuSchG gelten die Ausfallzeiten während eines Beschäftigungsverbotes für die Berechnung des Anspruches auf bezahlten Erholungsurlaub ohnehin bereits als Beschäftigungszeiten. Ebenso verhält es sich, wenn für die Arbeitnehmerin infolge eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbotes keine Arbeitspflicht bestand (BAG vom 9. August 2016 – 9 AZR 575/15).

Bei der Inanspruchnahme von Elternzeit verhält es sich jedoch anders: Der Arbeitgeber ist gemäß § 17 Abs. 1 BEEG berechtigt, den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen. Die Kürzung ist für jedes Kalenderjahr gesondert zu ermitteln.

Zu beachten ist allerdings, dass die Kürzung nicht automatisch eintritt, sondern durch den Arbeitgeber erklärt werden muss. Nach der neueren Rechtsprechung des BAG kann das Kürzungsrecht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr ausgeübt werden (vgl. BAG v. 19. Mai 2015 – 9 AZR 725/13). Diese Rechtslage kann für den Arbeitgeber zu unliebsamen Überraschungen in dem praktisch häufigen Fall führen, dass sich die Arbeitsvertragsparteien zum Ende der Elternzeit auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses verständigen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist die Kürzung des Urlaubsanspruches zu erklären oder im Rahmen der Aufhebungsvereinbarung mit zu regeln. Andernfalls ist der Arbeitnehmer berechtigt, Abgeltung für den dann ungekürzt bestehenden Urlaubsanspruch – mitunter einiger vergangener Jahre – zu verlangen.

III. Ergebnis

Der Europäische Gerichtshof hat – anders als in der Vergangenheit – mit dieser Entscheidung nicht in die deutsche Rechtslage eingegriffen, soweit dies auf Basis der bisher lediglich vorliegenden Pressemitteilung zu beurteilen ist. „Urlaub vom Elternurlaub" wird es somit auch künftig nicht geben.