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Betriebliche Teststrategien für mehr Infektionsschutz – was arbeitsrechtlich zu beachten ist

schnelltest

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat jüngst die ersten Sonderzulassungen für Antigen-Tests erteilt, die durch Laien als Selbsttest angewendet werden können (sog. Laien-Selbsttests). Auch darüber hinaus sollen die Testungen erweitert werden. Mit dieser Ausweitung nimmt zwangsläufig auch die Diskussionen rund um Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Durchführung solcher Tests rasant an Fahrt auf. Dies gilt gerade im Arbeitsrecht, wo bereits das Arbeitsschutzrecht die Durchsetzung bestimmter Schutzmaßnahmen gebietet.


I.

Ausgangslage

Nach wie vor besteht in vielen Bereichen Uneinigkeit über die Chancen und Risiken des Einsatzes von Schnelltests, insbesondere solche zur Selbstanwendung. Einerseits soll der Ausbau der Testung ein Teil einer – bislang noch nicht näher definierten - „Öffnungsstrategie“ sein.
Andererseits weist das Bundesministerium für Gesundheit darauf hin, dass Testen ohne Anlass zu einem falschen Sicherheitsgefühl führen kann, da ein negativer Test nur eine Momentaufnahme darstellt. Auch das Robert-Koch-Institut macht auf Risiken aufmerksam, da gerade bei Schnelltests zur Selbstanwendung eine ordnungsgemäße Durchführung nicht gewährleistet ist und sie nur eine sehr hohe Viruslast in den oberen Atemwegen erkennen. In Österreich werden etwa zur Durchführung so genannter körpernahen Dienstleistungen (Friseure, Kosmetiker, Tätowierer, Masseure usw.) nur solche Tests anerkannt, die von medizinischen Fachkräften durchgeführt wurden. Diese Ausgangslage muss im Rahmen der Durchführung von Schnelltests im Arbeitsverhältnis beachtet werden. Keinesfalls führen solche Tests dazu, dass die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung und die jüngst aktualisierte SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel nicht mehr befolgt werden müssten.

II.

Keine durchsetzbare Testpflicht gegen den Willen der Beschäftigten

Es lässt sich weder auf Grundlage des Arbeitsvertrages, noch kraft Direktionsrecht oder einer Betriebsvereinbarung eine gegenüber den Beschäftigten durchsetzbare Testpflicht einführen. Die Durchführung der Tests geht mit einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit einher, da die bislang zugelassenen Tests mit einem so genannten „invasiven Eingriff“ (Abstrich der Schleimhäute im Nasen-/Rachenraum bzw. Entnahme von Speichel) verbunden sind. Eine davon abzugrenzende Frage ist, ob Arbeitgeber im Fall der Weigerung einer Testung konkrete arbeitsrechtliche Maßnahmen ergreifen können und müssen. Dies hängt davon ab, ob die Anordnung zu einer freiwilligen Testung rechtmäßig ist bzw. ob das Interesse des Arbeitgebers an der Durchführung der Testung den Belangen des Beschäftigten an einer Verweigerung überwiegt. Es kommt – wie so häufig – auf den Einzelfall an.

III.

Die Testanordnung durch den Arbeitgeber und die Folgen für Beschäftigte


1. Das Interesse des Arbeitgebers

Das Arbeitsschutzrecht erfordert es, dass der Arbeitgeber Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten ergreift. Spiegelbildlich sind diese – in gewissen Grenzen – verpflichtet, Maßnahmen zur eigenen Sicherheit zu akzeptieren und durchzuführen (vgl. § 15 ArbSchG). Im Gegensatz zum aktuellen wissenschaftlichen Stand bei den Corona-Impfungen ist zu berücksichtigen, dass negativ getestete Personen zumindest in einem geringeren Umfang ansteckend sein können. Die Durchführung von Tests kann damit zumindest auch dem Schutz der sonstigen Belegschaft und nicht nur des Beschäftigten dienen. Zugleich ist der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit verhältnismäßig gering. Die Rechtslage ist vergleichbar mit der Durchführung von Eignungsuntersuchungen im laufenden Arbeitsverhältnis.
Es ist daher zu differenzieren:

a) Anlassbezogener Test bei symptomatischen Personen

Besteht ein konkreter Anlass, dass der Beschäftigte die Tätigkeit nicht oder nur unter der Gefährdung seiner oder der Gesundheit anderer durchführen kann, ist die Durchführung von Eignungsuntersuchungen – in gewissen Grenzen – regelmäßig rechtmäßig (vgl. BAG, Urt. v. 25.1.2018 – 2 AZR 382/17, unter Bezugnahme auf eine tarifvertragliche Regelung). Übertragen auf einen Corona-Test bedeutet dies: Eine entsprechende Anordnung wird dann rechtmäßig sein, wenn sie gegenüber symptomatischen Beschäftigten erfolgt oder bei einem konkreten Infektionsverdacht vorgenommen wird. Der Arbeitgeber ist sogar gut beraten, Personen mit einer möglichen SARS-CoV-2-Infektion nicht im Betrieb zu beschäftigten, bis diese ausgeschlossen werden kann. Dies regelt im Übrigen auch die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel (Ziffer 4.2.11).

b) Tests ohne konkreten Anlassbezug

Bei Durchführung von Eignungstests ohne konkreten Anlass stellt die Rechtsprechung darauf ab, ob die durch die Untersuchung festzustellende Eignung Bedeutung für die konkrete Tätigkeit hat und andernfalls das Risiko einer Gefährdung Dritter oder des Beschäftigten selbst besteht (vgl. auch § 7 ArbSchG). In diesem Fall kann die Duldung der Untersuchung auch ohne spezielle Regelung aus der Treuepflicht des Beschäftigten resultieren (vgl. BAG, Urteil vom 12. August 1999 - 2 AZR 55/99). Überträgt man diesen Rechtsgedanken auf die Corona-Tests, ist maßgeblich, ob die gesundheitlich abzuprüfende Eigenschaft wesentlich für die Durchführung der konkreten Tätigkeit ist. Damit ist zu prüfen, ob eine Testung mit Blick auf die konkret ausgeübte Tätigkeit und das damit einhergehende Infektionsrisiko erforderlich ist. Je mehr Anhaltspunkte dargelegt werden können, desto mehr spricht für die Rechtmäßigkeit der arbeitgeberseitigen Anordnung. Dies kann insbesondere dann gelten, wenn im Rahmen der jeweiligen Tätigkeit das Tragen von Schutzausrüstung (insbesondere Mund-Nasen-Schutz, FFP2-Masken usw.) und Hygienemaßnahmen nicht ausreichend bzw. nicht möglich ist oder Kontakt zu besonders vulnerablen Personengruppen besteht. Dies wird in Einrichtungen des Gesundheitswesens sowie in Betreuungseinrichtungen der Fall sein (vgl. auch § 4 Abs. 2 Corona-Testverordnung vom 27. Januar 2021).
Außerhalb dieser Bereiche werden – gerade im Dienstleistungsbereich häufiger anzutreffende – unspezifische Wünsche von Kunden, nur von getesteten Personen bedient bzw. versorgt zu werden, regelmäßig nicht ausreichend sein.

2. Die Verweigerung durch den Beschäftigten und deren Rechtsfolgen

Verweigern Beschäftigte die Durchführung der Tests, können sie – wie eingangs dargestellt – nicht zur Durchführung gezwungen werden. Im Fall einer rechtmäßigen Anordnung können indes arbeitsrechtliche Maßnahmen in Betracht kommen, da der Beschäftigte in diesem Fall seine arbeitsvertragliche Treuepflicht verletzt. Denkbar erscheint eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz mit geringerem Infektionsrisiko oder eine Freistellung von Beschäftigten.
Da der Beschäftigte seine Arbeitsleistung so anbieten muss, wie sie tatsächlich geschuldet ist, muss er im Fall der rechtmäßigen Anordnung einer Testung einen entsprechendes Testergebnis vorlegen. Macht er dies nicht, versetzt er den Arbeitgeber mangels Leistungsfähigkeit nicht in Annahmeverzug (§ 297 BGB) und der Arbeitgeber schuldet keine Vergütung. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des ArbG Offenbach. In dem zugrundeliegenden Fall verwehrte der Arbeitgeber dem Beschäftigten den Zutritt zum Werksgelände, weil dieser sich weigerte, einen in einer Betriebsvereinbarung vorgesehenen Test durchzuführen. Der Antrag des Beschäftigten auf Zugang zum Werksgelände ohne Testung blieb erfolglos. Allerdings ist nicht ersichtlich, ob der Antrag des Beschäftigten an der fehlenden Eilbedürftigkeit scheiterte oder ob auch eine inhaltliche Auseinandersetzung erfolgte (vgl. ArbG Offenbach, 4. Februar 2021 - 4 Ga 1/21). An weitergehende arbeitsrechtliche Maßnahmen wie Abmahnungen oder Kündigungen sind strengere Anforderungen zu stellen. Sie können in begründeten Einzelfällen möglich sein, etwa wenn symptomatische Beschäftigte Testungen grundlos verweigern oder das Infektionsrisiko am Arbeitsplatz besonders hoch ist.

IV

Datenschutzrechtliche Aspekte

Neben der Durchführung der freiwilligen Testung bedarf es zur Datenweitergabe des Testergebnisses an den Arbeitgeber einer Rechtsgrundlage (Art. 9 Abs. 1 lit. b) DSGVO iVm. § 26 Abs. 3 BDSG). Die Einwilligung zur Durchführung des Tests stellt noch keine Einwilligung zur Übermittlung des Ergebnisses dar.

Die nationalen Datenschutzbehörden haben indes erklärt, dass die Verarbeitung personenbezogener Gesundheitsdaten zulässig sein kann, um festzustellen, ob Beschäftigte infiziert sind. Bereits aus Gründen des Arbeitsschutzes ist der Beschäftige daher verpflichtet auch im Fall einer freiwillig durchgeführten (Selbst-) Testung im Anschluss auch das positive Ergebnis an den Arbeitgeber mitzuteilen. Dies gilt mit Blick auf die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht des Beschäftigten unabhängig von etwaigen öffentlich-rechtlichen Meldepflichten. Die diesbezügliche Datenverarbeitung ist damit zulässig. Darüber hinaus sind die allgemeinen datenschutzrechtlichen Grundsätze zu beachten, die Testergebnisse sind also besonders gesichert aufzubewahren und zeitnah zu löschen, wenn sie nicht mehr erforderlich sind.


V

Handlungshinweise für die Praxis

Über den Nutzen von Schnelltest, insbesondere solche zur Selbstanwendung, besteht nach wie vor Uneinigkeit. Zugleich kann durch Selbsttest die Testkapazität ausgebaut werden. Die Beratungspraxis zeigt, dass in einigen Bereichen bereits solche Tests bzw. negative Testergebnisse im Rahmen des Arbeitsverhältnisses verlangt werden. Mit zunehmender Verfügbarkeit der Tests wird sich diese Tendenz fortsetzen.
Arbeitgeber sollten daher folgenden Aspekte beachten:
Analyse anhand einer Gefährdungsbeurteilung, wo erhebliche Infektionsrisiken im Betrieb bestehen und ob diese durch (Selbst-) Tests minimiert werden können (bspw. im Gesundheits- und Betreuungsbereich, aber zum Beispiel auch im Außendienst mit zwingend erforderlichen Kundenkontakten).
Unter Einbindung des Betriebsrates – der nach § 87 Abs. 1 Nr. 1, 7 BetrVG ohnehin zu beteiligen ist – sollten im gewünschten Umfang die Vorteile derartiger (Selbst-) Tests als ein Mittel des Arbeitsschutzes aktiv kommuniziert werden. Gerade bei symptomatischen Personen und bei Beschäftigten in besonderen Risikobereichen ist auf das Erfordernis von (Selbst-)Tests zum Schutz der Belegschaft hinzuweisen.
Festlegung und Kommunikation, wie mit potentiell infizierten Beschäftigten umgegangen werden soll (bspw. Meldepflicht gegenüber Arbeitgeber, Vorlage negatives Testergebnis an den Arbeitgeber)
Sofern Tests im Betrieb durch den Arbeitgeber veranlasst und durchgeführt werden, sollte dieser mit Blick auf etwaige Haftungsrisiken dafür nur fachkundiges Personal einsetzen.

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