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Nachteilige Abänderung von Arbeitsverträgen durch Betriebsvereinbarung – Aus der Traum?

I. Die grundlegende Entscheidung des BAG v. 5. März 2013 – 1 AZR 880/11

Vor ziemlich genau fünf Jahren hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer vielbeachteten Entscheidung festgestellt, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen in Arbeitsverträgen, die einen kollektiven Bezug aufweisen, durch Betriebsvereinbarung abgeändert werden können (BAG v. 5. März 2013 – 1 AZR 880/11). Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Arbeitsgerichte und die juristische Literatur regelmäßig davon ausgegangen, dass eine solche Abänderung nur dann möglich wäre, wenn sich die Arbeitsvertragsparteien diese durch eine entsprechende Öffnungsklausel im Arbeitsvertrag ausdrücklich vorbehalten hätten. Zur Begründung führte das BAG aus, dass der Arbeitgeber mit der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Arbeitnehmer erkennbar deutlich mache, dass im Betrieb einheitliche Vertragsbedingungen gelten sollen. Eine betriebsvereinbarungsfeste Gestaltung der Arbeitsbedingungen stünde dem entgegen, da die Änderung und Umgestaltung von betriebseinheitlich gewährten Leistungen nur durch den Ausspruch von Änderungskündigungen möglich wäre. Der Abschluss von betriebsvereinbarungsfesten Abreden würde zudem den Gestaltungsraum der Betriebsparteien für zukünftige Anpassungen von Arbeitsbedingungen mit kollektivem Bezug einschränken. Da Allgemeine Geschäftsbedingungen ebenso wie Bestimmungen in einer Betriebsvereinbarung auf eine Vereinheitlichung der Regelungsgegenstände gerichtet seien, könne aus Sicht eines verständigen und redlichen Arbeitnehmers nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei den vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsbedingungen um solche handele, die einer Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich seien. Etwas anderes gelte nur dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich Vertragsbedingungen vereinbart hätten, die unabhängig von einer für den Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollten.

Wenngleich die Entscheidung des Ersten Senats vom 5. März 2013 in der Folge äußerst kontrovers diskutiert und zum Teil angenommen wurde, dass es sich hierbei um eine Einzelfallentscheidung handele, hat das BAG die vorgenannten Grundsätze in der Zwischenzeit zumindest für Gesamtzusagen und betriebliche Übungen bestätigt (vgl. BAG v. 10. März 2015 –3 AZR 56/14 und BAG v. 23. Februar 2016 – 3 AZR 44/14). Im Ergebnis wurde dem Arbeitgeber damit eine praktikable Möglichkeit eröffnet, durch eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat „auf einen Schlag" eine Vielzahl von arbeitsvertraglichen Vereinbarungen anzupassen, auch wenn die entsprechenden Verträge nicht ausdrücklich betriebsvereinbarungsoffen gestaltet waren. Am 11. April 2018 hat der Vierte Senat des BAG nunmehr aber entschieden, dass eine individualvertraglich vereinbarte Vergütung nach tariflichen Grundsätzen nicht durch eine Betriebsvereinbarung zu Lasten des Arbeitnehmers abgeändert werden könne (4 AZR 119/17, Pressemitteilung Nr. 18/18). Ist die Betriebsvereinbarungsoffenheit Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die einen kollektiven Bezug aufweisen, damit schon wieder Geschichte?

II. Was entschied das BAG am 11. April 2018 (4 AZR 119/17)?

Im dem der Entscheidung des BAG v. 11. April 2018 zugrundeliegenden Sachverhalt hatten sich die Arbeitsvertragsparteien im Dezember 1992 in einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag auf eine Arbeitszeitreduzierung verständigt. In der Vereinbarung hieß es weiter, die Vergütung betrage „monatlich in der Gruppe BAT Vc/3 = DM 2.527,80 brutto". Im Februar 1993 schloss der Arbeitgeber mit dem bei ihm gebildeten Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung. Danach sollten in ihrem Anwendungsbereich „analog die für die Angestellten des Bundes und der Länder vereinbarten Bestimmungen des Lohn- und Vergütungstarifvertrages – BAT vom 11. Januar 1961" gelten. Ihre Bestimmungen sollten automatisch Bestandteil von Arbeitsverträgen werden, die vor Februar 1993 geschlossen worden waren. Die betroffenen Arbeitnehmer sollten einen entsprechenden Nachtrag zum Arbeitsvertrag erhalten. Einen solchen Nachtrag unterzeichneten die Arbeitsvertragsparteien im März 1993. Der Rechtsnachfolger des Arbeitgebers kündigte die Betriebsvereinbarung zum 31. Dezember 2001. Im März 2006 vereinbarten die Parteien im Zusammenhang mit einer Arbeitszeiterhöhung, dass das Gehalt „entsprechend der 0,78 Stelle auf 1.933,90 Euro erhöht" werde und „alle übrigen Bestandteile des bestehenden Arbeitsvertrages (…) unverändert gültig" blieben. Der Arbeitnehmer vertrat die Auffassung, ihm stehe aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme Vergütung nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der für die kommunalen Arbeitgeber geltenden Fassung (TVöD/VKA) bzw. dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) zu. Der Arbeitgeber meinte, eine dynamische Bezugnahme auf die von dem Arbeitnehmer herangezogenen Tarifwerke liege nicht vor.

Das Arbeitsgericht Essen und das Landesarbeitsgericht Düsseldorf haben die Klage abgewiesen. Die Revision vor dem Vierten Senat des BAG war indes erfolgreich. Danach hat der Arbeitnehmer in dem streitgegenständlichen Fall einen Anspruch auf Vergütung nach der jeweiligen Entgelttabelle des TVöD/VKA. Der Arbeitnehmer und der Rechtsvorgänger des Arbeitgebers hätten die Vergütung nach den jeweils geltenden Regelungen des BAT und nachfolgend des TVöD/VKA arbeitsvertraglich vereinbart. Die Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 1993 hätte diese Vereinbarung nicht abzuändern vermocht. Ungeachtet der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung hätte die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede bereits deshalb nicht der Abänderung durch eine kollektivrechtliche Regelung unterlegen, weil es sich bei der Vereinbarung der Vergütung nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, sondern um eine individuell vereinbarte, nicht der AGB-Kontrolle unterworfene Regelung der Hauptleistungspflicht handelte.

III. Auswirkungen für die Praxis

Arbeitgeber können zunächst einmal aufatmen. Denn anders als der Einleitungssatz der Pressemitteilung vom 11. April 2018 vermuten lässt, bedeutet die Entscheidung des Vierten Senats (noch) keine Abkehr von den im Jahr 2013 aufgestellten Rechtsprechungsgrundsätzen des Ersten Senats. Voraussetzung der konkludenten Betriebsvereinbarungsoffenheit bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist ein kollektiver Bezug, der bei der Vereinbarung der Vergütung im engeren Sinne in der Tat nicht gegeben ist. Für kollektive Leistungen, wie z. B. Weihnachts- und Jubiläumsgeldern, wäre dies aber anders zu sehen.

Die Frage der generellen Betriebsvereinbarungsoffenheit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Arbeitsverträgen wurde nach der bislang lediglich vorliegenden Pressemitteilung demgegenüber ausdrücklich offen gelassen. Dies verheißt nichts Gutes und es ist nicht auszuschließen, dass der Vierte Senat im Hinblick auf die Betriebsvereinbarungsoffenheit bei nächster Gelegenheit zu einem anderen Ergebnis kommt als der Erste Senat in der Entscheidung vom 5. März 2013. In diesem Fall müsste der Große Senat angerufen werden.

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