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Hate Speech in sozialen Netzwerken – Folgen auch für das Arbeitsverhältnis

hate
Beleidigungen, Bedrohungen, extremistische Inhalte und Verschwörungstheorien – über Social Media Kanäle lassen sich Fake News und Hate Speech leicht verbreiten, öffentlich zugänglich machen und im Anschluss kaum löschen. Zugleich kontrollieren die großen Online-Plattformen wichtige Bereiche unseres digitalen Ökosystems und tragen damit maßgeblich zur Meinungsbildung bei.

Auch berufliche Netzwerke wie LinkedIn sind von Hate Speech immer mehr betroffen. So hat das Netzwerk im Zeitraum Juli bis Dezember 2023 nach eigenen Angaben insgesamt 231.882 Beiträge weltweit wegen Belästigung („Harassment“) entfernt; 2019 waren es noch 15.635. Die Landesanstalt für Medien NRW veröffentlicht seit 2016 jährlich eine Umfrage zur Wahrnehmung von Hate Speech in der Bevölkerung. Im Jahr 2023 ist 76 % der Befragten dabei Hate Speech im Internet begegnet, wobei jüngere Menschen zwischen 14 und 24 dies deutlich stärker wahrnehmen. Neben Fragen zur Löschung von Inhalten und zur Verantwortung der Plattformen, die etwa im neuen Digital Services Act (Verordnung (EU) 2022/2065) geregelt sind, kann Hate Speech auch Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben. Diffamierende Äußerungen über Kolleg*innen, Beleidigungen von Vorgesetzen oder imageschädigende Äußerungen über Unternehmen sind leider keine Seltenheit. Wir geben daher einen Überblick zum Problem von Hate Speech im arbeitsrechtlichen Kontext, natürlich auch mit Checkliste und Best-Practices für den HR-Bereich.


I.

Das Problem: Meinungsfreiheit vs. Schutz der Ehre

Eine einheitliche Definition von Hate Speech (dt. Hassrede) existiert nicht. Generell wird unter dem Oberbegriff eine Verrohung der Sprache im Rahmen öffentlicher Diskussionen gefasst, die mit abwertenden und menschenverachtenden Aussagen oder Bildern einhergeht. Dies lässt sich vor allem – aber nicht ausschließlich – auf Social Media Plattformen beobachten.
Hate Speech mag stets moralisch verwerflich sein, muss aber nicht immer juristisch verboten oder strafrechtlich relevant sein. Hintergrund ist, dass die Freiheit seine Meinung auch durch überspitzte Aussagen kundzutun, einen wesentlichen Bestandteil unserer demokratischen Ordnung bildet. Zugleich darf die Äußerung von Meinungen nicht die Ehre und die Persönlichkeitsrechte einzelner Personen verletzen. Diese beiden Positionen miteinander in Einklang zu bringen, ist bereits in der analogen Welt schwierig und beschäftigt die Gerichte seit jeher. Die internetbasierte Hasskriminalität zeichnet sich zudem durch eine höhere Verbreitungswirkung und Dauerhaftigkeit der Äußerungen aus. Ob die konkrete Äußerung sodann noch von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt ist oder diese Grenze überschritten wurde, richtet sich allerdings nach den Maßstäben der analogen Welt. Das Internet begünstigt dieses Phänomen, da die potentiellen Täter*innen – zutreffend oder irrig – davon ausgehen, sich anonym im Netz zu bewegen und die geposteten Inhalte zudem dauerhaft für alle User sichtbar sind.

II.

Der Grundsatz: Hass ist auch im Arbeitsverhältnis nicht zu dulden, aber…

Grundsätzlich stellt Hate Speech im Kontext des Arbeitsverhältnisses – also bezogen auf den Arbeitgeber oder Arbeitskolleg*innen – einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar.
Dies gilt unabhängig davon, ob die Aussage nur im persönlichen Gespräch oder auf Social Media geäußert worden ist. Beleidigungen ohne jeglichen Bezug zum Arbeitsverhältnis – bspw. am Wochenende auf dem Fußballplatz – sind regelmäßig nicht geeignet arbeitsrechtliche Sanktionen nach sich zu ziehen. Auch kommt es für die arbeitsrechtliche Bewertung nicht darauf an, ob die Äußerung strafbar ist, da es um vertragliche Rücksichtnahmepflichten geht.
Aber was ist nun verboten und was ist noch erlaubt? Eine pauschale Antwort gibt es nicht und die Problematik liegt in der bereits angesprochenen Abwägung mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Das Bundesverfassungsgericht und das Bundesarbeitsgericht verlangen eine Abwägung zwischen dem Ehrenschutz einerseits und der Meinungsfreiheit andererseits unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Lediglich klar beleidigende Aussagen (sog. Schmähkritik) sind nicht vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit erfasst. (BAG, Urt. v. 5. Dezember 2019 – 2 AZR 240/19; BVerfG, Beschl. v. 24. Juli 2013 - 1 BvR 444/13). Aufgrund der damit einhergehenden schwierigen Abgrenzungsfragen zeigt die Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Kündigungen in diesem Bereich ein sehr diffuses Bild und ist von zahlreichen Einzelfallentscheidungen geprägt.

III.

Die Einzelfälle: Meinungsfreiheit, Ehrschutz und Unternehmensinteressen

Im arbeitsrechtlichen Kontext kommen neben der Ehrverletzung der betroffenen Personen zwei weitere Aspekte hinzu: Zum einen können Hate-Posts die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des Unternehmens gefährden.
So können diffamierenden Äußerungen auf Social Media das Image erheblich beschädigen. Zum anderen ist das soziale Miteinander im Unternehmen bedroht, wenn sich einzelne Beschäftigte öffentlich über die Belegschaft herabwürdigend äußern. Es besteht das erhebliche Risiko, dass durch Folgeeinträge und Kommentare die Reichweite massiv erhöht und auch die Rechtsverletzung verstärkt wird (ArbG Duisburg, Urt. v. 26. September 2012 - 5 Ca 949/12).
An dieser Stelle sei ein Überblick zu einigen arbeitsrechtlichen Urteilen gegeben. Dabei ist zu betonen, dass es sich stets um Einzelfälle handelt, sie nicht – auch nicht bei identischen Formulierungen – zu verallgemeinern sind.

1. „Menschenschinder & Ausbeuter“

Auf seinem Facebook-Profil schrieb der Auszubildende unter der Rubrik „Arbeitgeber“:
„Arbeitgeber: Menschenschinder & Ausbeuter, Leibeigener?? Dämliche Scheiße für Mindestlohn minus 20 % erledigen.“
Das LAG Hamm erachtete die außerordentliche Kündigung des Ausbildungsverhältnis als rechtmäßig. Es gebe auch im Netz keinen Freiraum ehrkränkende Äußerungen über andere abgeben zu können. Auch sei die Äußerung auf dem Profil jedenfalls durch die über 100 Facebook-Freunden des Auszubildenden eindeutig dem Arbeitgeber zuzuordnen gewesen, weshalb es sich auch nicht um eine vertrauliche Information etwa in einem privaten Chat handele (LAG Hamm, Urt. v. 10. Oktober 2012 - 3 Sa 644/12).

2. „Kleiner Scheißhaufen“

Der Arbeitnehmer postete auf seiner Pinnwand bei Facebook insbesondere folgendes:
„Diesen kleinen scheisshaufen mache ich kaputt, werde mich beschweren über diesen wixxer bin 32jahre hier dabei und so ein faules schwein der noch nie gearbeitet hat in seinem scheissleben gibt mir zwei abmahnungen, da hat er sich im falschen verguckt diese drecksau naja sag mal bis bald.“
Das Arbeitsgericht verglich die Äußerung auf der Pinnwand bei Facebook mit einem betriebsöffentlichen Aushang am „Schwarzen Brett“. Das Gericht hielt indes aufgrund des Lebensalters des Klägers und der 30-jährigen Betriebszugehörigkeit die außerordentliche Kündigung für rechtswidrig, die hilfsweise ordentliche Kündigung aber für rechtmäßig (ArbG Hagen, Urteil vom 16. Mai 2012 – 3 Ca 2597/11).

3. „Fettes Schwein“

Die Bezeichnung eines Vorgesetzten als „Fettes Schwein“ in einem Facebook Posting stelle zwar eine grobe Beleidigung dar, im konkreten Einzelfall erachtete das Landesarbeitsgericht die Kündigung aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit und der Beziehung der dort beteiligten Personen als nicht rechtmäßig. Eine deutliche „Gelbe Karte“ sei ausreichend gewesen (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, 2. Juni 2016, 4 Sa 5/16).

4. „Arbeitsbedingungen wie im KZ“

Im Rahmen der Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit hat der Betriebsratsvorsitzende die Arbeitsbedingungen im Betrieb mit denen im KZ verglichen, wobei die genaue Formulierung zwischen den Parteien streitig war. Das LAG Berlin-Brandenburg sah dies noch vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, da es sich zwar um überzogene und ausfällige Kritik handele, diese aber noch auf die Sache bezogen sei (LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 2. Oktober 2014 - 10 TaBV 1134/14). Die Entscheidung, die man inhaltlich kritisieren mag, verdeutlicht die Bedeutung des Einzelfalls. Es handelte sich dort um eine spontane Äußerung im Rahmen von Verhandlungen und es fand gerade keine Verschriftlichung auf einer Social Media Plattform statt.

5. KZ Auschwitz mit der Tor-Überschrift „Arbeit macht frei”

Der Kläger führte sein Facebook Profil unter einem Pseudonym. Er gab aber Arbeitsstelle, Wohnort und Geburtsdatum an und war auf einem Foto in Unternehmenskleidung zu sehen. Er hatte auf seinem Account ein Bild geteilt, das das Eingangstor des Konzentrationslagers Auschwitz mit der Tor-Überschrift „Arbeit macht frei” zeigte. Im unteren Bereich des Bilds befand sich ein Text auf Polnisch. Auf Nachfrage eines anderen Facebook-Nutzers übersetzte der Kläger den Text auf dem Bild mit „Polen ist bereit für die Flüchtlingsaufnahme”.
Das Arbeitsgericht stufte die Nutzung des Bildes des KZ in Deutschland als tabuüberschreitend ein und erachtete den Bezug zu Flüchtlingen als menschenverachtend. Da der Kläger das Bild aber zeitnah löschte, eine lange Betriebszugehörigkeit hatte und nicht handelte, um das Unternehmen zu schädigen wurden die außerordentliche und ordentliche Kündigung als unwirksam eingestuft (ArbG Mannheim, Urteil v. 19. Februar 2016 – 6 Ca 190/15).

6. „Unterbelichteter Frauen- und Ausländerhasser“

Wie weitgehend die Rechtsprechung den Schutzbereich der Meinungsfreiheit zieht, verdeutlicht auch das Urteil des BAG vom 5. Dezember 2019. Dort hatte die gekündigte Arbeitnehmerin unter anderem folgendes über den Vorgesetzen geäußert:
„unterbelichteter Frauen- und Ausländerhasser (weder Abitur, noch Studium, noch internationale Arbeitserfahrung, noch weniger interkulturelle Erfahrung, dem ich täglich die Grundlagen der BWL … erklären darf …“
Diese Aussage sei vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt und könne daher eine Kündigung erst rechtfertigen, wenn sich im Rahmen der Abwägung ergibt, dass die Interessen des Arbeitgebers überwiegen (BAG, Urt. v. 5. Dezember 2019 – 2 AZR 240/19).

7. WhatsApp Chat und Vertraulichkeit

Besonderes Gewicht kommt nach der Rechtsprechung der Vertraulichkeit einer Äußerung zu. So sah das LAG Berlin Brandenburg etwa massiv fremdenfeindliche und menschenverachtende Äußerungen innerhalb einer kleinen geschlossenen WhatsApp-Gruppe von drei Personen nicht als ausreichend für eine Kündigung an (LArbG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19. Juli 2021 – 21 Sa 1291/20).
Das Bundesarbeitsgericht hat in einem ähnlich gelagerten Fall die Maßstäbe an Beleidigungen in einer privaten Chatgruppe konkretisiert. Zwar gibt es in privaten Chats eine gewisse Vertraulichkeitserwartung, allerdings genüge die einseitige Erwartung nicht. Entscheidend ist, ob die Arbeitnehmer*innen sicher davon ausgehen dürfen, dass die sonstigen Beteiligten des Chats die Äußerungen für sich behalten werden. Hier meldet das Bundesarbeitsgericht bei einer Chatgruppe von bis zu sieben Mitgliedern erhebliche Zweifel an. Jedenfalls muss in einem solchen Fall die gekündigte Person darlegen und beweisen, warum sie darauf vertrauen durfte, dass ein einziges Gruppenmitglied die Äußerungen nicht Dritten offenbart. Auch wirft das Bundesarbeitsgericht die Frage auf, ob es bei Äußerungen, die in besonderer Weise menschenverachtend sind oder nachhaltig zu Gewalt aufrufen, überhaupt eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung geben kann. Bei solchen Äußerungen könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein Chatgruppen-Mitglied aus Entrüstung, moralischen Bedenken oder auch aus Prahlerei und Imponiergehabe die Äußerungen einem außenstehenden Dritten offenbart.

IV.

Fazit, Checkliste und Best Practice

Es lässt sich zusammenfassend sagen, dass Hate Speech auf Social Media Kanälen von der Rechtsprechung aufgrund der hohen Reichweite, der Dauerhaftigkeit und des geplanten Vorgehens strenger bewertet wird als spontane emotionale Entgleisungen.
Insbesondere bei Postings auf beruflichen Netzwerken wie LinkedIn oder Xing besteht zugleich regelmäßig der Bezug zum Arbeitsumfeld. Der Preis des grundrechtlichen Schutzes der Meinungsfreiheit ist, dass es keine „one-size-fits-all“-Lösung gibt. Umso wichtiger ist es für den HR Bereich einige wesentliche Aspekte zu beachten, um später wirksam handeln zu können:

1. Beweissicherung

Das Posting sollte durch Screenshots zeitnah dokumentiert werden. Dabei nach Möglichkeit auch „Likes“ und Kommentare mit dokumentieren, da diese für die Reichweite des Postings und damit auch den potentiellen Schaden von Bedeutung sein können.

2. Aufklärung

Die beschuldigte Person ist auf den Vorgang anzusprechen und – im Beisein von Zeugen – dazu zu befragen. Auch andere Beschäftige, die vom Posting betroffen sind oder damit im Zusammenhang stehen, sind zu befragen.

3. Dokumentation

Wichtig ist eine möglichst lückenlose Dokumentation zu den durchgeführten Anhörungen und dem konkreten Timing der Schritte. Auch sollte dokumentiert werden, welche konkreten Folgen der Hate-Post für das Unternehmen haben kann.

4. Kommunikation und Handlung

Ausgehend von den gefundenen Ergebnissen ist mit der Unternehmensführung und ggf. der anwaltlicher Beratung eine Reaktion abzustimmen und das weitere Vorgehen zu planen (Ermahnung, Abmahnung, Kündigung, Freistellung, ggf. spätere Auflösungsantrag).

5. Aufbereitung und Darstellung

Die Beratungspraxis zeigt, dass gerade in Fällen von Hate Speech eine Aufbereitung und Darstellung des Sachverhaltes für die Anhörung des Betriebsrates und die gerichtliche Auseinandersetzung von erheblicher Bedeutung ist. Es geht dabei – wie die oben genannten Urteile zeigen – nicht nur um die Aussage als solche, sondern auch um den Kontext, den potentiellen Schaden des Unternehmens und viele weitere Rahmenbedingungen. Diese detaillierte Aufbereitung erhöht die Erfolgsaussichten dabei exponentiell.
Neben arbeitsrechtlichen Sanktionen besteht die Möglichkeit, das Posting bei der Plattform zu melden und eine Löschung zu verlangen. Auch der Digital Services Act soll dazu beitragen, illegale Inhalte auf den Plattformen besser zu bekämpfen. Auch strafrechtliche Maßnahmen sind im Einzelfall in Erwägung zu ziehen.
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