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Die virtuelle Betriebsversammlung – Zulässigkeit und Grenzen

digital
Auch vor dem Betriebsverfassungsrecht macht die Digitalisierung keinen Halt und regt an, über Alternativen zur klassischen Betriebsversammlung in Präsenz nachzudenken.
Die Frage danach, ob man die in Präsenz stattfindende Betriebsversammlung in eine auf unser digitales Zeitalter angepasste Art und Weise durchführt, tritt in den letzten Jahren vermehrt auf. In einer digitalen Arbeitswelt liegen die Vorteile einer virtuellen Betriebsversammlung für Arbeitgeber und Betriebsräte auf der Hand. Neben organisatorischen Erleichterungen und einer vereinfachten Teilnahme können auch Kostengesichtspunkte eine Rolle spielen. Doch neben der technischen Umsetzbarkeit digitaler Betriebsversammlungen gibt es auch rechtliche Hürden.

I.

Rechtliche Ausgangslage

Bei der Betriebsversammlung treffen sich alle Arbeitnehmer*innen des Betriebes und der Betriebsrat, um sich über aktuelle Themen des Betriebs auszutauschen. Der Betriebsrat muss mindestens einem im Quartal eine solche Versammlung durchführen.
Diese Betriebsversammlung ist nicht öffentlich (§ 42 Abs. 1 S 2 BetrVG). Grund dafür ist der innerbetriebliche Charakter der Betriebsversammlung als ein Ort des Gedankenaustausches zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmer*innen. Hier sollen auch vertrauliche Themen besprochen werden und es soll verhindert werden, dass Außenstehenden die Teilnahme oder auch nur das Zuhören ermöglicht wird. Ist wegen der Eigenart des Betriebs eine Versammlung aller Arbeitnehmer*innen zum gleichen Zeitpunkt nicht möglich, so können auch Teilversammlungen durchgeführt werden.
Finale Handlungsvorgaben zu digitalen Betriebsversammlungen oder deren Aufzeichnung gibt es durch die Rechtsprechung noch nicht. Bei der Bewertung der Zulässigkeit muss zwischen der Durchführung einer ausschließlich digitalen Betriebsversammlung (II.) sowie einer in Präsenz stattfindenden Versammlung, welche nur gestreamt (III.) oder sogar aufgezeichnet (IV.) und anschließend veröffentlicht wird (V.) unterschieden werden.

II.

Betriebsversammlung per Videokonferenz

Bis zum 7. April 2023 waren aufgrund der Covid19-Pandemie Betriebsversammlungen mittels audiovisueller Einrichtungen, also per Videokonferenz zulässig (vgl. § 129 Abs. 1 BetrVG). Auf diese Weise sollten Infektionsrisiken innerhalb der Belegschaft bei diesen innerbetrieblichen Zusammenkünften vermieden werden.
Als Argument für die Aufhebung der Sonderregelung wird insbesondere die Gefahr der Teilnahme fremder Personen anzubringen sein, auf die in der Gesetzesbegründung hingewiesen wird. Der Gesetzgeber betont, dass es sich lediglich um eine Ausnahmeregelung handelte, um den Gegebenheiten der Pandemie zu begegnen. Bei einer rein virtuellen Versammlung ist das Risiko der Kenntnisnahme durch unbefugte Personen ungleich höher.
Auch wenn damit eine rein virtuelle Betriebsversammlung nicht möglich ist, soll doch das Zuschalten einzelner Belegschafts- oder Betriebsratsmitglieder möglich sein, gerade wenn diese ortsabwesend sind. Durch die Rechtsprechung abschließend geklärt ist dies indes noch nicht.

III.

Streaming der Veranstaltung im Betrieb

Das Streaming einer Betriebsversammlung, also die unmittelbare Übertragung in Echtzeit, an einen anderen Ort innerhalb des Betriebes wird hingegen als zulässig angesehen. Dies kann beispielsweise Relevanz entfalten, wenn der eigentliche Versammlungsort zu wenig Platz bietet.
Das Streaming ist vergleichbar mit einer Lautsprecherübertragung oder der schriftlichen Protokollierung der Präsenzveranstaltung, welche seit jeher als zulässig gelten. Es sollte aber technisch abgesichert sein, dass das Schutzniveau erreicht wird, welches auch bei einer Präsenzveranstaltung gegeben ist. Insbesondere sollte der Stream ausschließlich auf dem Firmennetzwerk zur Verfügung gestellt werden.
Die Unterscheidung zwischen Streaming und digital abgehaltener Versammlung vermag zunächst zwar verwundern. Der Unterschied liegt jedoch gerade in der Tatsache, dass die eigentliche Veranstaltung vor Ort noch stattfindet und somit kontrollierbar ist und die Übertragung lediglich zusätzlich innerhalb des Betriebes stattfindet. Das Ganze gilt jedoch nur solange es sich lediglich um eine einmalige Übertragung ohne Speicherung handelt (vgl. zur Aufzeichnung unter IV). Die Übertragung muss vorher bekannt gegeben werden. Zudem bedarf es einer datenschutzrechtlichen Einwilligung der gefilmten Personen, da das Streaming der Veranstaltung eine Datenverarbeitung darstellt (vgl. IV. 3.).

IV.

Die Videoaufzeichnung

Eine Videoaufzeichnung der Betriebsversammlung kann immer dann von Vorteil sein, wenn zu späterem Zeitpunkt auf Inhalte der Versammlung zurückgegriffen werden soll, zum Beispiel wenn diese nicht in Echtzeit gestreamt wird, aber nachträglich für die Belegschaft zur Verfügung gestellt werden soll.
Die Aufzeichnung der Betriebsversammlung in Bild oder Ton birgt mit Blick auf den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit ein höheres Risiko und ist nur ausnahmsweise mit der Einwilligung des Versammlungsleitenden zulässig. Die Rechtmäßigkeit ist aber noch an weitere Voraussetzungen geknüpft:

1. Information aller Teilnehmer:

Es muss sichergestellt werden, dass die Aufnahme der gesamten Versammlung gegenüber bekannt gegeben wird. Grund hierfür ist insbesondere die erhöhte Gefahr einer nachträglichen Verfälschung, Überspielung oder Vervielfältigung, welche für sich äußernde Personen von Relevanz ist.

2. Einwilligung:

Zudem müssen die jeweiligen Sprecher*innen der Aufzeichnung einwilligen. Dies dient dem Schutz des Persönlichkeitsrechtes. Ein Verstoß kann den Straftatbestand „Verletzung des vertraulichen Wortes“ (§ 201 StGB) erfüllen. Die Rechtsfolge wäre dann, dass die Aufnahme weder von der Betriebsversammlung, noch von Arbeitgeber oder Betriebsrat oder aber Behörden und Gerichten verwertet werden dürfte Das vereinzelt in der Literatur geforderte einstimmige Einverständnis aller Teilnehmer*innen wird kaum noch vertreten, weshalb eine solche eher nicht eingeholt werden muss.
Sowohl für die Sprecher*innen auf dem Podium als auch für die Wortmeldungen aus dem Publikum gilt der gleiche Maßstab. Mithin ist auch für die Aufzeichnung von Publikumsmeldungen eine Einwilligung erforderlich. Ansonsten kann verlangt werden, dass für Äußerungen der Teilnehmer*innen das Aufnahmegerät abgeschaltet wird. An dieser Stelle reicht es beispielsweise auch nicht, dass die Wortmeldung der Personen erst im Nachhinein rausgeschnitten und durch Text ersetzt werden. Denn schon die Speicherung dieser Wortmeldung stellt ein potentielles Risiko für die Person da, da die Aufzeichnung auch verändert oder verfälsch werden könnte.

3. Hinweise zum Datenschutz:

Eine Speicherung der Aufnahme ohne die ausdrückliche Einwilligung der gefilmten Person stellt aber nicht nur einen strafrechtlichen Verstoß dar, sondern auch einen datenschutzrechtlich relevanten. Denn § 26 Abs. 2 BDSG iVm Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO verbietet die Verarbeitung von Beschäftigtendaten ohne deren Einwilligung. In der Aufzeichnung einer Versammlung liegt aber gerade eine Verarbeitung (Art. 4 Nr. 2 DSGVO). Eine solche ist aber nur durch die Personen erforderlich, welche durch Bild- oder Ton auf dem Video zu sehen oder hören sind. Für nicht akustisch oder optisch auftretende Personen ist aus rechtlicher Sicht keine Einwilligung erforderlich.
Problematisch stellt sich in praktischer Hinsicht jedoch dar, dass am Anfang der Veranstaltung naturgemäß nicht planbar ist, welche Person sich zu Wort melden wird. Auch muss berücksichtigt werden, dass trotz Positionierung der Kamera auf das Podium Personen durch das Bild laufen könnten, die sodann ohne ihre Einwilligung aufgezeichnet würden (z.B. technischer Support, Moderator*innen o.Ä.). Da auch nicht von einer „konkludenten“, also einer sinngemäßen, Einwilligung durch die Wortmeldung selbst ausgegangen werden kann und eine nachträgliche Zustimmung nicht ausreicht, erscheint deshalb die vorherige Einwilligung aller Teilnehmenden sinnvoll, um dadurch die ununterbrochene Videoaufzeichnung sicherzustellen. Die Einwilligung muss schriftlich oder elektronisch (etwa in Textform oder E-Mail) erfolgen. Auch eine Betriebsvereinbarung als datenschutzrechtlicher Erlaubnistatbestand ist denkbar.

Ein grundsätzliches Verbot der Aufzeichnung kann aus der zwischenzeitlichen Wirkung des § 129 BetrVG wohl nicht entnommen werden. Denn obgleich die pandemiespezifische Regelung inzwischen nicht mehr gilt, ist hierin kein allgemeiner Rechtsgedanke, der gegen eine Aufzeichnung spricht, zu erkennen. Denn eine ausschließlich online stattfindende Versammlung ist nicht gleichzusetzen mit einer in Präsenz stattfindenden Versammlung, welche darüber hinaus auch noch aufgezeichnet wird.

V.

Die Veröffentlichung im Intranet

Zur Veröffentlichung im unternehmensinternen Intranet verhalten sich Literatur und Rechtsprechung bisher nicht. Das Hochladen ins Intranet stellt eine Datenverarbeitung dar, welche den Maßstäben des BDSG genügen muss. Eine schriftliche Einwilligung wäre auch hierfür notwendig. Von der Zurverfügungstellung des Videos für einen längeren Zeitraum als nur die Echtzeitübertragung sollte aber aus Gründen des Datenschutzes zur Vermeidbarkeit rechtlicher Risiken abgesehen werden.

VI.

Fazit

Festzuhalten ist, dass eine ausschließlich digital stattfindende Betriebsversammlung im Videokonferenzformat nicht zulässig ist. Hierzu verhält sich die Gesetzeslage unter Berücksichtigung der Besonderheiten des § 129 BetrVG eindeutig.
Das Streaming der Veranstaltung in Echtzeit als Videokonferenz innerhalb der Betriebsräume wird als zulässig zu bewerten sein, sofern die Einwilligung der gefilmten Personen eingeholt wird. Zudem muss sichergestellt werden, dass keine unbefugten Personen Zugang in den Live-Stream erhalten.

Eine Aufzeichnung dürfte unter den folgenden Voraussetzungen zulässig sein:

  • Die Zustimmung des Versammlungsleiters besteht
  • Die Aufzeichnung wird der gesamten Betriebsversammlung gegenüber bekannt gegeben
  • Sprecher*innen auf dem Podium willigen vorher in die Aufzeichnung ein
  • Die jeweiligen Personen mit Wortmeldungen aus dem Publikum und weitere im Video zu sehende Personen willigen vorher der Aufzeichnung ein

VII.

Praxishinweis

Für die Praxis bedeutet dies, dass die Durchführung der virtuellen Betriebsversammlung die Hürde mit sich bringt, dass Datenschutz und Persönlichkeitsrechte gewahrt werden müssen. Zudem darf die technische Umsetzbarkeit eines Hybrid-Modells nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Nichtöffentlichkeit nach wie vor gesichert werden muss. Bei Streaming und Aufzeichnung muss die rechtliche Durchführung nach den oben genannten Maßgaben abgesichert werden, um Risiken vorzubeugen.

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