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Mehr als nur Gehalt: Mitarbeiterbeteiligung als Schlüssel zur langfristigen Bindung?

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Was treibt Unternehmen an? Welchen Platz nehmen sie in der Gesellschaft ein und welchen sozialen, ökonomischen und ökologischen Nutzen stiften sie? Das sind immer mehr auch Fragen, die für die Belegschaft, aber auch Bewerber*innen zentral werden. Wer Fachkräfte gewinnen und vor allem auch halten will, muss eine Antwort auf den „Purpose“ des Unternehmens haben.
Idealerweise wird dies verbunden mit einer (Gewinn-)Beteiligung der Mitarbeitenden am Unternehmen. Gerade bei zunächst wirtschaftlich beschränkten Möglichkeiten etwa im Umfeld von Start-Ups lässt sich damit die Attraktivität des Unternehmens außerhalb der reinen Vergütungszahlung steigern. Gleichzeitig partizipieren Mitarbeitende mehr als üblich von der weiteren Entwicklung des Unternehmens. Unter den zahlreichen denkbaren Gestaltungsmöglichkeiten kommen vermehrt virtuellen Beteiligungsprogrammen, also solchen, die den Mitarbeitenden eine den Anteilseignern vergleichbare wirtschaftliche Stellung einräumen, besondere Bedeutung zu. Nachstehend geben wir Ihnen einen ersten Überblick über die Vor- und Nachteile der Ausgestaltung von Vergütungs- und Beteiligungsprogrammen sowie deren arbeitsrechtliche Implikationen.

Blogserie: Fachkräftemangel

Der Fachkräftemangel belastet Unternehmen weltweit. Qualifizierte Arbeitskräfte sind knapp, was die Produktivität hemmt und Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. In unserer Blogreihe möchten wir Ihnen unterschiedliche Möglichkeiten aus Sicht des Arbeitsrechts aufzeigen, die Ihr Unternehmen attraktiver machen können im harten Wettbewerb um Mitarbeitende.


Autor dieses Beitrags


I.

Die traditionellen Vergütungsformen – vielfältige Modelle, ähnliche Ziele

Unabhängig von der näheren Ausgestaltung ist allen Beteiligungsmodellen die grundsätzliche Idee gemein, Mitarbeitende am Unternehmenserfolg teilhaben zu lassen:
Mit klassischen Bonusvereinbarungen oder Bonusvorgaben soll ein kurzfristiger, oft an jährliche Unternehmensgewinne oder Umsätze geknüpfter und häufig bereits im Arbeitsvertrag oder einer Kollektivvereinbarung (Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag) festgelegter und damit transparenter Anspruch der Mitarbeitenden geschaffen werden. Sehr häufig wird im Nachgang aber über den Grad der Zielerreichung gestritten. Teilweise wird es auch verpasst überhaupt jährlich neue Ziele zu definieren.
Mittels sog. long-term incentive plans (LTIP oder LTI) können aber auch mittel- und langfristige Vergütungselemente implementiert werden, obgleich sich solche Regelungen in der Regel nur im Topmanagement finden. Mitarbeitende sollen an zeitlich definierten Unternehmenszielen teilhaben und damit graduell gemessen am Zeitwert der Zusammenarbeit von diesen profitieren.
Einer Bonusvereinbarung für Mitarbeitende (sei es in Form von Gewinn-, Leistungs- oder Ertragsbeteiligung) wohnt der Anreiz inne, kurz- und mittelfristige Ziele zu honorieren. Das Ziel, die Mitarbeitenden längerfristig am Erfolg des Unternehmens zu beteiligen, verfolgen effektiver long-term incentive plans, die mittels planvoller Zielsetzung eine, zumindest auf bestimmte Zeit ausgelegte, Bindungswirkung entfalten können. Klassisch werden z.B. eine Gewinnbeteiligung bei einem Exit-Event eines Investors oder bei einem Börsengang aufgerufen, um Mitarbeitende langfristig auf ein gemeinsames Ziel zu fokussieren. In beiden Fällen bringen sie kein eigenes Kapital ins Unternehmen ein.

II.

Die (virtuelle) Beteiligung als echte Option

Mit einer unmittelbaren Beteiligung am Unternehmen (Kapitalbeteiligung) kann dagegen eine langfristigere und damit auch stärkere Bindungswirkung erzeugt werden. Die häufigsten Fälle stellen die Anteils- oder Aktienübertragung dar. Mitarbeitende sind damit unmittelbar am Unternehmenserfolg, aber auch -misserfolg beteiligt und erhalten – je nach Ausgestaltung – Mitspracherechte, wodurch die Identifikation mit dem Unternehmen erheblich gesteigert werden kann.
Den Vorteilen der realen Kapitalbeteiligung mit Blick auf die echte Partizipation stehen allerdings eine Reihe von praktischen Nachteilen gegenüber, die diese Form für viele Unternehmen unattraktiv machen:
Mit echten Kapitalbeteiligungen gehen vielfältige Mitwirkungs-, Kontroll- und Informationsrechte einher: Eine vertragliche Einschränkung dieser Rechte im Arbeitsverhältnis ist nur beschränkt, teils auch gar nicht möglich. Gerade die Einräumung von Mitspracherechten kann einen graduellen Kontrollverlust der Geschäftsführung und möglicher Investoren mit sich bringen.
Übertragungs- und Rückabwicklungsproblematik: Die Übertragung von Anteilen selbst ist in Deutschland mit hohen formellen Hürden verbunden (etwa die notarielle Beurkundungspflicht bei Übertragung von Gesellschafteranteilen einer GmbH). Für die Fälle des Ausscheidens aus dem Unternehmen müssen Mechanismen der Rückübertragung implementiert werden, damit Mitarbeitende nicht weiter Gesellschafter*innen bleiben. Auch die Übertragungsmöglichkeit der Anteile muss klar geregelt werden.
Schließlich kann die echte Kapitalbeteiligung für Mitarbeitende aufgrund steuerrechtlicher Verpflichtungen uninteressant sein, da der unentgeltliche oder verbilligte Erwerb von Unternehmensanteilen als Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit qualifiziert wird, den Mitarbeitenden zu diesem Zeitpunkt aber kein (vergleichbarer) Gegenwert zufließt (sog. Dry-Income-Problematik). Allerdings hat hier der Gesetzgeber kürzlich mit einer Anpassung von § 19a EStG reagiert und für bestimmte Vermögensbeteiligungen eine abweichende Besteuerung vorgesehen.
Die Vorteile der langfristigen Bindung und Motivation ohne Nachteile realer Kapitalbeteiligung versprechen die Instrumente der virtuellen Beteiligung, die als Phantom Stocks oder Virtual Stock Option Plan (VSOP) gerade in internationalen Unternehmen immer häufiger anzutreffen sind.

Praxishinweis:

Mit Phantom Stocks oder VSOP werden Beteiligungen an Unternehmen lediglich nachgebildet: Mitarbeitende werden wirtschaftlich so gestellt, als hielten sie eine echte Beteiligung am Unternehmen. Sie können damit gleichermaßen wie Anteilseigner profitieren, indem ihnen bspw. bei Eintritt einer im Vorfeld festgelegten vertraglichen Bedingung (geknüpft etwa an Unternehmensgewinne oder den Unternehmenserlös) ein Anspruch gegenüber dem Unternehmen eingeräumt wird. Die „Virtualität“ der Programme zeichnet sich damit durch ihre Anlehnung an tatsächlich bestehende Instrumente der Beteiligung aus, ohne jedoch den Beteiligten die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten aufzuerlegen.

1. Unterschiede zur realen Kapitalbeteiligung und Ausgestaltungsmöglichkeiten

Wie eng die Programme den gesellschaftsrechtlichen Sachverhalten nachgebildet sind, ist den Parteien überlassen, da die virtuellen Beteiligungsprogramme keinen gesellschaftsrechtlichen Beschränkungen unterliegen. Das ermöglicht Unternehmen zunächst weitgehende Flexibilität sowohl bei der Gestaltung von Störfällen als auch in der besonderen Honorierung von Meilensteinen des Unternehmens. Gerade im Start-Up-Bereich spielt oftmals der Verkauf von Anteilen an Investoren eine zentrale Rolle.
Unabhängig von dem gewählten Konstrukt werden Mitarbeitenden bestimmte Beteiligungsquoten zugesprochen. Diese dienen dabei lediglich als Rechengröße für den wirtschaftlichen Anspruch gegen das Unternehmen. Nicht selten werden mit zunehmender Betriebszugehörigkeit oder bestimmten Meilensteinen die Optionen erhöht.

2. Anreize und mögliche Nachteile

Angesichts der Vorteile verwundert es nicht, dass virtuelle Beteiligungen immer mehr als Mittel der Wahl verstanden werden. Es entsteht eine greifbare und durch eigene Performance jedenfalls mittelbar beeinflussbare Profitchance, die ohne die echte unternehmerische Verantwortung bei einem möglichen Scheitern des Vorhabens auskommt. Das Modell hat sich dabei vor allem bei Start-Ups etabliert, wo alle Stakeholder auf rapiden Wertzuwachs hoffen. Allerdings erkennen zunehmend auch mittelständische Unternehmen die zahlreichen Gestaltungsoptionen und den Bindungseffekt. Die erstmalige Etablierung in der Schnittstelle zwischen Steuer-, Gesellschafts- und Arbeitsrecht ist jedoch mit einem nicht ganz unerheblichen Planungsaufwand verbunden, wobei der hohen Flexibilität zumindest arbeitsrechtlich Grenzen gesetzt sind.

III.

Arbeitsrechtliche Stolperfallen der Mitarbeiterbeteiligung

Obwohl virtuelle Beteiligungen zunächst auf der grünen Wiese mit viel Gestaltungsspielraum entworfen werden können, gelten für sie – jedenfalls soweit die Vereinbarung deutschem Recht unterliegt – die bekannten arbeitsrechtlichen Grundsätze:

1. Beachtung der Regeln des AGG

Bietet ein Unternehmen Mitarbeitenden virtuelle Beteiligungsprogramme an, muss bereits die Wahl des Einbeziehungskreises den Regeln des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) Rechnung tragen (so ausdrücklich LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Oktober 2021 – 7 Sa 26/21).

Praxishinweis:

Wollen Unternehmen nur einzelnen Personen oder Personengruppen ihr virtuelles Beteiligungsprogramm zur Verfügung stellen oder gar ihre Programme unterschiedlich ausgestalten, sind hierfür klare und nachvollziehbare Sachgründe anzuführen und idealerweise auch zu dokumentieren.

2. Der Teufel liegt im Detail: Hohe Anforderungen des AGB-Rechts

Die Beteiligungsprogramme und das dem zugrunde liegende Vertragswerk sind in aller Regel für eine Vielzahl von Mitarbeitenden gedacht und stellen daher Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) dar, wodurch die (sehr restriktive) Rechtsprechung zum AGB-Recht Anwendung findet. Wer regelmäßig mit der Arbeitsvertragsgestaltung befasst ist, kann hiervon ein Lied singen.

Praxishinweis:

Häufig anzufindende Regelungen zum Umgang mit virtuellen Beteiligungen bei Kündigungen (good and bad leaver) und ein sehr weitgehendes Ermessen in diesen Fällen können je nach Ausgestaltung unangemessen benachteiligend für Arbeitnehmer*innen sein, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Dies dürfte in Anlehnung der Rechtsprechung zu Rückzahlungsklauseln zum Beispiel für den Fall gelten, dass eine erklärte Eigenkündigung durch das Unternehmen bedingt ist und gleichwohl negative Folgen hieran angeknüpft werden. Wegen in Teilen hoher Komplexität der Vertragswerke stellt sich zudem die Frage, ob die Regelungen allesamt klar und verständlich formuliert sind. Anderenfalls droht ein Verstoß gegen das Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Unklarheiten gehen hier zulasten des Unternehmens. Eine Aufrechterhaltung der Klausel in gerade noch zulässigem Umfang ist in aller Regel nicht zulässig.

3. Nachweisgesetz beachten

Da das Nachweisgesetz (Mehr hierzu auf unserem Blog) zur umfassenden Auskunft über Vergütungsbestandteile verpflichtet, wird auch ein Hinweis auf das angebotene Beteiligungsprogramm dort aufzunehmen sein.

4. Einbeziehung der Arbeitnehmervertretung

Schließlich ist an eine mögliche Beteiligung eines bestehenden Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu denken.

Praxishinweis:

VSOP oder Phantom Shares können und werden in der Praxis sehr häufig auch über ausländische Gesellschaften eines Konzerns zugesagt. Hintergrund ist regelmäßig die beabsichtigte Anwendung einer ausländischen Rechtsordnung, die weitergehende Flexibilisierung erlaubt. Aus Unternehmenssicht ist in diesen Fällen darauf zu achten, dass keine vertraglichen Zusagen durch den deutschen Arbeitgeber getroffen werden.

IV.

Fazit

Virtuelle Beteiligungsmodelle können sowohl der gewünschten Mitarbeitendenbindung als auch der Attraktivität des Unternehmens dienen. Sie legen den Fokus bewusst nicht auf kurzfristige Gewinne und Ziele, sondern auf die langfristige Unternehmensentwicklung. Ist ein umfangreiches Beteiligungsprogramm nicht gewünscht, können aber auch long-term incentive plans helfen, mittelfristige Ziele zu etablieren.
Sprechen Sie uns gerne bei konkreten Fragen und zur Ausgestaltung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen an.

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