Die Einzelfälle: Meinungsfreiheit, Ehrschutz und Unternehmensinteressen
Im arbeitsrechtlichen Kontext kommen neben der Ehrverletzung der betroffenen Personen zwei weitere Aspekte hinzu: Zum einen können Hate-Posts die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des Unternehmens gefährden.
So können diffamierenden Äußerungen auf Social Media das Image erheblich beschädigen. Zum anderen ist das soziale Miteinander im Unternehmen bedroht, wenn sich einzelne Beschäftigte öffentlich über die Belegschaft herabwürdigend äußern. Es besteht das erhebliche Risiko, dass durch Folgeeinträge und Kommentare die Reichweite massiv erhöht und auch die Rechtsverletzung verstärkt wird (ArbG Duisburg, Urt. v. 26. September 2012 - 5 Ca 949/12).
An dieser Stelle sei ein Überblick zu einigen arbeitsrechtlichen Urteilen gegeben. Dabei ist zu betonen, dass es sich stets um Einzelfälle handelt, sie nicht – auch nicht bei identischen Formulierungen – zu verallgemeinern sind.
1. „Menschenschinder & Ausbeuter“
Auf seinem Facebook-Profil schrieb der Auszubildende unter der Rubrik „Arbeitgeber“:
„Arbeitgeber: Menschenschinder & Ausbeuter, Leibeigener?? Dämliche Scheiße für Mindestlohn minus 20 % erledigen.“
Das LAG Hamm erachtete die außerordentliche Kündigung des Ausbildungsverhältnis als rechtmäßig. Es gebe auch im Netz keinen Freiraum ehrkränkende Äußerungen über andere abgeben zu können. Auch sei die Äußerung auf dem Profil jedenfalls durch die über 100 Facebook-Freunden des Auszubildenden eindeutig dem Arbeitgeber zuzuordnen gewesen, weshalb es sich auch nicht um eine vertrauliche Information etwa in einem privaten Chat handele (LAG Hamm, Urt. v. 10. Oktober 2012 - 3 Sa 644/12).
2. „Kleiner Scheißhaufen“
Der Arbeitnehmer postete auf seiner Pinnwand bei Facebook insbesondere folgendes:
„Diesen kleinen scheisshaufen mache ich kaputt, werde mich beschweren über diesen wixxer bin 32jahre hier dabei und so ein faules schwein der noch nie gearbeitet hat in seinem scheissleben gibt mir zwei abmahnungen, da hat er sich im falschen verguckt diese drecksau naja sag mal bis bald.“
Das Arbeitsgericht verglich die Äußerung auf der Pinnwand bei Facebook mit einem betriebsöffentlichen Aushang am „Schwarzen Brett“. Das Gericht hielt indes aufgrund des Lebensalters des Klägers und der 30-jährigen Betriebszugehörigkeit die außerordentliche Kündigung für rechtswidrig, die hilfsweise ordentliche Kündigung aber für rechtmäßig (ArbG Hagen, Urteil vom 16. Mai 2012 – 3 Ca 2597/11).
3. „Fettes Schwein“
Die Bezeichnung eines Vorgesetzten als „Fettes Schwein“ in einem Facebook Posting stelle zwar eine grobe Beleidigung dar, im konkreten Einzelfall erachtete das Landesarbeitsgericht die Kündigung aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit und der Beziehung der dort beteiligten Personen als nicht rechtmäßig. Eine deutliche „Gelbe Karte“ sei ausreichend gewesen (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, 2. Juni 2016, 4 Sa 5/16).
4. „Arbeitsbedingungen wie im KZ“
Im Rahmen der Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit hat der Betriebsratsvorsitzende die Arbeitsbedingungen im Betrieb mit denen im KZ verglichen, wobei die genaue Formulierung zwischen den Parteien streitig war. Das LAG Berlin-Brandenburg sah dies noch vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, da es sich zwar um überzogene und ausfällige Kritik handele, diese aber noch auf die Sache bezogen sei (LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 2. Oktober 2014 - 10 TaBV 1134/14). Die Entscheidung, die man inhaltlich kritisieren mag, verdeutlicht die Bedeutung des Einzelfalls. Es handelte sich dort um eine spontane Äußerung im Rahmen von Verhandlungen und es fand gerade keine Verschriftlichung auf einer Social Media Plattform statt.
5. KZ Auschwitz mit der Tor-Überschrift „Arbeit macht frei”
Der Kläger führte sein Facebook Profil unter einem Pseudonym. Er gab aber Arbeitsstelle, Wohnort und Geburtsdatum an und war auf einem Foto in Unternehmenskleidung zu sehen. Er hatte auf seinem Account ein Bild geteilt, das das Eingangstor des Konzentrationslagers Auschwitz mit der Tor-Überschrift „Arbeit macht frei” zeigte. Im unteren Bereich des Bilds befand sich ein Text auf Polnisch. Auf Nachfrage eines anderen Facebook-Nutzers übersetzte der Kläger den Text auf dem Bild mit „Polen ist bereit für die Flüchtlingsaufnahme”.
Das Arbeitsgericht stufte die Nutzung des Bildes des KZ in Deutschland als tabuüberschreitend ein und erachtete den Bezug zu Flüchtlingen als menschenverachtend. Da der Kläger das Bild aber zeitnah löschte, eine lange Betriebszugehörigkeit hatte und nicht handelte, um das Unternehmen zu schädigen wurden die außerordentliche und ordentliche Kündigung als unwirksam eingestuft (ArbG Mannheim, Urteil v. 19. Februar 2016 – 6 Ca 190/15).
6. „Unterbelichteter Frauen- und Ausländerhasser“
Wie weitgehend die Rechtsprechung den Schutzbereich der Meinungsfreiheit zieht, verdeutlicht auch das Urteil des BAG vom 5. Dezember 2019. Dort hatte die gekündigte Arbeitnehmerin unter anderem folgendes über den Vorgesetzen geäußert:
„unterbelichteter Frauen- und Ausländerhasser (weder Abitur, noch Studium, noch internationale Arbeitserfahrung, noch weniger interkulturelle Erfahrung, dem ich täglich die Grundlagen der BWL … erklären darf …“
Diese Aussage sei vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt und könne daher eine Kündigung erst rechtfertigen, wenn sich im Rahmen der Abwägung ergibt, dass die Interessen des Arbeitgebers überwiegen (BAG, Urt. v. 5. Dezember 2019 – 2 AZR 240/19).
7. WhatsApp Chat und Vertraulichkeit
Besonderes Gewicht kommt nach der Rechtsprechung der Vertraulichkeit einer Äußerung zu. So sah das LAG Berlin Brandenburg etwa massiv fremdenfeindliche und menschenverachtende Äußerungen innerhalb einer kleinen geschlossenen WhatsApp-Gruppe von drei Personen nicht als ausreichend für eine Kündigung an (LArbG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19. Juli 2021 – 21 Sa 1291/20).
Das Bundesarbeitsgericht hat in einem ähnlich gelagerten Fall die Maßstäbe an Beleidigungen in einer privaten Chatgruppe konkretisiert. Zwar gibt es in privaten Chats eine gewisse Vertraulichkeitserwartung, allerdings genüge die einseitige Erwartung nicht. Entscheidend ist, ob die Arbeitnehmer*innen sicher davon ausgehen dürfen, dass die sonstigen Beteiligten des Chats die Äußerungen für sich behalten werden. Hier meldet das Bundesarbeitsgericht bei einer Chatgruppe von bis zu sieben Mitgliedern erhebliche Zweifel an. Jedenfalls muss in einem solchen Fall die gekündigte Person darlegen und beweisen, warum sie darauf vertrauen durfte, dass ein einziges Gruppenmitglied die Äußerungen nicht Dritten offenbart.
Auch wirft das Bundesarbeitsgericht die Frage auf, ob es bei Äußerungen, die in besonderer Weise menschenverachtend sind oder nachhaltig zu Gewalt aufrufen, überhaupt eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung geben kann. Bei solchen Äußerungen könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein Chatgruppen-Mitglied aus Entrüstung, moralischen Bedenken oder auch aus Prahlerei und Imponiergehabe die Äußerungen einem außenstehenden Dritten offenbart.