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Ein Jahr Cannabis-Legalisierung: Zwischen Joint und Jobpflicht?
Am 1. April 2024 trat die Cannabis-(Teil)-Legalisierung in Deutschland in Kraft – ein Schritt, der nicht nur gesellschaftliche, sondern auch arbeitsrechtliche Fragen aufgeworfen hat.
Ein Jahr später ist klar: Die Debatte um den Umgang mit Cannabis am Arbeitsplatz ist längst nicht abgeschlossen. Auch politisch wird nach der Bundestagswahl diskutiert, ob die Teil-Legalisierung weiter fortgetrieben oder gar rückgängig gemacht werden soll.
I.
Welche Fragen haben sich für Unternehmen gestellt?
Die neue Gesetzeslage erlaubt volljährigen Personen den Besitz und Konsum von Cannabis in gewissen (auch örtlichen) Grenzen. Doch am Arbeitsplatz gelten weiterhin strenge Regeln:
Unternehmen können den Konsum von Cannabis während der Arbeitszeit und auf dem Betriebsgelände weitgehend untersagen. Streitig ist nach wie vor allerdings, ob Cannabis auch kurz vor Arbeitsbeginn oder in Pausen absolut verboten werden kann oder, ob nur ein relatives Verbot zulässig ist. Relative Verbote wirken nur, wenn mit dem Konsum eine gewisse Arbeitsbeeinträchtigung mit einher geht, die Unternehmen im Zweifel belegen müssen.
Die Auswirkungen von Cannabis auf die Arbeitsfähigkeit sind nicht immer sofort erkennbar – was den Umgang mit Konsum in der Freizeit erschwert.
In sicherheitsrelevanten Berufen (z. B. im Transport- oder Gesundheitssektor) gelten regelmäßig absolute Verbote. Hier ist der Konsum generell, unabhängig von einer etwaigen Beeinträchtigung, verboten.
Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung, Betriebsvereinbarungen anzupassen und ihre betrieblichen Regelungen zur Arbeitsfähigkeit und zum Suchtmittelverbot zu überarbeiten. Anpassungsbedürftig sind vor allem Regeln, die schlicht zwischen Alkohol einerseits und illegalen Drogen andererseits differenzieren. Denn Cannabis fällt unter keine der beiden Kategorien mehr.
II.
Was hat sich in der Praxis gezeigt?
Ein Jahr nach der Legalisierung ist die Rechtsprechung zu diesem Thema noch in Bewegung. Erste arbeitsgerichtliche Entscheidungen werden zeigen, wie Arbeitgeber mit dem Thema umgehen können oder dürften und welche Grenzen die Gerichte setzen.
Bislang zeichnet sich Folgendes ab:
Drogentests bleiben ein sensibles Thema.
Während verdachtsunabhängige Tests nur in wenigen Fällen zulässig sind, können Tests bei konkretem Verdacht auf Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit gerechtfertigt sein.
Kündigungen sind nicht ausgeschlossen.
Wer wiederholt unter Einfluss von Cannabis zur Arbeit erscheint oder gegen bestehende (zulässige) Verbote verstößt, muss mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen.
Die Arbeitsfähigkeit bleibt das zentrale Kriterium.
Unternehmen haben das Recht, zu verlangen, dass ihre Beschäftigten ihre Aufgaben uneingeschränkt erfüllen können. Beeinträchtigungen durch Cannabis oder Alkohol müssen nicht hingenommen werden. Zentrale Frage ist, ob ein absolutes Verbot zulässig ist.
III.
Handlungsempfehlungen
Auch ein Jahr nach der Legalisierung bleibt das Thema Cannabis am Arbeitsplatz aktuell. Unternehmen sollten folgende Punkte im Blick behalten:
Regelungen klar kommunizieren:
Ob durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Weisung – Beschäftigte müssen wissen, was erlaubt ist und was nicht. Verbote sollten konsequent durchgesetzt werden.
Schulungen für Führungskräfte:
Vorgesetzte sollten in der Lage sein, Anzeichen für eine Beeinträchtigung zu erkennen und angemessen zu reagieren. Hierbei ist entscheidend, dass die arbeitsrechtlichen Grenzen bekannt sind und eingehalten werden. Es wäre ein fatales Signal, personelle Maßnahmen zu ergreifen, die aber vor den Arbeitsgerichten nicht halten.
Sicherheit geht vor:
In sicherheitsrelevanten Berufen müssen klare Maßnahmen ergriffen und absolute Verbote durchgesetzt werden.
Rechtliche Entwicklungen im Blick behalten:
Die ersten gerichtlichen Entscheidungen nach der Legalisierung werden wichtige Maßstäbe setzen. Die Entwicklung sollte aufmerksam beobachtet werden.
Fazit: Ein Jahr nach der Cannabis-(Teil)-Legalisierung ist die arbeitsrechtliche Debatte in vollem Gange. Unternehmen sollten weiterhin aufmerksam bleiben und sich auf neue Entwicklungen vorbereiten.
Haben Sie Fragen zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen der Cannabis-Legalisierung? Sprechen Sie uns an – wir beraten Sie gerne!
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Über den Autor
Dr. Severin Kunisch studierte Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln mit arbeitsrechtlichem Schwerpunkt. Er arbeitete unter anderem bei international tätigen Kanzleien und am Institut für Versicherungsrecht (Lehrstuhl Arbeitsrecht) der Universität zu Köln. Nach Abschluss seines Referendariates ist er seit 2020 als Rechtsanwalt bei der Sozietät Küttner tätig.