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Die neue EU-Entsenderichtlinie – Worauf müssen sich deutsche Arbeitgeber einstellen?

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – das EU-Parlament hat am 29. Mai 2018 die Reform der Entsenderichtlinie beschlossen. Nach 27 Monaten der Diskussion und Verhandlung wurde ein Kompromiss gefunden, der Lohndumping verhindern soll. Im Wege der Arbeitnehmerentsendung nutzen Unternehmen die verhältnismäßig zu anderen EU-Staaten niedrigen Lohnkosten in osteuropäischen Staaten, um kostengünstige Arbeitskräfte einsetzen zu können. Entsandte Arbeitnehmer verdienen daher häufig deutlich weniger als lokale Arbeitnehmer. Dies führt zudem dazu, dass sich Unternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten erheblich günstiger am deutschen Markt beteiligen können als ein Markteilnehmer mit deutschem Unternehmenssitz.

Mit der Änderung der Richtlinie 96/71/EG soll der Grundsatz des gleichen Entgelts für die gleiche Arbeit am gleichen Ort gefördert und so aufkommende Spannungen zwischen einzelnen Mitgliedstaaten abgebaut werden. Dies ist vor allem für die deutsche Wirtschaft von Bedeutung: So arbeiteten 2016 in Deutschland rund 440.000 Arbeitnehmer aus anderen EU-Staaten. In der gleichen Zeit haben deutsche Unternehmen etwa 260.000 Mitarbeiter innerhalb anderer EU-Staaten eingesetzt. Damit liegen deutsche Unternehmen im europäischen Vergleich auf dem zweiten Platz – mehr Arbeitnehmer wurden lediglich aus Polen entsendet. Die genaue Umsetzung der europäischen Vorgaben bleibt allerdings noch abzuwarten: die nationalen Gesetzgeber haben bis 2020 Zeit, die Vorgaben der Richtlinie umzusetzen.

I. Die wichtigsten Änderungen im Überblick

Bisher müssen Unternehmen, die ihre Arbeitnehmer in einem anderen EU-Staat einsetzen, lediglich einen Mindestumfang der arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften gewähren. Dazu zählen insbesondere die Zahlung des gesetzlichen – in einigen, wenigen Branchen tariflichen – Mindestlohns sowie die Einhaltung von Ruhezeiten. Kaum eine Berücksichtigung finden aber beispielsweise tariflich vereinbarte Löhne. Derzeit werden lediglich 15 allgemeinverbindliche Tarifverträge auf entsandte Arbeitnehmer angewandt. Daher wird gerade in den Bereichen Spedition, Gastronomie und Pflege häufig auf den Einsatz von preisgünstig entsandten Arbeitnehmern zurückgegriffen. Dies ist möglich, da der Lohn- und Sozialstandart in den osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten nach wie vor zumeist niedriger ist als das europäische Durchschnittsniveau. Die wichtigsten Änderungen:

  • Nach Ablauf eines Zeitraums von zwölf Monaten gelten für den entsandten Arbeitnehmer sämtliche arbeitsrechtlichen Vorschriften des Einsatzlandes. Dieser Zeitraum kann allerdings auf 18 Monate verlängert werden. Eine Ausnahme bilden lediglich die Vorschriften zur Begründung und Beendigung eines Arbeitsverhältnisses sowie der betrieblichen Altersversorgung.
  • Im Rahmen der Vergütung von entsandten Arbeitnehmern ist das Unternehmen an die Vergütungsvorschriften des EU-Landes gebunden, in dem die Arbeit erbracht wird. Davon sind nicht nur gesetzliche Vorschriften umfasst, sondern zudem auch die Regelungen von für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen. Im Geltungsbereich solcher Tariferträge ist der entsandte Arbeitnehmer vom ersten Tag an umfassend wie ein heimischer Arbeitnehmer zu vergüten.
  • Die vergleichbare Vergütung betrifft dann beispielsweise auch Überstundensätze und Prämien. So haben entsandte Arbeitnehmer, sofern es einen Anspruch aus Gesetz oder allgemeinverbindlichen Tarifvertrag gibt, einen Anspruch auf Weihnachtsgeld, Mobilitätshilfe, Urlaubsgeld etc.
  • Ein rollierendes System wird ausgeschlossen. Die Anwendbarkeit der arbeitsrechtlichen Vorschriften des Einsatzlandes nach einer maximalen Dauer 18 Monaten kann nicht durch den schlichten Ersatz des entsandten Arbeitnehmers umgangen werden. Sofern daher ein Arbeitnehmer die gleiche Tätigkeit am gleichen Ort ausführt wie sein Vorgänger, wird dessen Einsatzdauer zu der des Vorgängers hinzugerechnet, und zwar mit der möglichen Folge, dass die Vorschriften des nationalen Arbeitsrechts Anwendung finden.
  • Auch die Kosten für Reise, Verpflegung und Unterbringung müssen zukünftig vom Arbeitgeber getragen werden. Ein Abzug dieser Kosten vom Lohn des entsandten Arbeitnehmers, wie bisher, soll nicht mehr möglich sein.

II. Auswirkungen für die Praxis

Ob die Reform ihren Zielen gerecht wird, wird sich erst nach der Umsetzung in den Mitgliedsländern zeigen. Die Zugehörigkeit zu den nationalen Sozialsystemen bleibt von der Reform unberührt. Damit richten sich die Kosten der Sozialsysteme weiterhin nach den Bestimmungen des Heimatlandes mit ihrer unterschiedlichen Höhe. Die (Gesamt-)Lohnkosten für entsandte Arbeitnehmer werden also weiterhin in vielen Fällen geringer sein als die Lohnkosten für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Einsatzlandes.

Deutsche Unternehmen müssen sich auf größere bürokratische Hürden bei Entsendungen einstellen. Dementsprechend umfassend ist die Kritik der Arbeitgeberverbände ausgefallen. Der Bundesverband der deutschen Arbeitgeberverbände spricht davon, dass vorhandene Probleme von Missbrauch und illegalen Praktiken bei grenzüberschreitenden Entsendungen durch die Reform der Entsenderichtlinie nicht gelöst würden. Vielmehr führe die Änderung zu einer massiven Rechtsunsicherheit.

Bereits heute haben sich nationale Vorgehensweisen im Hinblick auf Melde- und Nachweispflichten etabliert, die eine Entsendung erschweren. So erfordert bspw. die Entsendung eines Arbeitnehmers nach Frankreich die Einreichung von Unterlagen über die Qualifikation des Arbeitnehmers auf französisch und die Benennung eines Ansprechpartners in der Führungsebene des Unternehmens als Kontaktperson. Um einen Arbeitnehmer nach Österreich zu entsenden, muss ein umfangreiches Online-Verfahren durchlaufen werden. Diese Vorgaben werden nach Umsetzung der Richtlinienreform in nationales Recht sicherlich zunehmen. Die Anwendbarkeit der verschiedensten, nationalen Tarifsystematiken ist ausgesprochen komplex. Dies wird den Nachweis einer einwandfreien Lohnbehandlung zusätzlich erschweren.

Gerade mittelständischen Unternehmen wird die Entsendung zukünftig einen zusätzlichen Aufwand bedeuten. Die detaillierte Prüfung ist aber nötig: Bereits nach geltendem Recht drohen bei einem Verstoß gegen die Bestimmungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes Sanktionen in Höhe von bis zu 500.000,00 € und Unternehmen können zudem von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden.

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