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Plötzliche Funkstille – Business-Ghosting und was Unternehmen tun können

ghosting
Wenn das vielversprechende Date plötzlich verschwindet und von der Partnerin oder dem Partner jedes Lebenszeichen fehlt, kann das extrem frustrierend sein. Als Ghosting wird dieser – durch soziale Medien vielfach begünstigte – „Trend“ im Bereich der Beziehungen bezeichnet.
Zunehmend wird es aber auch im Arbeitsverhältnis zum Problem, wenn Bewerber*innen plötzlich unerreichbar sind oder Beschäftigte unvermittelt nicht mehr auf der Arbeit erscheinen. Während Unternehmen in den USA schon seit Längerem über dieses Phänomen klagen, wird Business-Ghosting in einigen Branchen auch in Deutschland ein Thema. Grund genug, für betroffene Unternehmen auf Ursachenforschung zu gehen und für uns, einen Blick auf den (arbeitsrechtlichen) Rahmen zu werfen.

I.

Job-Ghosting – das steckt dahinter

Bereits im Jahr 2019 berichtete die Jobbörse „Indeed“, dass Ghosting im Bewerbungsprozess ein großes Problem darstellt. Der Umfrage zufolge wurden in den USA 83 Prozent der Unternehmen schon einmal von Bewerber*innen geghostet.
Auch unsere Community auf LinkedIn bestätigt dieses Bild, danach sind 48 Prozent schon einmal mit Ghosting in Kontakt gekommen. Aktuell sind vor allem die Gastronomie und der Foodservice-Bereich betroffen. Aber auch deutsche Unternehmen kommen zunehmend mit Ghosting in Berührung. Angefangen bei Bewerber*innen, die sich bereits auf eine Einladung zum Bewerbungsgespräch nicht mehr melden, über das Nichterscheinen zum ersten Arbeitstag bis hin zum plötzlichen Abtauchen im laufenden Arbeitsverhältnis. Ghosting kann dabei viele Gründe haben: Unzufriedenheit mit dem Arbeitgeber, Aussichten auf ein vermeintlich besseres Arbeitsverhältnis oder schlicht die Angst, das Jobangebot abzusagen. Aus arbeitsrechtlicher Sicht lässt sich Business-Ghosting nicht vollständig vermeiden, allerdings gibt es einige rechtliche Möglichkeiten, um Risiken in Einzelfällen zu begrenzen.

II.

Kündigung des Ghosters und Schadensersatzansprüche

Für Unternehmen besonders ärgerlich ist es, wenn Bewerber*innen – nach Durchlauf eines mitunter aufwendigen Bewerbungsverfahrens – trotz Abschluss eines Arbeitsvertrages plötzlich nicht erscheinen. Das dauerhafte, unentschuldigte und schuldhafte Nichterbringung der Arbeitsleistung berechtigt den Arbeitgeber regelmäßig zur außerordentlichen Kündigung. Erscheint der Beschäftigte mithin unentschuldigt nicht und ist auch ansonsten unerreichbar, sollte das Arbeitsverhältnis in einem ersten Schritt außerordentlich und vorsorglich auch hilfsweise ordentlich gekündigt werden. Die Schriftform der Kündigung ist zu beachten und der Zugang des Schreibens zu dokumentieren.

Beachte:

Auch bei der Kündigung in der Probezeit bzw. vor Ablauf der Wartezeit nach dem Kündigungsschutzgesetzes ist der Betriebsrat nach § 102 BetrVG zu beteiligen.
Eine vorherige Abmahnung wird bei völliger Unerreichbarkeit des Beschäftigten regelmäßig nicht erforderlich sein, kann aber natürlich im Einzelfall ausgesprochen werden. Das Risiko wird aufgrund der Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses und der vielfach kurzen Kündigungsfrist in der Probezeit überschaubar ist. Für Tage, an denen die Arbeitsleistung schuldhaft nicht erbracht wurde, besteht kein Anspruch auf Vergütung.
Mit dem Ausspruch einer Kündigung beendet das Unternehmen zwar das Arbeitsverhältnis, der potentielle Schaden bleibt aber vielfach. Für Konstellationen der außerordentlichen Kündigung enthält § 628 Abs. 2 BGB eine Sonderregelung zum Schadensersatz. Wird nämlich die außerordentliche Kündigung durch das vertragswidrige Verhalten (Ghosting) des Beschäftigten veranlasst, so ist dieser zum Ersatz des durch die Aufhebung des Arbeitsvertrages entstandenen Schadens verpflichtet. Allerdings scheitern in der Praxis Schadensersatzansprüche häufig daran, dass sich der konkrete Schaden, der durch die Nichtaufnahme der Arbeit entstanden ist, wirtschaftlich nicht exakt beziffern lässt. So begründet etwa eine vorübergehende Mehrbelastung von Kolleginnen und Kollegen nicht ohne Weiteres eine Schadensposition und auch die Erbringung von Überstunden durch das restliche Team müsste sich konkret auf das Ghosting zurückführen lassen. Hier bestehen für betroffene Unternehmen in der Praxis erhebliche Beweisschwierigkeiten und prozessuale Risiken, zumal der Aufwand vielfach in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zum möglichen Erfolg steht. Zudem werden Schäden, die bereits vor Ausspruch der Kündigung eingetreten sind (Kosten für Bewerbungsverfahren usw.) regelmäßig nicht ersatzfähig sein.

III.

Lösung: Vertragsstrafe

Immer häufiger sehen daher Arbeitsverträge sogenannte Vertragsstrafen für den Fall vor, dass Beschäftigte ihre Tätigkeit nicht oder verspätet aufnehmen. Solche Regelungen erfüllen einen doppelten Zweck: Sie sollen zum einen der (vertragswidrigen) Nichtaufnahme der Tätigkeit präventiv entgegenwirken und zum anderen die Probleme im Kontext der Bezifferung des Schadens vermeiden. Eine Vertragsstrafe sieht für den Fall eines konkreten Verstoßes die Zahlung eines genau bezifferten Betrages vor, weshalb das Unternehmen diesen nicht nachweisen muss. Zugleich ist die Geltendmachung eines weiteren Schadens aber nicht ausgeschlossen.
Für die Gestaltung von Arbeitsverträgen sehr wichtig ist dabei eine wirksame Formulierung der Vertragsstrafenregelung. Insbesondere auf Folgendes sollte geachtet werden:
  • Das in Bezug genommene Fehlverhalten des Beschäftigten ist so genau wie möglich zu beschreiben (z. B. im Fall von Ghosting die Nichtaufnahme der Arbeit).
  • Die Regelung ist im Arbeitsvertrag aufzunehmen und aus Gründen der Transparenz besonders hervorzuheben (z. B. unter eigener Überschrift).
  • Die Vertragsstrafe darf nicht unverhältnismäßig hoch sein, da sie andernfalls vollständig unwirksam ist. Feste Grenzen bestehen hier nicht, weshalb es auf den Einzelfall ankommt. Jedenfalls sollte die Vertragsstrafe im Fall der Nichtaufnahme der Arbeit nicht höher sein als die bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist potentiell anfallende Vergütung des Beschäftigten. Auch eine Vertragsstrafe von einem Bruttomonatsgehalt ist daher keineswegs immer wirksam.

Beachte:

Nicht zulässig sind Vertragsstrafen in Berufsausbildungsverhältnissen (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 BBiG).

IV.

Kündigung vor Vertragsbeginn?

Die (rechtmäßige) Alternative zum Ghosting kann für Beschäftigte die Kündigung des Arbeitsvertrages vor Beginn der Tätigkeit sein. Dies wird insbesondere in Fällen relevant, in denen Abschluss des Arbeitsvertrages und vereinbarter Arbeitsbeginn zeitlich auseinanderfallen.
Grundsätzlich kann der Arbeitsvertrag auch schon vor Aufnahme der Tätigkeit von beide Seiten gekündigt werden. In diesem Fall sind die vereinbarten bzw. gesetzlichen Kündigungsfristen zu beachten, wobei diese mangels anderer Vereinbarungen im Zweifel mit Zugang der Kündigungserklärung zu laufen beginnen. Möchten Unternehmen eine solche ordentliche Kündigung vor Vertragsbeginn ausschließen, kann dies vertraglich vereinbart werden. In diesem Fall muss der Beschäftigte zu seinem ersten Arbeitstag erscheinen und macht sich ansonsten schadensersatzpflichtig bzw. verwirklicht die Vertragsstrafe.

Beachte:

Eine vertragliche Vereinbarung, die nur die arbeitnehmerseitige Kündigung vor Dienstantritt ausschließt und dem Arbeitgeber das Recht zur ordentlichen Kündigung vor Arbeitsaufnahme belässt, ist unwirksam. Daher muss der Ausschluss für beide Seiten formuliert werden. Auch eine außerordentliche Kündigung vor Vertragsbeginn kann nicht ausgeschlossen werden. Damit diese wirksam ist, muss aber ein „wichtiger Grund“ (§ 626 Abs. 1 BGB) vorliegen.

V.

Fazit – Ghosting personalpolitisch vorbeugen und rechtlichen Rahmen schaffen

Vom Ghosting betroffenen Branchen und Unternehmen sollten zweigleisig agieren: Zum einen ist es wichtig, sich gegenüber Bewerber*innen und Beschäftigten respektvoll aufzustellen, auch bereits im Recruiting-Prozess.
Dies schließt eine zeitnahe Rückmeldung zu eingegangenen Bewerbungen und die Kommunikation von Fristen und Deadlines ein. Zum anderen sollten rechtliche Vorgaben geschaffen werden, um Business-Ghosting präventiv entgegenzuwirken und es im Zweifel auch sanktionieren zu können. Dazu zählt insbesondere die wirksame Vereinbarung von Vertragsstrafen, die zugleich auch einen abschreckenden Effekt haben kann. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass eine ehrliche und offene Kommunikation für alle Beteiligten deutlich besser ist als der plötzliche vollständige Kontaktabbruch. Dem verhältnismäßig neuen Trend des Zombieing, gemeint ist die Wiederbelebung des zuvor geghosteten Kontakts und somit etwa die Wiederaufnahme der Tätigkeit, kann im Arbeitsverhältnis im Übrigen durch den Ausspruch einer wirksamen Kündigung entgegengewirkt werden.

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