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Noch einmal: Elternzeit und Urlaubsrecht – Handlungsbedarf für Arbeitgeber!

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I. Ausgangslage

Arbeitsrechtliche Fragen rund um die Elternzeit betreffen alle Arbeitgeber: vom Kleinstbetrieb bis zum Großkonzern. In der Vergangenheit gab es dabei immer wieder Verwirrung bezogen auf die Frage, wie sich die Elternzeit auf Urlaubsansprüche auswirkt. § 17 Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) sieht insoweit vor, dass der Urlaubsanspruch während der Elternzeit anteilig durch den Arbeitgeber gekürzt werden kann. Während der Elternzeit entsteht daher grundsätzlich ein Urlaubsanspruch. Weiter erfolgt eine Kürzung des Urlaubsanspruchs nicht automatisch, sondern der Arbeitgeber muss eine Kürzungserklärung abgeben, die dem Arbeitnehmer auch zugehen muss; den Zugang muss der Arbeitgeber im Streitfall beweisen. Die Erklärung kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) vor, während und nach dem Ende der Elternzeit ausgeübt werden. Sie ist jedoch nur solange zulässig, wie das Arbeitsverhältnis noch besteht. Dies wurde in der Vergangenheit zahlreichen Arbeitgebern zum Verhängnis, die in Unkenntnis dieser Rechtslage das Arbeitsverhältnis zum Ende der Elternzeit beendet haben und sich im Anschluss Urlaubsabgeltungsansprüchen ausgesetzt sahen.

Die Vereinbarkeit der Kürzungsmöglichkeit mit Europäischen Recht hat der Europäische Gerichtshof bereits im Oktober 2018 klargestellt. Hierüber hatten wir in unserem Blogbeitrag vom 08.10.2018 berichtet. Zudem muss nach § 17 Abs. 2 BEEG Resturlaub, der vor der Elternzeit noch nicht erhalten wurde, nach der Elternzeit im laufenden oder nächsten Urlaubsjahr gewährt werden. Wenn das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit endet oder nach der Elternzeit nicht fortgesetzt wird, muss der noch nicht erhaltene Urlaub abgegolten werden (§ 17 Abs. 3 BEEG).

II. Die Entscheidung des BAG vom 19.03.2019 (9 AZR 495/17)

 Am 19.03.2019 wurden gleich mehrere Urteile des BAG zum Urlaubsrecht veröffentlicht (vgl. Blogbeitrag vom 01.04.2019). In einem von ihnen hat das BAG dabei weitere noch offene Fragen zum Urlaubsanspruch während der Elternzeit geklärt. Zum einen hat das BAG klargestellt, dass die Kürzungserklärung des Arbeitgebers nach § 17 BEEG zeitlich nicht vor der Erklärung des Arbeitnehmers, Elternzeit in Anspruch zu nehmen, erfolgen darf. Dem Arbeitgeber stehe ein Wahlrecht zu, ob er von seinem Kürzungsrecht Gebrauch machen möchte oder nicht. Um dieses sachgerecht ausüben zu können, müsse dem Arbeitgeber der Umfang und die zeitliche Lage der Elternzeit bekannt sein. § 17 Abs. 1 BEEG stelle auf die konkrete Elternzeit und nicht auf irgendeine Elternzeit ab. Zum anderen hat das BAG in der Entscheidung betont, dass während der Elternzeit entstandene Urlaubsansprüche nicht nach § 7 Abs. 3 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) mit Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums verfallen. § 17 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BEEG gingen als Sonderregelungen § 7 Abs. 3 BUrlG vor. Bereits § 17 Abs. 2 BEEG stelle eine Ausnahme vom Grundsatz dar, dass der Erholungsurlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt werden muss; das Urlaubsjahr werde abweichend geregelt. Ebenfalls entkopple § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG den grundsätzlich der Kürzung unterliegenden Urlaubsanspruch vom Urlaubsjahr, indem auf „jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit" abgestellt wird. Außerdem verfolgten § 17 BEEG und § 7 Abs. 3 BUrlG unterschiedliche Zwecke. Die Kürzungsmöglichkeit in § 17 BEEG solle verhindern, dass Urlaub gegen den Willen des Arbeitgebers für Zeiten angesammelt wird, in denen die Arbeitspflicht ruht. Dagegen stelle § 7 Abs. 3 BUrlG sicher, dass der Urlaubsanspruch im Urlaubsjahr erfüllt wird, um dem Arbeitnehmer in einem einigermaßen regelmäßigen Rhythmus eine gewisse Zeit der Erholung und Entspannung zu gewähren.


III. Praktische Konsequenzen

Bisher war es unklar, ob Kürzungserklärungen nach § 17 BEEG vorsorglich – etwa mittels einer Klausel im Arbeitsvertrag – erklärt werden können. Ein solches Vorgehen wäre aus Arbeitgebersicht deutlich praktikabler und weniger „fehlerträchtig" gewesen. Dem hat das BAG jedoch eine Absage erteilt. Der Arbeitgeber muss das Elternzeitverlangen des Arbeitnehmers abwarten und in jedem konkreten Fall eine Kürzungserklärung abgeben. Die Begründung des BAG – das Wahlrecht des Arbeitgebers zu wahren – mag rechtssystematisch vertretbar sein, mutet aus praktischer Sicht aber amüsant an. Ein arbeitgeberseitiges Interesse, die Kürzung des Urlaubsanspruches nicht vorzunehmen, gibt es regelmäßig nicht. Es kann daher nur den Ratschlag geben, mit Bestätigung der Elternzeit zwingend die Kürzungserklärung abzugeben und den Zugang dieses Schreibens zu dokumentieren.

Sollte der Arbeitgeber vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Kürzungserklärung abgegeben haben, kann sein Fehler nun doppelt schwer wiegen. Entstandene Urlaubsansprüche verfallen nicht mit Ablauf des Kalenderjahres oder der ersten drei Monate des folgenden Kalenderjahres nach § 7 Abs. 3 BUrlG. Somit können während der Elternzeit über mehrere Jahre hinweg unbegrenzt Urlaubsansprüche angehäuft werden, welche im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses während oder nach der Elternzeit vom Arbeitgeber abgegolten werden müssen.

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