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Zulässige Differenzierung bei der Gewährung einer betrieblichen Sonderzahlung

Mit Urteil vom 20. September 2017 (10 AZR 610/15) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine bisherige Rechtsprechung zu den Voraussetzungen einer zulässigen Differenzierung bei der Gewährung betrieblicher Sonderzahlungen bestätigt. Nach dem Urteil des BAG sind Ungleichbehandlungen bei betrieblichen Sonderzahlungen zulässig, wenn mit der Leistung unterschiedliche Arbeitsbedingungen zwischen den verschiedenen Arbeitnehmergruppen ausgeglichen werden und dadurch keine Überkompensation eintritt.

I. Worum geht es?

In dem vom Gericht zu entscheidenden Sachverhalt stritten die Parteien um die Höhe einer Sonderzulage. Auf das Arbeitsverhältnis des klagenden Arbeitnehmers fanden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die tariflichen Bestimmungen der Druckindustrie Anwendung. Im Jahr 2011 bot die beklagte Arbeitgeberin ihren Arbeitnehmern den Abschluss einer Ergänzungsvereinbarung an, die zu finanziellen Einbußen der Arbeitnehmer führte. So sah die Vereinbarung eine Erhöhung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ohne Lohnausgleich, die Absenkung der Jahresleistung und des Urlaubsgeldes sowie den Wegfall sogenannter Freischichten, des Essensgeldes und bezahlter Freitage vor. Der Kläger lehnte – im Gegensatz zu anderen Arbeitnehmern – den Abschluss der Ergänzungsvereinbarung ab. Eine nunmehr anlässlich des 250. Firmenjubiläums im Jahr 2013 abgeschlossene Betriebsvereinbarung (nachfolgend BV Prämie) sah die Gewährung einer Sonderzahlung an die Arbeitnehmer vor. Unter „Verteilung der Jubiläumszahlung" war u. a. bestimmt, dass die Arbeitnehmer, die – wie der Kläger – aufgrund der Tarifverträge der Druckindustrie tätig wurden und nicht auf Entgeltbestandteile verzichtet haben, eine Sonderzahlung von EUR 800,00 erhalten. Demgegenüber sollten die Arbeitnehmer, die seinerzeit die Ergänzungsvereinbarung unter Verzicht auf Entgeltbestandteile unterzeichnet hatten, eine Sonderzahlung in Höhe von EUR 1.500,00 erhalten.

II. Die Entscheidung des BAG

Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Zahlung des Differenzbetrages in Höhe von EUR 700,00. Das BAG wies, wie schon die Vorinstanzen, die Klage ab und befand, dem Arbeitnehmer stehe mangels gleichheitswidriger Besserstellung der begünstigten Arbeitnehmer weder ein Anspruch aus der BV Prämie in Verbindung mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 75 Abs. 1 BetrVG noch wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB zu. Die durch die BV Prämie vorgesehene Differenzierung nach Arbeitnehmergruppen sei sachlich gerechtfertigt und führe nicht zu einer gleichheitswidrigen Besserstellung der begünstigten Arbeitnehmer.

Maßgeblich für die Frage der sachlichen Rechtfertigung der Differenzierung ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck. Liegt dieser darin, Vergütungsunterschiede aufgrund unterschiedlicher sonstiger Arbeitsbedingungen auszugleichen, ohne dass eine Überkompensation eintritt, rechtfertigt dies nach Auffassung des BAG die Ungleichbehandlung.

Im Streitfall ist davon auszugehen, dass für die Höhe der Sonderzahlung die jeweilige Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen maßgeblich ist. Die erheblich höhere Sonderzahlung soll einen finanziellen Ausgleich für die Arbeitnehmer schaffen, deren Entgeltbedingungen sich nicht nach den insoweit günstigeren tarifvertraglichen Bestimmungen richten. Demgegenüber verfolgt sie nicht den Zweck, etwa die Betriebstreue der Arbeitnehmer zu honorieren, sondern hat Entgeltcharakter. Weitergehend ist durch die Sonderzahlung auch keine unzulässige Überkompensation zu befürchten. Eine solche tritt erst und mit dem Zeitpunkt ein, zu dem die finanziellen Nachteile, die die begünstigten Arbeitnehmer bis zu einer Entgelterhöhung erlitten haben oder danach noch erleiden werden, vollständig ausgeglichen sind. Hierfür ist ein Gesamtvergleich zwischen dem tatsächlichen Verdienst des klagenden Arbeitnehmers im maßgeblichen Zeitraum aufgrund der für ihn geltenden arbeitsvertraglichen Regelungen auf der einen und dem Arbeitsentgelt, das er erhalten hätte, wenn er zu den Konditionen der begünstigten Arbeitnehmer gearbeitet hätte, auf der anderen Seite, vorzunehmen. Vorliegend konnte die Beklagte darlegen, dass keine Überkompensation bestand: Die Einkommensverluste der Arbeitnehmer, die Anspruch auf eine Sonderzahlung in Höhe von EUR 1.500,00 hatten, lagen im fraglichen Zeitraum jährlich bei EUR 955,18 bis EUR 3.958,33.

III. Auswirkungen für die Praxis

Ist beabsichtigt, Sonderzahlungen in Betriebsvereinbarungen nach Arbeitnehmergruppen zu differenzieren, ist die damit verbundene Ungleichbehandlung immer dann zulässig, wenn die Unterscheidung nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt ist. Dies ist bei betrieblichen Sonderzahlungen der Fall, wenn sie dem Ausgleich unterschiedlicher Arbeitsbedingungen dienen/Rechnung tragen sollen und keine Überkompensation eintritt. Beruft sich der Arbeitnehmer auf eine Überkompensation, ist der Arbeitgeber (im Rahmen der insoweit geltenden abgestuften Darlegungs- und Beweislast nach der ihn treffenden sekundären Darlegungslast) verpflichtet/gehalten, dem entgegenzutreten und die Gründe für die unterschiedliche Verteilung der Sonderzahlung auf die verschiedenen Arbeitnehmergruppen offenzulegen.

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