Konzernbetriebsrat bei ausländischer Konzernspitze? – Das BAG sorgt für Klarheit
Auch internationale Konzerne kommen regelmäßig mit den Vorgaben des deutschen Betriebsverfassungsrechts in Berührung. Insbesondere bezüglich der Errichtung eines Konzernbetriebsrates bestand bei Sachverhalten mit Auslandsbezug bisher aber Unsicherheit. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nun mit Beschluss vom 23. Mai 2018 (7 ABR 60/16) insoweit für Klarheit gesorgt.
I. Möglichkeit der Errichtung eines Konzernbetriebsrates
Unter einem Konzern ist grundsätzlich der Zusammenschluss von rechtlich selbständigen Unternehmen unter einer gemeinsamen Leitung und Verwaltung zu verstehen, wobei das herrschende Unternehmen, die Konzernspitze, unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Einfluss auf die abhängigen Unternehmen ausübt. Oftmals hat die Konzernspitze ihren Sitz jedoch nicht im Inland. In solchen Fällen werden wesentliche Entscheidungen in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten häufig nicht auf Ebene der inländischen Unternehmen getroffen, sondern durch die ausländische Konzernspitze vorgegeben. Dies hat Einfluss auf die Arbeit der Betriebsräte, denn Arbeitnehmer können ihre Mitbestimmungsrechte regelmäßig nur dann sinnvoll ausüben, wenn sie dort Einfluss nehmen können, wo die relevanten Entscheidungen getroffen werden. In Konzernen ohne Auslandsbezug haben daher die jeweiligen Betriebs- oder Gesamtbetriebsräte die Möglichkeit zur Errichtung eines Konzernbetriebsrates nach § 54 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Inwieweit die Möglichkeit zur Errichtung eines Konzernbetriebsrats auch dann besteht, wenn die herrschende Konzernspitze im Ausland ansässig ist, hat nun der 7. Senat des BAG geklärt und seine Rechtsprechung aus dem Jahr 2007 bestätigt.
II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg als Vorinstanz (Beschluss vom 21. Juni 2016 – 5 TaBV 54/15)
In dem zu entscheidenden Fall gehörten die beteiligten Unternehmen einer weltweit tätigen Unternehmensgruppe an, deren Konzernobergesellschaft ihren Sitz in der Schweiz hat. Die deutsche Obergesellschaft übt keine eigene Geschäftstätigkeit und keine Leitungsmacht aus, sondern ist eine reine Finanzholding. Ihre vier Tochtergesellschaften haben ihren Sitz allesamt in Deutschland und bei jeder der Töchter bestehen lokale Betriebsräte. Nachdem diese die Bildung eines Konzernbetriebsrates beschlossen hatten, beantragten die Gesellschaften beim Arbeitsgericht, festzustellen, dass der Konzernbetriebsrat für sie nicht besteht. Das Arbeitsgericht gab dem Antrag statt, ebenso das Landesarbeitsgericht unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2007 (BAG v. 14. Februar 2007 – 7 ABR 26/06).
1. Grundsatz: Kein Konzernbetriebsrat bei Konzernspitze im Ausland
Grundsätzlich, so das LAG, sei für die Bildung eines Konzernbetriebsrates erforderlich, dass das herrschende Unternehmen seinen Sitz im Inland habe. Der Begriff des Konzerns richte sich nämlich nach den Bestimmungen des Aktiengesetzes (AktG), die wegen des Territorialitätsprinzips grundsätzlich nur nationale Sachverhalte erfassen. Vorliegend habe das herrschende Unternehmen seinen Sitz jedoch in der Schweiz, weshalb es bereits aus diesem Grund aus dem Anwendungsbereich hinausfalle. Zudem wäre vorliegend ein in Deutschland gebildeter Konzernbetriebsrat funktionslos, da ihm – mangels Konzernspitze im Inland – kein Ansprechpartner auf Arbeitgeberseite gegenüberstünde. Eine reine Koordination der Arbeit der einzelnen Betriebsräte sei hingegen nicht Aufgabe eines Konzernbetriebsrates.
2. Ausnahme: Teilkonzernspitze mit Sitz im Inland
Eine Ausnahme könne nur dann in Betracht kommen, wenn eine im Inland ansässige sogenannte Teilkonzernspitze bestehe. Diese müsse dann im Inland eigenständige Leitungsmacht gegenüber den ihr nachgeordneten Unternehmen ausüben. Die herrschende Konzernspitze gebe in diesen Fällen etwa bestimmte Richtlinien vor, überlasse den abhängigen Unternehmen („Töchter") aber eigene Entscheidungskompetenzen, die sie in Bezug auf die wiederum ihnen nachgeordneten Unternehmen („Enkel") ausüben könnten. In diesem Fall könne für die im Inland ansässige „Tochter" und ihre „Enkel" ein Konzernbetriebsrat auf Ebene der deutschen Teilkonzernspitze errichtet werden. Eine solche Konstellation sei vorliegend indes nicht gegeben, weil die deutsche Obergesellschaft als reine Finanzholding keine eigene Leitungsmacht ausübe.
III. Entscheidung des BAG v. 23. Mai 2018 – 7 ABR 60/16
Obwohl das BAG bereits im Jahr 2007 einen vergleichbaren Fall entschieden hatte, wurde die jetzige Entscheidung mit Spannung erwartet. Nicht zuletzt, weil der 7. Senat im Jahr 2010 gewisse Bedenken geäußert hatte, ob an der bisherigen Rechtsprechung uneingeschränkt festzuhalten sei (BAG v. 27. Oktober 2010 − 7 ABR 85/09). Nun hat eben dieser Senat ausweislich der Pressemitteilung vom 23. Mai 2018 seine im Jahr 2007 ergangene Rechtsprechung und die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Wenn das herrschende Unternehmen seinen Sitz im Ausland hat und keine im Inland ansässige Teilkonzernspitze besteht, die über wesentliche Entscheidungsbefugnisse verfügt, kann ein Konzernbetriebsrat nicht errichtet werden.
IV. Folgen der Entscheidung
Durch die Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung hat das BAG die durch seinen Beschluss vom 27. Oktober 2010 erzeugte Unsicherheit beseitigt. Die Errichtung eines Konzernbetriebsrates bei einer ausländischen Konzernspitze ist nur möglich, wenn in Deutschland eine Teilkonzernspitze besteht, die über eigene Entscheidungsbefugnisse in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten verfügt. Im Rahmen von geplanten Umstrukturierungen innerhalb von Konzernen sollte dies als mögliches Gestaltungsmittel berücksichtigt werden. So kann auch ein bereits bestehender Konzernbetriebsrat entfallen, wenn die Voraussetzungen seiner Errichtung nicht mehr gegeben sind. Soweit durch gesellschaftsrechtliche Umgestaltungen die Leitungsmacht der in Deutschland ansässigen Teilkonzernspitze entfällt, bleibt kein Raum mehr für das Bestehen eines Konzernbetriebsrates. Unternehmen sollten daher – gerade in international tätigen Konzernen – die bestehenden bzw. gewünschten Strukturen und Beherrschungsverhältnisse genau berücksichtigen und ggf. entsprechend gestalten.