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Strengere Regeln für die Anrechnung böswillig unterlassenen Verdienstes während der Kündigungsfrist – BAG schwächt Arbeitgeberposition

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I.

Das sagt das BAG

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner aktuellen Entscheidung vom 12. Februar 2025 (5 AZR 127/24) erneut Leitlinien für die Gestaltung von Kündigungsschreiben, Freistellungserklärungen und die Anforderungen an die Anrechnung böswillig unterlassenen Erwerbs gesetzt.
Insgesamt wurden die Verteidigungsmöglichkeiten für Arbeitgeber in Kündigungsschutzprozessen abermals modifiziert. Das BAG mildert die teils strenge Linie der (Instanz-)Rechtsprechung zum böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerb und schafft zugleich Fallstricke für Arbeitgeber, die bei Kündigungen das Annahmeverzugsrisiko begrenzen wollen. Für Arbeitnehmer wird es nun wieder einfacher, ihren Anspruch auf Annahmeverzugslohn durchzusetzen. Letztlich wird sich dies auch auf die Höhe von Abfindungen auswirken.


II.

Der Fall

Im Streitfall ging es um einen Arbeitnehmer, der im Anschluss an eine arbeitgeberseitige Kündigung bis zum Ende der Kündigungsfrist unwiderruflich von der Arbeit freigestellt wurde – unter Anrechnung anderweitiger Einkünfte, die er „erziele“.
Von einer Anrechnung unterlassenen – und somit gerade nicht „erzielten“ – anderweitigen Verdienstes war dagegen weder im Arbeitsvertrag noch im Kündigungsschreiben die Rede. Ein ausdrücklicher Verzicht auf das vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbot erfolgte nicht. Während der Kündigungsfrist übersandte der Arbeitgeber 43 Stellenangebote. Der Kläger bewarb sich auf sieben Stellen. Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers hatte Erfolg und er klagte im hiesigen Rechtsstreit den vom Arbeitgeber zurückgehaltenen Lohn ein. Der Arbeitgeber versuchte sich damit zu verteidigen, dass es der Arbeitnehmer böswillig unterlassen habe, anderweitige Verdienste zu erzielen. Dies schließe Annahmeverzugslohn aus.


III.

Die Entscheidung

Das BAG gab dem Arbeitnehmer Recht und sprach den vollen Annahmeverzugslohn zu. Böswilliges Unterlassen könne ihm nicht vorgeworfen werden. Im Wesentlichen argumentierte das BAG wie folgt:

Wettbewerbsverbot bleibt trotz Freistellung bestehen:

Auch bei einer unwiderruflichen Freistellung bleibt das vertragliche Wettbewerbsverbot grundsätzlich bestehen. Ein Verzicht des Arbeitgebers muss ausdrücklich erklärt werden. Eine bloße Freistellung mit Anrechnungsvorbehalt genügt nicht, um dem Arbeitnehmer anderweitige Tätigkeit im Wettbewerb zu erlauben. Das BAG gab seine anders lautende, ältere Rechtsprechung ausdrücklich auf.

Unklare Formulierungen im Kündigungsschreiben können zur Nichtanrechnung führen:

Die Klausel im Kündigungsschreiben, wonach ein „erzielter“ anderweitiger Verdienst angerechnet werde, ist (wohl) zu unbestimmt, um auch böswillig unterlassenen Verdienst anzurechnen. Dies müsse klar zum Ausdruck kommen.

Strenge Anforderungen an Stellenangebote:

Will der Arbeitgeber böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerb anrechnen, muss er konkret darlegen, dass der Arbeitnehmer eine zumutbare Stelle bekommen hätte, dass diese Stelle frei war und wie hoch der Verdienst gewesen wäre. Dazu gehören z. B. Angaben zum Zeitpunkt und Ort der Ausschreibung, ob die Stelle noch vakant war, welches Entgelt geboten wurde und dass der Arbeitnehmer überhaupt eine realistische Chance auf Einstellung gehabt hätte. Die reine Übersendung von Stellenangeboten genügt nicht (mehr).


IV.

Was bedeutet das für die Praxis?

Die Entscheidung zeigt einmal mehr: Wer Annahmeverzugsrisiken im Kündigungsfall minimieren will, muss mit großer Sorgfalt und genauer Kenntnis der komplexen Rechtsprechung agieren. Gerade bei längeren Kündigungsfristen kann das finanzielle Risiko steigen. Arbeitgeber sollten daher Folgendes beherzigen:

Best Practice

Freistellung klar und eindeutig formulieren:

Ein Verzicht auf ein vertragliches Wettbewerbsverbot sollte ausdrücklich und beweisbar erklärt werden – möglichst im Kündigungsschreiben selbst oder in der Freistellungserklärung. Andernfalls könnten sich Arbeitnehmer damit verteidigen, dass anderweitiger Erwerb jedenfalls bei Konkurrenzunternehmen unmöglich sei.

Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung belegen:

Wenn der Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung ablehnt und Arbeitnehmer freistellt, sollte er möglichst konkret dokumentieren, warum eine Weiterbeschäftigung für ihn nicht zumutbar ist – etwa bei Compliance-Verstößen oder bei schweren Pflichtverletzungen des Gekündigten.

Arbeitgeber als Arbeitsvermittler:

Zwar sind die Anforderungen an die Vermittlertätigkeit des Arbeitgebers gestiegen. Gleichwohl sollten Arbeitgeber weiterhin Stellenausschreibungen übermitteln. Hierbei gilt es jedoch die neu aufgestellten rechtlichen Vorgaben zu beachten.

Stellenangebote dokumentieren:

Wer später böswillig unterlassenen Erwerb vorwerfen will, muss nachweisen, dass realistische und zumutbare Beschäftigungsmöglichkeiten bestanden. Das bedeutet insbesondere: Stellenanzeigen sichern, Eckdaten dokumentieren und Nachweise der Übermittlung archivieren.


IV.

Fazit

Mit dieser Entscheidung verschärft das BAG nun die Anforderungen an Arbeitgeber, sich im Kündigungsprozess gegen Annahmeverzugslohnansprüche zu verteidigen. Dies dürfte insbesondere Auswirkungen auf Abfindungsverhandlungen haben. Wer die Risiken des Annahmeverzugs minimieren will, muss sauber formulieren, gezielt dokumentieren und penibel die neu aufgestellten Regeln beachten.

Ergänzende Informationen finden Sie auch hier:

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