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Überblick über den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard

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Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat am 16. April 2020 den Arbeitsschutzstandard COVID 19 (SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard) veröffentlicht.[1] Zudem haben die Berufsgenossenschaften bereits reagiert und sektorspezifische Regelungen zum Arbeitsschutz erlassen.[2] Gegenstand des Arbeitsschutzstandards sind konkrete technische, organisatorische und personenbezogene Schutzmaßnahmen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz in Zeiten der Corona-Krise zu gewährleisten. Auch wenn die Maßnahmen teilweise etwas missverständlich als „Empfehlungen" formuliert sind, raten wir eindringlich zu einer bedarfsorientierten Umsetzung. Nachfolgend wird ein Überblick über die wesentlichen allgemeinen Vorgaben gegeben und auf praktische Umsetzungsmöglichkeiten hingewiesen.

1. Überblick über den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard

a) Grundsatz: Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m

Es ist grundsätzlich darauf zu achten, dass alle Arbeitnehmer betriebsintern und auch im Kontakt zu Kunden den Mindestabstand von 1,5 m einhalten. Dies ist durch die Anpassung der Verkehrswege (z.B. Treppen, Aufzüge etc.) und der Kenntlichmachung von Abständen durch Klebe- oder Absperrbänder sicherzustellen. Lediglich soweit dies wegen der Art der Tätigkeit im Einzelfall nicht möglich ist, sind Ausnahmen zulässig. Dann sind aber alternative technische und organisatorische Maßnahmen zu ergreifen.

b) Weitere technische und organisatorische Maßnahmen

– Gestaltung der Arbeitsplätze
  • Ergreifen alternativer Schutzmaßnahmen, soweit Mindestabstand nicht eingehalten werden kann
    (z.B. Installation transparenter Abtrennungen, Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen und Schutzhandschuhen);
  • Installation transparenter Abtrennungen zwischen Arbeitnehmern und Kunden;
  • Verwendung von Arbeitsmitteln und Werkzeugen lediglich durch einen Arbeitnehmer und regelmäßiges
    Reinigen der Objekte;
  • Lüften der Räumlichkeiten;
  • Einführung von Home-Office.
– Sanitärräume, Kantinen, Pausenräume
  • Maßnahmen zur Vermeidung von Schlangenbildung (z.B. durch Anpassung der Zeiten oder Schichten);
  • Bereitstellung von Flüssigseife und Handtuchspendern;
  • Anpassung der Reinigungsvorgänge und -intervalle für diese Räumlichkeiten, insbesondere regelmäßiges Reinigen von Türklinken und Handläufen.
– Besondere Maßnahmen für Baustellen[3], Außen- und Lieferdienste[4]
  • Errichtung von Handhygiene-Einrichtungen in der Nähe des Tätigkeitsorts und Berücksichtigung von geöffneten Sanitäreinrichtungen auf der Route;
  • zusätzliche Ausstattung der Dienstfahrzeuge mit Handhygienemitteln, Desinfektionsmitteln und Papiertüchern sowie Müllbeuteln;
  • Tausch oder Rotation der Fahrzeuge unter Arbeitnehmern vermeiden;
  • regelmäßiges Reinigen der Fahrzeug-Innenräume.
– Aufbewahrung und Reinigung von Arbeitskleidung
  • regelmäßiges Reinigen der Arbeitskleidung;
  • getrennte Aufbewahrung von persönlicher und dienstlicher Kleidung;
  • häusliches Be- und Entkleiden ermöglichen, sofern ein Infektionsrisiko ausgeschlossen werden kann.
– Zutritt betriebsfremder Personen
  • Zutritt betriebsfremder Personen auf ein Minimum reduzieren und – nach Möglichkeit – Dokumentation von Kontaktdaten sowie Ankunfts- und Abreisezeiten;
  • zwingende Information der betriebsfremden Personen über Maßnahmen des Infektionsschutzes.

c) Handlungsanweisung für Verdachtsfälle

Es sind betriebliche Regelungen zur raschen Aufklärung von Verdachtsfällen auf eine COVID-19-Erkrankung zu treffen. Dazu können zählen:

  • Hinweis auf typische Symptome (ggf. unter Verwendung der Hinweise des RKI),
  • Durchführung kontaktloser Fiebermessungen im Betrieb;
  • Freistellung / Home-Office bei Risikoverdacht, bis eine ärztliche Klärung durchgeführt wurde;
  • Personen auffordern, sich telefonisch an einen behandelnden Arzt oder das Gesundheitsamt zu wenden; 
  • Ermittlung von Kontaktpersonen im Betrieb / im dienstlichen Umfeld.

d) Etablierung eines aktiven Kommunikationsmanagements

Die Belegschaft ist – auch, um die Akzeptanz für Maßnahmen zu erhöhen – aktiv über Risiken und die ergriffenen Schutzmaßnahmen hinzuweisen. Dazu kommen folgende Maßnahmen in Betracht:

  • Sicherstellung umfassender Kommunikation über Präventions- und Schutzmaßnahmen, etwa mittels Hinweisschilder;
  • Benennung einheitlicher Ansprechpartner;
  • Angebot individueller Beratung durch vorhandene Betriebsärzte.

2. Umsetzungspflicht des Arbeitgebers

Bei den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards handelt es sich nicht um unmittelbar zwingende Vorgaben im Sinne eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung. Allerdings hat der Arbeitgeber eine tätigkeitsbezogene Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG, § 3 ArbStättV, § 3 BetrSichV) vorzunehmen. Auf dieser Grundlage sind zwingend Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten nach dem Stand der Technik, der Arbeitsmedizin und der Hygiene festzulegen (§§ 3, 4 Nr. 3 ArbSchG). Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards geben einen wesentlichen Handlungsrahmen für gefahrenadäquate Schutzmaßnahmen vor. Es müssen dabei nicht alle Maßnahmen zwingend umgesetzt werden. Vielmehr kommt es auf den jeweiligen Betrieb und die Branche und die damit einhergehenden Risiken an. Darüber hinaus sind einzelne in den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards genannten Maßnahmen in rechtlicher Hinsicht nicht unkritisch. Eine anlasslose – wenn auch kontaktlose – Fiebermessung der gesamten Belegschaft vor Beginn der täglichen Arbeit dürfte auch in Zeiten der Corona-Pandemie unwirksam sein. Aber: Einen gewissen Schutzrahmen hat jeder Arbeitgeber unter Beachtung der genannten Standards einzurichten (vgl. zu den Beteiligungsrechten des Betriebsrats unter 4.).

3. Risiken bei unterlassener Umsetzung

Hinsichtlich der Risiken einer unterlassenen Umsetzung ist zwischen der öffentlich-rechtlichen Ebene und der individualrechtlichen Ebene (Arbeitgeber/Arbeitnehmer) zu differenzieren:

  • Öffentliches Recht: Die zuständige Behörde für den Arbeitsschutz – in NRW die Bezirksregierungen – überwacht die Einhaltung von Vorgaben und kann vom Arbeitgeber Auskünfte und die Überlassung von entsprechenden Unterlagen verlangen. Sie kann auch die Umsetzung konkreter Maßnahmen anordnen (§ 22 ArbSchG). Die Nichtbefolgung solcher Anordnungen ist bußgeldbewehrt (§ 25 ArbSchG).
  • Individualrecht: Soweit der Arbeitgeber auch auf die (berechtigte) Beschwerde der Arbeitnehmer nicht reagiert, kann die Verletzung von Arbeitsschutzvorschriften ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers begründen. Da ein individualrechtlicher Anspruch auf Umsetzung von Arbeitsschutzmaßnahmen besteht (§ 618 BGB), kann die Verletzung solcher Pflichten auch einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers begründen.

4. Rechte des Betriebsrates

Dem Betriebsrat stehen für die Einhaltung der Unfallverhütungs- und Arbeitsschutzbestimmungen allgemeine Kontroll-, Beratungs- und Informationsrechte zu (§ 80 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 BetrVG und § 90 BetrVG).). Der Betriebsrat ist daher rechtzeitig und umfassend über Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu unterrichten.

Darüber hinaus hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein zwingendes Mitbestimmungsrecht für Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen sowie über den Gesundheitsschutz. Auch die Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG – Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen und Schutzhandschuhen etc. – und § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG – Änderung der Schichtzeiten etc. – kommen in Betracht. Die Mitbestimmung setzt jedoch stets voraus, dass die Vorgaben einen Umsetzungsspielraum belassen, der im Wege der betrieblichen Mitbestimmung ausgefüllt werden kann. Bei der Ausfüllung dieses Spielraums ist der Betriebsrat zwingend zu beteiligen und kann auch im Wege seines Initiativrechts die Umsetzung entsprechender Maßnahmen verlangen. Schlussendlich ist insoweit für jede einzelne Maßnahme zu prüfen, ob ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht.



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