3 Minuten Lesezeit
(655 Worte)
Betriebsrenten (Teil 2) –Tarifvertragliche Entgeltumwandlungssysteme fallen nicht aus der Zeit
Dass die betriebliche Altersversorgung (bAV) kein rein freiwilliges Angebot ist, steht seit der Einführung des § 1a BetrAVG im Jahre 2002 fest (→Teil 1 Betriebsrenten – Ein freiwilliges Angebot der Unternehmen?).
Über diesen gesetzlichen Entgeltumwandlungsanspruch können Arbeitnehmer jährlich einen bestimmten Teil ihres Gehalts steuer- und sozialversicherungsgünstig für die Altersversorge umwandeln. Arbeitgeber sind zusätzlich verpflichtet, einen gewissen Eurobetrag zugunsten des Arbeitnehmers zuzuschießen.
Vor der Kodifizierung der Zuschusspflicht am 1. Januar 2019 vereinbarte, freiwillige Entgeltumwandlungssysteme verlieren durch die gesetzliche Neuerung jedoch nicht an Bedeutung. Das entschied das BAG mit Urteil vom 20. August 2024 (3 AZR 285/23). Der seit dem 1. Januar 2019 verpflichtende Arbeitgeberzuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG kann auch aufgrund eines älteren Tarifvertrages erfüllt werden.
Inhalt dieses Beitrags
I.
Der Zuschussanspruch
§ 1a Abs. 1a BetrAVG
„Der Arbeitgeber muss 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an den Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung weiterleiten, soweit er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart.“
In dem Fall über den das BAG zu entscheiden hatte, versuchte der Arbeitnehmer, seinen Anspruch auf Arbeitgeberzuschuss aus § 1a Abs. 1a BetrAVG geltend zu machen.
Durch diese Regelung wird sichergestellt, dass die Reduzierung des steuer- und sozialversicherungspflichtigen Einkommens und die einhergehend Beitragsersparnis auch für den Arbeitgeber hauptsächlich dem Arbeitnehmer zugutekommt. Es entspräche nicht dem Sinn und Zweck der betrieblichen Altersvorsorge, den Arbeitgeber von seinem Teil der Beiträge zu entlasten. Was er durch die Entgeltumwandlung erspart, steht daher als Zuschuss zur Altersvorsorge dem Arbeitnehmer zu. Allerdings ist die gesetzliche Zuschusspflicht gemäß § 19 Abs. 1 BetrAVG tarifdispositiv, d.h. von ihr kann durch Tarifvertrag abgewichen werden.
II.
Die tarifliche Regelung
In dem zwischen den Parteien im Fall des BAG zur Anwendung kommenden Tarifvertrag ist neben einem Entgeltumwandlungssystem die Zahlung eines sog. „Altersvorsorgegrundbetrags“ vorgesehen.
Ein Vorteilsausgleich, wie ihn § 1a Abs. 1a BetrAVG anordnet, ist jedoch nicht ausdrücklich niedergelegt. Der Arbeitnehmer begehrte deswegen zusätzlich zum „Altersvorsorgegrundbetrags“ die Zahlung des Arbeitgeberzuschusses nach § 1a Abs. 1a BetrAVG.
Der „Altersvorsorgegrundbetrag“ erfüllt indes ebenfalls den Zweck der Zuschusspflicht, sodass kein Grund bestehe, die gesetzliche Zuschusspflicht neben der tariflichen Pflicht anzuwenden. Eine Differenzierung spiele keine Rolle, solange der Zweck des Vorteilsausgleichs auf andere Weise erreicht würde. Übersteigt der tarifvertraglich zu gewährende Betrag – wie in dem vorliegenden Verfahren – den gesetzlichen Zuschuss, bestehe kein Grund, die gesetzliche Regelung neben dem Tarifvertrag anzuwenden.
Anderweitig gewährte Zahlungen seien auf den im Betriebsrentengesetz festgelegten Zuschussbeitrag anzurechnen. Im Umkehrschluss muss § 1a Abs. 1a BetrAVG stets gelten, wenn ein Tarifvertrag keine oder eine nur unzureichende Ausgleichszahlung vorsieht. Der klagende Arbeitnehmer konnte den Zuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG nicht zusätzlich zum „Altersvorsorgegrundbetrag“ verlangen.
III.
Bestandskraft alter Tarifverträge
Darüber hinaus sei es unbeachtlich, wenn den Tarifvertragsparteien der gesetzliche Zuschuss bei Abschluss des Tarifvertrages nicht bekannt war, etwa weil dieser – so im vorliegenden Verfahren – zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht existierte.
Stattdessen genüge schon der Wille, einen Arbeitgeberzuschuss zu regeln. Das ergebe eine Auslegung des § 19 Abs. 1 BetrAVG ausgehend von dessen Wortlaut und dem Willen des Gesetzgebers.
IV.
Fazit
Das Urteil offenbart, dass die Wurzel des Arbeitgeberzuschusses in dem Gedanken des Vorteilsausgleiches liegt.
Im Rahmen der betrieblichen Altersversorge geht es nicht darum, dem Arbeitnehmer auf Kosten des Arbeitgebers einen möglichst großen Vorteil zu verschaffen. Die gesetzliche Zuschusspflicht des Arbeitgebers beruht auf dem Gedanken, dass der Arbeitgeber aber Einsparungen an den Arbeitnehmer weitergeben muss. Selbstverständlich kann er sich im Rahmen einer tarifvertraglichen Vereinbarung dazu verpflichten, höhere Zahlungen zu leisten. In diesen Fällen kann die gesetzliche Zuschusspflicht übererfüllt werden. Sie stellt gewissermaßen das Mindestprogramm dar.
Richtigerweise ordnet das BAG der Frage, wann der Arbeitgeberzuschuss vereinbart wurde, keine Relevanz bei. Insgesamt wird hierdurch die von der Politik gewollte Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung gestärkt, da zusätzliche Haftungsrisiken für Unternehmen abgebaut werden, die der bAV insgesamt schaden würden. Allerdings sind ältere (tarifliche) Entgeltumwandlungssysteme genau darauf zu untersuchen, ob sie die Zuschusspflicht des § 1a Abs. 1a BetrAVG erfüllen.
Über den Autor
Dr. Severin Kunisch studierte Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln mit arbeitsrechtlichem Schwerpunkt. Er arbeitete unter anderem bei international tätigen Kanzleien und am Institut für Versicherungsrecht (Lehrstuhl Arbeitsrecht) der Universität zu Köln. Nach Abschluss seines Referendariates ist er seit 2020 als Rechtsanwalt bei der Sozietät Küttner tätig.