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5 Minuten Lesezeit (1003 Worte)

Betriebliche Altersversorgung: Die unterschätzte Waffe gegen den Fachkräftemangel

sparschwein
Der zunehmende Fachkräftemangel spiegelt sich in der Personalarbeit in zwei Facetten: Einerseits gilt es, die besten Köpfe für ein Unternehmen im Bewerbungsprozess zu begeistern. Hiermit ist es aber nicht getan, denn andererseits müssen die gewonnen Expertinnen und Experten auch langfristig im Unternehmen gehalten werden.
Der Begriff des „Fachkräfte“-Mangels engt hierbei die Debatte allerdings zu stark ein. Es geht nicht nur um hoch qualifizierte Arbeitskräfte, sondern auch und vielleicht sogar vor allem um weniger ausgebildetes Personal. Die betriebliche Altersversorgung stellt nun auf allen Hierarchie- und Qualifizierungsebenen einen wichtigen Baustein zur Mitarbeitergewinnung und langfristigen Bindung an das Unternehmen dar.

Blogserie: Fachkräftemangel

Der Fachkräftemangel belastet Unternehmen weltweit. Qualifizierte Arbeitskräfte sind knapp, was die Produktivität hemmt und Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. In unserer Blogreihe möchten wir Ihnen unterschiedliche Möglichkeiten aus Sicht des Arbeitsrechts aufzeigen, die Ihr Unternehmen attraktiver machen können im harten Wettbewerb um Mitarbeitende.


Autor dieses Beitrags


I.

Die Konkurrenz nicht davonziehen lassen

Der aktuelle Koalitionsvertrag der Ampel qualifiziert die BAV abermals als „wichtig für ein gutes Leben im Alter“, weshalb sie weiter gestärkt werden soll. Diese Bedeutung spiegelt sich auch in dem hohe Verbreitungsgrad in Deutschland. Über die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland hat eine Betriebsrente.

In großen Unternehmen sind es sogar fast 90 Prozent. Große Unternehmen oder jene, die es werden wollen, sollten also mithalten und betriebliche Altersversorgungssysteme etablieren. Auch Unternehmen, die kein eigenes Altersversorgungssystem haben, „kaufen“ sich dieses nicht selten ein, indem sie andere Gesellschaften, deren Mitarbeitende Betriebsrentenansprüche haben, übernehmen. Es lohnt sich also, ein eigenes System anzubieten.

II.

Ein nicht ganz freiwilliges Angebot des Arbeitgebers

Eine gesetzliche Pflicht, Betriebsrenten einzuführen, bestand für Arbeitgeber in Deutschland lange Zeit nicht. Deswegen werden Betriebsrenten häufig als freiwillige Angebote von Unternehmen eingeordnet. Eine erste Durchbrechung der Freiwilligkeit erfolgt, wenn die Betriebsrenten tarifvertraglich oder durch Betriebsvereinbarungen geregelt werden.
Gesetzlich relativiert wurde die Freiwilligkeit im Jahr 2002 mit der Einführung von § 1a in das Betriebsrentengesetz (BetrAVG). Seitdem gibt es einen gesetzlichen Anspruch der Mitarbeitenden auf eine betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung.

Bei der Entgeltumwandlung verzichten Beschäftigte auf Teile ihres Lohns zugunsten einer Altersversorgung. Dies kann sich durchaus lohnen, da Beschäftigte im Alter nicht nur eine Versorgungsleistung erhalten, sondern sich durch die Entgeltumwandlung auch das Bruttoentgelt, also damit die Steuern und Sozialabgaben, verringern. Auch Unternehmen reduzieren hierdurch ihre Lohnnebenkosten. Im Gegenzug müssen sie mit dieser Ersparnis seit 2019 die bAV der Beschäftigten bezuschussen. Diese Zuschusspflicht ist gesetzlich verpflichtend. Die Durchführung der Entgeltumwandlung wird durch Vereinbarung geregelt. Hierbei können Unternehmen zwischen den Durchführungswegen der Pensionskasse, des Pensionsfonds oder einer Direktversicherung wählen und den Versorgungsträger sowie die Leistungskonditionen bestimmen. Trifft das Unternehmen keine Auswahl, können Beschäftigte den Abschluss einer Direktversicherung verlangen. Auch in diesem Fall können Unternehmen zwischen am Markt verfügbaren Versicherungsgesellschaften und -tarifen wählen. Was es im Zusammenhang mit der Entgeltumwandlung aus arbeitsrechtlicher Sicht zu beachten gilt, haben wir bereits hier in unserem Blog erläutert. Es ist ratsam, nicht abzuwarten, bis Beschäftige die Entgeltumwandlung beanspruchen, sondern diese aktiv anzubieten.


III.

Minimierung rechtlicher Risiken bereits im Vorfeld

Es ist unerlässlich, die passende Zusageform und den geeigneten Durchführungsweg festzulegen. Das Gesetz sieht verschiedene Zusageformen und Durchführungswege in unterschiedlichen Kombinationen vor, die jeweils für den Einzelfall abzuwägende Vor- und Nachteile bieten.
Die Wahl des passenden Systems hängt entscheidend von den individuellen Bedürfnissen und Zielvorstellungen eines Unternehmens ab. So ermöglicht beispielsweise die 2017 neu eingeführte Zusageform der sog. reinen Beitragszusage eine weitgehende Haftungsfreistellung des Arbeitgebers. Hierdurch lassen sich deutlich höhere Renten erzielen, eine bestimmte Rentenleistung wird jedoch nicht garantiert.
Haftungsrisiken drohen indes insbesondere aus der Regel des § 1 Absatz 1 Satz 3 Betriebsrentengesetz. Hiernach muss der Arbeitgeber stets, also auch bei Einbeziehung von Versicherungen, für die Erfüllung der zugesagten Verpflichtung „einstehen“. Die bAV birgt damit aus Sicht des Arbeitgebers auch ein nicht zu unterschätzendes Haftungsrisiko. Solche Risiken sollten bei der Auswahl der passenden bAV-Produkte minimiert werden.

IV.

Anpassung laufender Leistungen und ruhender Anwartschaften

Das Gesetz fordert eine Anpassung (Erhöhung) laufender Betriebsrenten und seit 2018 sogar eine Dynamisierung ruhender Anwartschaften vorzeitig ausgeschiedener Beschäftigter.
Dies kann zur zunehmenden finanziellen Belastung für Unternehmen werden. Finanziell gravierend ist dies insbesondere, da sich diese Anpassung auf Betriebsrentner bzw. ausgeschiedene Anwärter bezieht – und damit auf Personen, die nicht mehr zum Unternehmenserfolg beitragen.
Entstehende finanzielle Belastungen werden allerdings vielfältig begrenzt. Betriebsrenten müssen nicht angepasst werden, wenn dies die wirtschaftliche Lage des Unternehmens nicht erlaubt. Ruhende Anwartschaften ausgeschiedener Beschäftigter können zudem beispielsweise mit 1 Prozent p.a. angepasst werden. Dies stellt eine verwaltungsarme und gut prognostizierbare Handhabe dar. Diese Möglichkeiten sollten bereits im Rahmen der Zusage einbezogen werden. Im Fokus steht dabei, potenzielle Rechtsstreitigkeiten bereits im Ansatz zu verhindern.

V.

Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Hieraus lassen sich Handlungsempfehlungen ableiten:
  • Unternehmen sollten generell bereits frühzeitig über die Einführung der betrieblichen Altersversorgung nachdenken und nicht erst auf Beschäftigte reagieren, die ihren gesetzlichen Anspruch auf Entgeltumwandlung geltend machen. Die betriebliche Altersversorgung sollte als wichtiges Instrument im Kampf um Fach- und Führungskräfte genutzt werden. Gerade auch in den niedrigen Lohngruppen gewinnt die Aufbesserung der gesetzlichen Rente zunehmend an Bedeutung. Sofern Unternehmen Ansprüche auf Entgeltumwandlung verweigern, kommen Schadensersatzansprüche der Beschäftigten in Betracht.
  • Unternehmen sollten sich davor hüten, die Belegschaft allzu detailliert über die steuerliche oder sozialversicherungsrechtliche Privilegierung der Entgeltumwandlung zu informieren. Informations- oder Aufklärungspflichten sieht das Gesetz nicht vor. Die arbeitsvertragliche Nebenpflicht verlangt jedoch, dass gleichwohl erteilte Informationen zutreffend sind. Andernfalls entstehen Schadensersatzansprüche.
  • Betriebsräte sollten in die Planung involviert werden, da sich freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG gut als einfach zu implementierende Rechtsgrundlage eignen. Dies verhindert unübersichtliche und verwaltungsintensive einzelvertragliche Zusagen und kann insgesamt die Akzeptanz der bAV im Unternehmen stärken. Aber Achtung: Inwieweit die Entgeltumwandlung durch Betriebsvereinbarung geregelt werden kann, ist umstritten.
  • Besonderes Augenmerk sollte auf die steuerliche Förderung der bAV gelegt werden. Sofern der Betrag der Entgeltumwandlung beispielsweise nicht mehr als 8 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze West beträgt, ist dieser steuerfrei. Der sozialversicherungsfreie Höchstbetrag liegt bei 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze West. 2022 sind damit bis zu EUR 3.384,00 sowohl steuer- als auch sozialversicherungsfrei, weitere EUR 3.384,00 sind nur steuer-, nicht jedoch sozialversicherungsfrei.
Sprechen Sie uns gerne bei konkreten Fragen und zur Ausgestaltung von Betriebsrentensystemen sowie zur Prüfung betriebsrentenrechtlicher Sachverhalte an.

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