Betriebliche Altersversorgung: Die unterschätzte Waffe gegen den Fachkräftemangel
Blogserie: Fachkräftemangel
Der Fachkräftemangel belastet Unternehmen weltweit. Qualifizierte Arbeitskräfte sind knapp, was die Produktivität hemmt und Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. In unserer Blogreihe möchten wir Ihnen unterschiedliche Möglichkeiten aus Sicht des Arbeitsrechts aufzeigen, die Ihr Unternehmen attraktiver machen können im harten Wettbewerb um Mitarbeitende.
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Die Konkurrenz nicht davonziehen lassen
Der aktuelle Koalitionsvertrag der Ampel qualifiziert die BAV abermals als „wichtig für ein gutes Leben im Alter“, weshalb sie weiter gestärkt werden soll. Diese Bedeutung spiegelt sich auch in dem hohe Verbreitungsgrad in Deutschland. Über die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland hat eine Betriebsrente.
Ein nicht ganz freiwilliges Angebot des Arbeitgebers
Bei der Entgeltumwandlung verzichten Beschäftigte auf Teile ihres Lohns zugunsten einer Altersversorgung. Dies kann sich durchaus lohnen, da Beschäftigte im Alter nicht nur eine Versorgungsleistung erhalten, sondern sich durch die Entgeltumwandlung auch das Bruttoentgelt, also damit die Steuern und Sozialabgaben, verringern. Auch Unternehmen reduzieren hierdurch ihre Lohnnebenkosten. Im Gegenzug müssen sie mit dieser Ersparnis seit 2019 die bAV der Beschäftigten bezuschussen. Diese Zuschusspflicht ist gesetzlich verpflichtend. Die Durchführung der Entgeltumwandlung wird durch Vereinbarung geregelt. Hierbei können Unternehmen zwischen den Durchführungswegen der Pensionskasse, des Pensionsfonds oder einer Direktversicherung wählen und den Versorgungsträger sowie die Leistungskonditionen bestimmen. Trifft das Unternehmen keine Auswahl, können Beschäftigte den Abschluss einer Direktversicherung verlangen. Auch in diesem Fall können Unternehmen zwischen am Markt verfügbaren Versicherungsgesellschaften und -tarifen wählen. Was es im Zusammenhang mit der Entgeltumwandlung aus arbeitsrechtlicher Sicht zu beachten gilt, haben wir bereits hier in unserem Blog erläutert. Es ist ratsam, nicht abzuwarten, bis Beschäftige die Entgeltumwandlung beanspruchen, sondern diese aktiv anzubieten.
Minimierung rechtlicher Risiken bereits im Vorfeld
Anpassung laufender Leistungen und ruhender Anwartschaften
Handlungsempfehlungen für Unternehmen
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Unternehmen sollten generell bereits frühzeitig über die Einführung der betrieblichen Altersversorgung nachdenken und nicht erst auf Beschäftigte reagieren, die ihren gesetzlichen Anspruch auf Entgeltumwandlung geltend machen. Die betriebliche Altersversorgung sollte als wichtiges Instrument im Kampf um Fach- und Führungskräfte genutzt werden. Gerade auch in den niedrigen Lohngruppen gewinnt die Aufbesserung der gesetzlichen Rente zunehmend an Bedeutung. Sofern Unternehmen Ansprüche auf Entgeltumwandlung verweigern, kommen Schadensersatzansprüche der Beschäftigten in Betracht.
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Unternehmen sollten sich davor hüten, die Belegschaft allzu detailliert über die steuerliche oder sozialversicherungsrechtliche Privilegierung der Entgeltumwandlung zu informieren. Informations- oder Aufklärungspflichten sieht das Gesetz nicht vor. Die arbeitsvertragliche Nebenpflicht verlangt jedoch, dass gleichwohl erteilte Informationen zutreffend sind. Andernfalls entstehen Schadensersatzansprüche.
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Betriebsräte sollten in die Planung involviert werden, da sich freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG gut als einfach zu implementierende Rechtsgrundlage eignen. Dies verhindert unübersichtliche und verwaltungsintensive einzelvertragliche Zusagen und kann insgesamt die Akzeptanz der bAV im Unternehmen stärken. Aber Achtung: Inwieweit die Entgeltumwandlung durch Betriebsvereinbarung geregelt werden kann, ist umstritten.
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Besonderes Augenmerk sollte auf die steuerliche Förderung der bAV gelegt werden. Sofern der Betrag der Entgeltumwandlung beispielsweise nicht mehr als 8 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze West beträgt, ist dieser steuerfrei. Der sozialversicherungsfreie Höchstbetrag liegt bei 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze West. 2022 sind damit bis zu EUR 3.384,00 sowohl steuer- als auch sozialversicherungsfrei, weitere EUR 3.384,00 sind nur steuer-, nicht jedoch sozialversicherungsfrei.
Über den Autor
Dr. Severin Kunisch studierte Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln mit arbeitsrechtlichem Schwerpunkt. Er arbeitete unter anderem bei international tätigen Kanzleien und am Institut für Versicherungsrecht (Lehrstuhl Arbeitsrecht) der Universität zu Köln. Nach Abschluss seines Referendariates ist er seit 2020 als Rechtsanwalt bei der Sozietät Küttner tätig.