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„Kein Urlaub vom Urlaub“ – zwei neue Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes zum Urlaubsrecht

I. Ausgangslage

Erholungsurlaub ist nach der Definition des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) die zum Zweck der Erholung erfolgte zeitweise Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht unter Fortzahlung der Vergütung. Nach diesem Ansatz würde sich für Zeiträume, in denen – aus welchen Gründen auch immer – keine Arbeitspflicht besteht, das Thema Urlaub eigentlich gar nicht stellen. Tatsächlich verhält es sich komplett anders. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und des BAG hat das Urlaubsrecht in einer Weise weiterentwickelt, die teils zu nur schwer nachvollziehbaren praktischen Ergebnissen führt.

Für die Elternzeit sieht § 17 Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) eine anteilige Kürzungsmöglichkeit des Urlaubsanspruchs vor: Nimmt der Mitarbeiter in einem Kalenderjahr sechs Monate Elternzeit in Anspruch, so steht ihm der hälftige Jahresurlaubsanspruch zu. Die Kürzung erfolgt allerdings nicht automatisch, sondern muss vom Arbeitgeber vorgenommen werden. Diese Erklärung kann nach der Rechtsprechung nur im noch laufenden Arbeitsverhältnis vorgenommen werden. Dieser Umstand wird immer wieder zur Falle für Arbeitgeber, die diese Rechtsprechung nicht kennen, wenn das Arbeitsverhältnis – wie so oft – zum Ende der Elternzeit beendet wird.

Bei unbezahltem Sonderurlaub stellte sich die Rechtslage für den Arbeitgeber geradezu bizarr dar: Der Arbeitgeber gewährt dem Arbeitnehmer auf dessen Wunsch (!) ein Jahr unbezahlten Sonderurlaub. Im Anschluss macht der Arbeitnehmer den Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub geltend: Der Urlaub vom Urlaub! Das BAG hat sich im Jahr 2014 dieser Sichtweise angeschlossen und darauf abgestellt, der gesetzlich zwingend vorgeschriebene Urlaubsanspruch entstehe auch bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses.

II. Zwei Entscheidungen des BAG vom 19. März 2019 (9 AZR 315/17 und 9 AZR 362/17)

Der für das Urlaubsrechts zuständige 9. Senat hat nun neue Akzente gesetzt. In beiden Fällen liegen bisher lediglich Pressemitteilungen und noch nicht die schriftlichen Entscheidungsgründe vor.

Hinsichtlich der Elternzeit bekräftigt das BAG die bisherige Linie. Die Arbeitnehmerin hatte bis Ende 2015 Elternzeit in Anspruch genommen; das Arbeitsverhältnis endete zum 30.06.2016. Im März 2016 beantragte die Arbeitnehmerin Urlaub unter Einbeziehung der während der Elternzeit entstandenen Urlaubsansprüche. Der Arbeitgeber erteilte im April den im ersten Halbjahr des Jahres 2016 entstandenen Urlaub, den auf die Elternzeit entfallenden Urlaub lehnte er ab. Das BAG gab dem Arbeitgeber Recht: Die Kürzungsmöglichkeit der Urlaubsansprüche während der Elternzeit ist europarechtskonform. Dies hatte der Europäische Gerichtshof im Oktober 2018 klargestellt (vgl. Blogbeitrag vom 08.10.2018). Das Kürzungsrecht erfasst auch den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien für diesen keine von § 17 Ab. 1 BEEG abweichende Regelung getroffen haben. Die Ablehnung des Urlaubs noch im laufenden Arbeitsverhältnis legte der Senat als Kürzungserklärung aus.

Dem zweiten Verfahren lag ein zweijähriger unbezahlter Sonderurlaub zugrunde. Nach dessen Beendigung verlangte die Arbeitnehmerin Urlaub. Der 9. Senat entschied zugunsten des Arbeitgebers und vollzog insoweit eine vollständige Kehrtwende in der Argumentation. Unter ausdrücklicher Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung ist unbezahlter Sonderurlaub nun bei der Berechnung der Urlaubsdauer zu berücksichtigen. Befindet sich der Arbeitnehmer für ein gesamtes Kalenderjahr im unbezahlten Sonderurlaub, so steht ihm kein Anspruch auf Erholungsurlaub zu.

III. Praktische Konsequenzen

Für die Elternzeit dürfte die Rechtslage nun geklärt sein: Der Arbeitgeber muss bei Antritt der Elternzeit die Kürzungserklärung gem. § 17 Abs. 1 BEEG abgeben, spätestens muss dies vor Ende des Arbeitsverhältnisses erfolgen.

Bei unbezahltem Sonderurlaub hat das Bundesarbeitsgericht nun offensichtlich erkannt, dass seine bisherige Rechtsprechung zu untragbaren Ergebnissen führt und den Anspruch auf Urlaub vom Urlaub abgeschafft. Recht so.

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