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„I don’t understand.“- Wann fehlende Sprachfähigkeiten zur Kündigung führen können

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Sprachfähigkeiten sind für viele Arbeitgeber ein zunehmend relevantes Kriterium bei der Einstellung von neuen Mitarbeitenden. Die Gründe hierfür sind vielfältig. So steigt die Nachfrage nach Fremdsprachenkenntnissen aufgrund einer zunehmend globalisierten Wirtschaft.
Aber auch die Beherrschung der deutschen Sprache dürfte infolge von Zuwanderung und der erforderlichen Anwerbung ausländischer Fachkräfte zunehmend Thema in Bewerbungsgesprächen sein. Doch welche Möglichkeiten bestehen, wenn sich nach Einstellung herausstellt, dass Arbeitnehmer*innen nicht (mehr) die Sprachfähigkeiten aufweisen, die eigentlich von ihnen erwartet werden? Dieser Artikel beschäftigt sich mit den Möglichkeiten des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis aufgrund defizitärer Sprachfähigkeiten oder fehlender Sprachanwendung einseitig zu beenden.


I.

Welche Anforderungen dürfen an Mitarbeitende gestellt werden?

Die arbeitgeberseitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt nur dann in Betracht, wenn die Arbeitnehmer*innen die an sie gestellten Anforderungen zur Leistungserbringung nicht erfüllen. Wichtig ist daher zunächst festzustellen, welchen Ansprüchen die Arbeitnehmer*innen überhaupt entsprechen müssen.
Die Anforderungen können sich zunächst aus expliziten vertraglichen Absprachen ergeben. So dürfte bei einer Dolmetscherin regelmäßig vertraglich festgehalten sein, welche Sprachen sie übersetzen und daher auch beherrschen muss. Auch kann Englisch als Leistungssprache, also die Sprache, in der die Arbeitsleistung zu erbringen ist, vereinbart werden. Sind zu den Sprachfähigkeiten keine Regelungen getroffen, können sich diese auch konkludent aus der Art der geschuldeten Tätigkeit ergeben. In diesem Fall hängen die Anforderungen maßgeblich vom Aufgabenprofil ab. So kann z.B. von einem Mitarbeiter, der kommunikativ mit Kunden zusammenarbeitet, erwartet werden, ein erhöhtes Niveau in der maßgeblichen Umgangssprache aufzuweisen. Andere Tätigkeiten können hingegen aus der Natur der Sache das Lesen und Schreiben in deutscher Sprache voraussetzen.
Der Arbeitgeber kann in jedem Fall billigerweise nur diejenigen Sprachanforderungen verlangen, die zur Durchführung der geschuldeten Tätigkeit auch erforderlich sind. So ist z.B. die Kündigung wegen mangelnder Englischkenntnisse unzulässig, wenn für die Durchführung der geschuldeten Tätigkeit die Beherrschung der englischen Sprache nicht erforderlich ist.


II.

Kündigung wegen defizitärer Sprachfähigkeiten

Welche Voraussetzungen für eine Kündigung erfüllt werden müssen, hängt von der Frage ab, ob die Sprachdefizite schon seit Beginn des Arbeitsverhältnisses bestehen oder sich während des Arbeitsverhältnisses entwickeln und ob die Divergenz zwischen Anforderung und Wirklichkeit in der Verantwortung des Arbeitgebers oder der Arbeitnehmer*innen liegt. Wie bei allen Kündigungen muss jedoch abgewogen werden, ob die Kündigung nicht durch mildere Mittel, wie Sprachkursen und Fortbildungsmaßnahmen, der Versetzung auf einen Arbeitsplatz mit geringeren Sprachanforderungen oder Hilfsmitteln (z.B. elektronischer Übersetzer), abgewendet werden kann.

1. Anfängliches Sprachdefizit

Haben Arbeitnehmer*innen ihre Sprachfähigkeiten vor dem Beginn des Arbeitsverhältnisses überschätzt, so tragen sie die arbeitsvertragliche Nebenpflicht, dafür zu sorgen, dass sie diese Anforderungen erfüllen können.
Dies kann z.B. durch in der Freizeit genommene Sprachkurse erreicht werden. Sind Mitarbeitende intellektuell nicht in der Lage, die Sprache zu lernen, kann der Arbeitgeber zu einer personenbedingten Kündigung berechtigt sein. Die fehlende Fähigkeit kann gegebenenfalls schon ab einem fehlgeschlagenen Versuch, die Sprachfähigkeiten zu erlernen, angenommen werden.
Regelmäßig empfiehlt es sich, betroffenen Beschäftigten – auch bei scheinbarer Entbehrlichkeit - vor Aussprache einer Kündigung einen Sprachkurs anzubieten, um alle Mittel auszuschöpfen, die Kündigung zu vermeiden. Die Teilnahme an einem Sprachkurs stellt in der Regel ein milderes Mittel zur Kündigung dar.

2. Täuschung über Sprachfähigkeiten

Ein Sonderfall liegt vor, wenn Arbeitnehmer*innen ihren Arbeitgeber vor der Einstellung arglistig über die eigenen Sprachfähigkeiten täuschen. Der Arbeitgeber kann den Vertragsschluss dann gemäß § 123 I BGB wegen arglistiger Täuschung anfechten. Dies setzt jedoch voraus, dass die Lüge der Grund für den Abschluss des Arbeitsvertrages war und Bewerbende bewusst den Eindruck erwecken wollten, sie verfügen über die fraglichen Sprachkenntnisse. Das Arbeitsverhältnis wird dann mit sofortiger Wirkung für die Zukunft aufgelöst.

3. Nachträgliches Sprachdefizit

a. Arbeitgeberseitige Anforderungserhöhung

Stellt der Arbeitgeber im Rahmen seines Weisungsrechts nachträglich erhöhte sprachliche Anforderungen an seine Arbeitnehmer*innen, kommt es darauf an, ob sich dies im Rahmen seines Weisungsrechtes bewegt. Ist dies der Fall, müssen die Beschäftigten grundsätzlich auf eigene Kosten für ihre sprachliche Fortbildung sorgen.
Verlangt ein Arbeitgeber von seinen Mitarbeitenden erhöhte sprachliche Fähigkeiten, die nicht mehr im Rahmen des Weisungsrechts liegen, muss der Arbeitgeber ihnen einen Änderungsvertrag anbieten. Erst indem der Arbeitgeber das Angebot des Änderungsvertrages mit einer Kündigung verbindet, kann er die Arbeitnehmer*innen, die sich weigern das Angebot anzunehmen, kündigen, sofern die Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Nehmen die Beschäftigten die Änderung an, sind sie selbst (auf eigene Kosten) für die Herstellung ihrer Sprachfähigkeit zur Erbringung der Arbeitspflicht verantwortlich. Lassen sie es jedoch auf eine Änderungskündigung ankommen, würden sie auf Kosten des Arbeitgebers fortgebildet werden müssen, da die Kündigung unwirksam ist, wenn Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer*innen nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist (§ 1 Abs. 2 S. 3 KSchG).
Weigern Mitarbeitende sich, entsprechende Weiterbildungen zu absolvieren, obwohl diese zumutbar sind, kann dies einen Kündigungsgrund darstellen. Die Kündigung ist jedoch nur zulässig, wenn die erhöhten sprachlichen Anforderungen zur Durchführung der Leistungspflicht auch erforderlich sind.

b. Nachlassende Sprachfähigkeiten

Können Arbeitnehmer*innen das sprachliche Anforderungsprofil – z.B. altersbedingt oder nach längeren Pausen des Arbeitsverhältnisses – zunehmend nicht mehr erfüllen, weil die sprachlichen Fähigkeiten nachgelassen haben, so sind sie zwar grundsätzlich für die Wiederherstellung der geschuldeten Sprachfähigkeit verantwortlich. Dennoch dürfte es für den Arbeitgeber regelmäßig ratsam sein, Mitarbeitenden entgegenzukommen und zu versuchen, diese bei der Wiederherstellung der Fähigkeiten zu unterstützen. Weigern sich die Mitarbeitenden, das Angebot anzunehmen, kann der Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen.

4. Verweigerung der Verwendung vorhandener Sprachkenntnisse

Ein weiterer sprachbezogener Kündigungsgrund stellt die Weigerung von Mitarbeitenden dar, eine bestimmte Sprache generell oder ein gewisses Sprachniveau zu nutzen. Ist die Verwendung der Sprache zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung erforderlich, stellt die Weigerung eine schuldhafte Nichterbringung der Arbeitsleistung dar. Ein solches Verhalten kann den Arbeitgeber regelmäßig sogar zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigten. Da der Kündigungsgrund hier in einem änderbare Verhalten der Mitarbeitenden liegt, muss der Arbeitgeber diese grundsätzlich vor einer Kündigung abmahnen.
Eine Kündigung kommt dagegen grundsätzlich nicht in Betracht, wenn Arbeitnehmer*innen sich außerhalb der Arbeitszeit – z.B. in Pausen oder auf einem gemeinsamen Heimweg - weigern eine gewisse Sprache zu sprechen. Solange es zu keiner ernsthaften Störung des Betriebsablaufs kommt, müssen Belegschaft und Arbeitgeber dieses Verhalten aushalten.


III.

Fazit

Grundsätzlich können fehlende Sprachkenntnisse einen Kündigungsgrund darstellen.
Maßgeblich ist hierbei jedoch immer, ob das Fordern des Beherrschens einer bestimmten Sprache oder das Vorhandensein eines bestimmten Sprachniveaus überhaupt zulässig war, da dies vereinbart oder vom Direktionsrecht gedeckt war. Ansonsten kann diese Nichtbeherrschung oder das Nichtvorhandensein auch keinen Kündigungsgrund darstellen. Wichtig ist es außerdem, immer zunächst mildere Mittel anzuwenden, um die Behebung der sprachlichen Mängel beispielsweise durch Sprachkurse zu beseitigen, sowie Abmahnungen auszusprechen, bevor die Kündigung erklärt wird.
Wir danken unserem wissenschaftlichen Mitarbeiter Justus Moll für die Mitarbeit an diesem Beitrag.

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