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Transparenz von Anfang an – Pflichten vor und während der Beschäftigung
Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie (ETRL) führt neue Verpflichtungen für Unternehmen zur Transparenz mit Blick auf das Entgelt sowohl vor als auch während der Beschäftigung ein.
Arbeitgeber haben künftig klare Informationen über die Vergütung und die zugrunde liegenden Kriterien bereitzustellen – bei der Stellenbewerbung, sowie im Verlauf des Arbeitsverhältnisses. In diesem Beitrag erfahren Sie, welche Pflichten Arbeitgeber in Zukunft treffen und wie diese die Gehaltsverhandlungen und die Transparenz im Unternehmen beeinflussen.
Blogserie: Equal Pay und Entgelttransparenz
Lohngleichheit ist nicht länger nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern wird zur gesetzlichen Pflicht. Mit der EU-Entgelttransparenzrichtlinie kommen neue Anforderungen auf Unternehmen zu – von Berichtspflichten bis zu transparenten Vergütungsstrukturen. In unserer Blogreihe zeigen wir, was jetzt zu beachten ist und wie Sie Entgeltgerechtigkeit rechtssicher und strategisch umsetzen können.
I.
Transparenz vor der Beschäftigung
1. Informationen über das Einstiegsgehalt oder die Gehaltsspanne
Entgelttransparenz wird künftig bereits vor Beginn des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich (Art. 5 Abs. 1 ETRL). Die Regelung soll den potenziellen Arbeitnehmenden in die Lage versetzen, eine fundierte Entscheidung über das erwartete Gehalt zu treffen sowie die Verhandlungsposition der Bewerbenden verbessern und transparente Gehaltsverhandlungen unterstützen (vgl. Erwägungsgrund 32).
Konkret lautet Art. 5 Abs. 1 ETRL:
(1) Stellenbewerber haben das Recht, vom künftigen Arbeitgeber Informationen über Folgendes zu erhalten:
- a) das auf objektiven, geschlechtsneutralen Kriterien beruhende Einstiegsentgelt für die betreffende Stelle oder dessen Spanne; und
- b) gegebenenfalls die einschlägigen Bestimmungen des Tarifvertrags, den der Arbeitgeber in Bezug auf die Stelle anwendet.
Diese Informationen sind in einer Weise bereitzustellen, dass fundierte und transparente Verhandlungen über das Entgelt gewährleistet werden, (..).
Damit haben Bewerbende nunmehr vor der Beschäftigung einen Anspruch auf Informationen über
das Einstiegsgehalt oder die Gehaltsspanne und
eventuell anwendbare Tarifverträge.
Gleichzeitig dürfen Bewerbende umgekehrt nicht nach ihrer Entgeltentwicklung in ihrem laufenden oder früheren Arbeitsverhältnis gefragt werden (Art. 5 Abs. 2 ETRL).
Praxishinweis:
Nach dem Wortlaut der Regelung wird eine proaktive Information durch den Arbeitge-ber erforderlich sein – etwa in der Stellenausschreibung oder Bereitstellung der Infor-mationen an den Bewerbenden vor dem Vorstellungsgespräch auf andere Weise. Eine spezielle Form wird nicht vorgeschrieben.
Aus Beweisgründen bietet sich eine Information in Textform an.
2. Geheimhaltungsinteresses der Unternehmen
Unternehmen haben regelmäßig ein berechtigtes Interesse daran, ihre – häufig aufwändig gestalteten – Vergütungssysteme geheim zu halten. Dieses Interesse ist mit den gesetzlichen Transparenzanforderungen in Einklang zu bringen. Im Einzelfall ist daher sorgfältig zu prüfen, in welchem Umfang Informationspflichten tatsächlich erfüllt werden müssen. Zugleich ist es wünschenswert, dass der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung der ETRL in diesem sensiblen Bereich mit Augenmaß vorgeht.
3. Wie ist mit individuell (höher) ausgehandelten Gehältern im Lichte der neuen Vorschriften umzugehen?
Eine in der Praxis immer wieder aufkommende Frage ist, wie individuell ausgehandelte Gehälter in diesem Kontext zu bewerten sind.
Erwägungsgrund 32 zur Richtlinie stellt klar: Die Angabe einer Gehaltsspanne verpflichtet Arbeitgeber nicht dazu, innerhalb dieser Grenzen zu bleiben. Die Vereinbarung eines höheren Gehalts aufgrund geschickter Verhandlungen des Bewerbenden ist möglich. Doch es ist Vorsicht geboten: Unternehmen können ein höheres Gehalt für die gleiche oder gleichwertige Arbeit nicht allein damit rechtfertigen, dass im Bewerbungsgespräch mehr gefordert wurde.
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Vertragsfreiheit hier keine ausreichende Begründung darstellt. Arbeitgeber tragen im Anwendungsbereich des § 22 AGG die volle Beweislast dafür, dass das Geschlecht bei der Gehaltsentscheidung keine Rolle gespielt hat (BAG, Urteil vom 16.2.2023-8 AZR 450/21).
Bedeutet das nun, dass Verhandlungsgeschick gar keine Rolle mehr spielt? Nicht notwendigerweise. In bestimmten Fällen kann es als Soft-Skill durchaus ein objektives, geschlechtsneutrales Kriterium im Sinne des Art. 4 Abs. 4 ETRL sein, dass eine unterschiedliche Vergütung rechtfertigt. Die Einzelheiten dazu sollten jedoch kritisch geprüft werden, um Risiken zu vermeiden.
Praxishinweis:
Mit der ETRL gewinnt die Widerlegung einer vermuteten Entgeltbenachteiligung an Bedeutung, da erweiterte Auskunfts- und Berichtspflichten die Vergütung innerhalb des Unternehmens sichtbar machen. Personalverantwortliche müssen künftig die Gründe für höhere Gehälter sorgfältig dokumentieren und die zugrunde liegenden Kriterien sowie deren Gewichtung nachvollziehbar darlegen.
II.
Transparenz während der Beschäftigung bzgl. der Festlegung und Entwicklung des Entgelts
Die Beschäftigten sind nach Art. 6 Abs. 1 ETRL darüber zu informieren, welche Kriterien bei der Festlegung des Entgelts, der Entgelthöhen und der Entgeltentwicklung berücksichtigt werden.
Die ETRL zielt darauf ab, die Gehaltsentwicklung im bestehenden Arbeitsverhältnis visibler zu machen. Unternehmen werden daher die von ihnen im Vergütungssystem verwendeten Kriterien (bspw. Berufserfahrung, Ausbildung, spezielle Kenntnisse usw.) offenlegen müssen. Dabei müssen die Kriterien nach den Anforderungen der Richtlinie objektiv und geschlechtsneutral sein.
Praxishinweis:
Unternehmen sollten bereits jetzt eine Analyse des bestehenden Vergü-tungssystems durchführen und überprüfen, ob bestehende Kriterien und Gewichtungen den Anforderungen der Richtlinie nach Objektivität und Geschlechtsneutralität gerecht werden und keine diskriminierenden Stereotype enthalten.
Über das konkrete Verfahren der Bereitstellung der Informationen enthält die Richtlinie keine Vorgaben. Hinsichtlich der Einzelheiten darf man gespannt auf die Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber warten.
Sie haben Fragen zur Entgeltstransparenzrichtlinie, dem Umgang mit den Transparenzanforderungen oder zu Ihrer unternehmensinternen Entgeltstruktur?
Unser Expertenteam steht Ihnen jederzeit zur Verfügung.
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