KI im Arbeitsrecht – Überblick & Update
Lisa-Lorraine Christ, LL.M.
(Expertenteam Digital New Work und Datenschutz )
Ein Beispiel hierfür ist die erste Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg im Januar 2024 zur Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Implementierung von ChatGPT und anderen KI-Systemen. Ebenso wurde mittlerweile eine Einigung zum Inhalt der lange diskutierten KI-Verordnung erzielt. Die Risiken der Nutzung von KI-Systemen sind immer wieder Thema der arbeitsrechtlichen Beratung und in der Presse wird von Fällen der Diskriminierung durch KI-Anwendungen berichtet. Dies bietet Anlass, die arbeitsrechtlichen Aspekte und aktuellen Entwicklungen erneut zu beleuchten. Wir liefern Antworten auf einige der wichtigsten rechtlichen Fragen.
Nutzung von KI-Systemen im Unternehmen
1. Ist es den Beschäftigten gestattet, ChatGPT & Co. eigenständig zur Erledigung ihrer Arbeitsaufgaben zu verwenden?
2. Ist es dem Arbeitgeber möglich die Nutzung von KI-Anwendungen zur Erbringung der Arbeitsleistung anzuordnen oder zu untersagen?
3. Was sind zu berücksichtigende Risiken?
Bei der Nutzung von KI erfolgt eine fortlaufende Bereitstellung von Datensätzen, aus denen die KI lernt, Zusammenhänge herstellt und Schlussfolgerungen zieht. Dies birgt das Risiko, dass sensible Informationen und Geschäftsgeheimnisse durch Beschäftigte schnell an das KI-System weitergegeben und durch dieses verarbeitet werden. Dadurch können rasch datenschutzrechtliche und urheberrechtliche Herausforderungen sowie das Risiko der Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen entstehen. Eine ausführliche Besprechung des Themas KI & Datenschutz finden sie in unserem Blog.
Praxishinweis:
Insbesondere mit Blick darauf, dass viele KI-Anwendungen wie z.B. deepL oder ChatGPT frei zugänglich sind und zu erwarten ist, dass Beschäftigte hierauf zurückgreifen, sollten Unternehmen Richtlinien zur Nutzung dieser Systeme aufstellen und über die Risiken aufklären. Diese Richtlinien sollten, die vom Arbeitgeber genehmigten KI-Systeme benennen und festlegen, für welche Arbeitsbereiche die Nutzung von KI-Anwendungen gestattet ist. Es ist entscheidend, die Belegschaft für die Frage zu sensibilisieren, mit welchen Daten das KI-System "geprompted" werden darf. Neben der Identifizierung sensibler Bereiche (keine personenbezogenen Daten, Anonymisierung, keine Geschäftsgeheimnisse usw.) kann eine ergänzende Schulung oder ein Screencast sinnvoll sein, um praxisnahe Risiken aufzuzeigen. Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft die Überprüfung der Ergebnisse der KI. Diese sollten von den Beschäftigten kritisch geprüft werden, während gleichzeitig die Nutzung von KI transparent kommuniziert wird.
KI im Recruiting – Diskriminierungsgefahr erkennen und begegnen
1. Einsatzmöglichkeiten von KI im Recruiting
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Unterstützung bei der Bewerberauswahl (People-Analytics-Anwendungen)
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Social Recruiting (= soziale Medien wie z.B. LinkedIn oder Xing auf Talente scannen)
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(Erste) Bewerbungsgespräche durch Chatbots
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Assessment Tools
2. Einer der größten Stolpersteine: Die Diskriminierungsgefahr
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Selbstlernende KI neigt zur Verstärkung bestehender Strukturen
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Unzureichende oder fehlerhafte Daten können zu diskriminierenden Entscheidungen führen
3. Arbeitsrechtliche Konsequenzen einer Diskriminierung
Praxishinweis:
Es ist von entscheidender Bedeutung sicherzustellen, dass sowohl die Programmierung als auch die verwendeten Daten frei von jeglicher Form von (indirekter) Diskriminierung sind und aktiv Maßnahmen dagegen ergriffen werden. Daher sollte Folgendes berücksichtigt werden:
- KI nicht mit voreingenommenen Daten trainieren
- KI nicht mit vergangenen Erfolgsfaktoren trainieren
- Training der KI mit idealen Indikatoren
- Erstellung einer unternehmensinternen Richtlinie zur Nutzung von KI
- Kontrolle vor Launch des Systems & dauerhafte Kontrollsysteme implementieren
Mitbestimmung des Betriebsrats
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Vor der Implementierung von KI ist es gemäß § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG erforderlich, den Betriebsrat zu informieren und den Einsatz mit ihm zu besprechen.
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Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG kommt regelmäßig in Betracht, wenn KI geeignet ist, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Das Arbeitsgericht Hamburg entschied hierzu, dass der freiwillige Einsatz von ChatGPT und vergleichbarer KI-Tools über Privataccounts der Arbeitnehmer nicht mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG sei. Mangels Zugriffes auf die Nutzerdaten komme keine Verhaltens- und Leistungskontrolle durch den Arbeitgeber in Betracht. Zu beachten ist jedoch, dass das Arbeitsgericht hier eine spezifische Fallgestaltung in den Blick genommen hat. Erfolgt die Nutzung über Unternehmensaccounts ist regelmäßig ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht zu erwarten.
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Die Implementierung neuer Software kann Fragen zur Gesundheit im Hinblick auf psychische Belastungen aufwerfen und eine erforderliche Gefährdungsbeurteilung gemäß § 3 der Betriebssicherheitsverordnung auslösen, wodurch ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Absatz 1 Nr. 7 des BetrVG entstehen kann. Ob ein solches in Betracht kommt, wird maßgeblich von der Ausgestaltung der KI-Anwendung im Einzelfall abhängen. Das Arbeitsgericht Hamburg hat in seiner o.g. Entscheidung bei dem Einsatz von ChatGPT keine Gefährdung gesehen und ein solches Mitbestimmungsrecht abgelehnt. Unternehmen sind gut beraten, diese Themen in einer separaten (Rahmen-)Betriebsvereinbarung zu regeln und den unmittelbaren Konnex mit einzelnen IT-Systemen idealerweise zu vermeiden.
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Weiter hat der Betriebsrat nach § 95 II a BetrVG das Recht mitzubestimmen, wenn KI-Systeme zur Aufstellung von Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen genutzt werden.
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Der Betriebsrat hat nach § 80 Abs. 3 S. 2 BetrVG die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Sachverständigen bei der Einführung und Nutzung von KI.
KI-Verordnung: Aus- und Überblick
Fazit und Praxishinweise
Unser Expertenteam Digital New Work und Datenschutz unterstützt Sie in diesen Bereichen gerne.