Die (virtuelle) Beteiligung als echte Option
Mit einer unmittelbaren Beteiligung am Unternehmen (Kapitalbeteiligung) kann dagegen eine langfristigere und damit auch stärkere Bindungswirkung erzeugt werden. Die häufigsten Fälle stellen die Anteils- oder Aktienübertragung dar. Mitarbeitende sind damit unmittelbar am Unternehmenserfolg, aber auch -misserfolg beteiligt und erhalten – je nach Ausgestaltung – Mitspracherechte, wodurch die Identifikation mit dem Unternehmen erheblich gesteigert werden kann.
Den Vorteilen der realen Kapitalbeteiligung mit Blick auf die echte Partizipation stehen allerdings eine Reihe von praktischen Nachteilen gegenüber, die diese Form für viele Unternehmen unattraktiv machen:
Mit echten Kapitalbeteiligungen gehen vielfältige Mitwirkungs-, Kontroll- und Informationsrechte einher: Eine vertragliche Einschränkung dieser Rechte im Arbeitsverhältnis ist nur beschränkt, teils auch gar nicht möglich. Gerade die Einräumung von Mitspracherechten kann einen graduellen Kontrollverlust der Geschäftsführung und möglicher Investoren mit sich bringen.
Übertragungs- und Rückabwicklungsproblematik: Die Übertragung von Anteilen selbst ist in Deutschland mit hohen formellen Hürden verbunden (etwa die notarielle Beurkundungspflicht bei Übertragung von Gesellschafteranteilen einer GmbH). Für die Fälle des Ausscheidens aus dem Unternehmen müssen Mechanismen der Rückübertragung implementiert werden, damit Mitarbeitende nicht weiter Gesellschafter*innen bleiben. Auch die Übertragungsmöglichkeit der Anteile muss klar geregelt werden.
Schließlich kann die echte Kapitalbeteiligung für Mitarbeitende aufgrund steuerrechtlicher Verpflichtungen uninteressant sein, da der unentgeltliche oder verbilligte Erwerb von Unternehmensanteilen als Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit qualifiziert wird, den Mitarbeitenden zu diesem Zeitpunkt aber kein (vergleichbarer) Gegenwert zufließt (sog. Dry-Income-Problematik). Allerdings hat hier der Gesetzgeber kürzlich mit einer Anpassung von § 19a EStG reagiert und für bestimmte Vermögensbeteiligungen eine abweichende Besteuerung vorgesehen.
Die Vorteile der langfristigen Bindung und Motivation ohne Nachteile realer Kapitalbeteiligung versprechen die Instrumente der virtuellen Beteiligung, die als Phantom Stocks oder Virtual Stock Option Plan (VSOP) gerade in internationalen Unternehmen immer häufiger anzutreffen sind.
Praxishinweis:
Mit Phantom Stocks oder VSOP werden Beteiligungen an Unternehmen lediglich nachgebildet: Mitarbeitende werden wirtschaftlich so gestellt, als hielten sie eine echte Beteiligung am Unternehmen. Sie können damit gleichermaßen wie Anteilseigner profitieren, indem ihnen bspw. bei Eintritt einer im Vorfeld festgelegten vertraglichen Bedingung (geknüpft etwa an Unternehmensgewinne oder den Unternehmenserlös) ein Anspruch gegenüber dem Unternehmen eingeräumt wird. Die „Virtualität“ der Programme zeichnet sich damit durch ihre Anlehnung an tatsächlich bestehende Instrumente der Beteiligung aus, ohne jedoch den Beteiligten die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten aufzuerlegen.
1. Unterschiede zur realen Kapitalbeteiligung und Ausgestaltungsmöglichkeiten
Wie eng die Programme den gesellschaftsrechtlichen Sachverhalten nachgebildet sind, ist den Parteien überlassen, da die virtuellen Beteiligungsprogramme keinen gesellschaftsrechtlichen Beschränkungen unterliegen. Das ermöglicht Unternehmen zunächst weitgehende Flexibilität sowohl bei der Gestaltung von Störfällen als auch in der besonderen Honorierung von Meilensteinen des Unternehmens. Gerade im Start-Up-Bereich spielt oftmals der Verkauf von Anteilen an Investoren eine zentrale Rolle.
Unabhängig von dem gewählten Konstrukt werden Mitarbeitenden bestimmte Beteiligungsquoten zugesprochen. Diese dienen dabei lediglich als Rechengröße für den wirtschaftlichen Anspruch gegen das Unternehmen. Nicht selten werden mit zunehmender Betriebszugehörigkeit oder bestimmten Meilensteinen die Optionen erhöht.
2. Anreize und mögliche Nachteile
Angesichts der Vorteile verwundert es nicht, dass virtuelle Beteiligungen immer mehr als Mittel der Wahl verstanden werden. Es entsteht eine greifbare und durch eigene Performance jedenfalls mittelbar beeinflussbare Profitchance, die ohne die echte unternehmerische Verantwortung bei einem möglichen Scheitern des Vorhabens auskommt. Das Modell hat sich dabei vor allem bei Start-Ups etabliert, wo alle Stakeholder auf rapiden Wertzuwachs hoffen. Allerdings erkennen zunehmend auch mittelständische Unternehmen die zahlreichen Gestaltungsoptionen und den Bindungseffekt. Die erstmalige Etablierung in der Schnittstelle zwischen Steuer-, Gesellschafts- und Arbeitsrecht ist jedoch mit einem nicht ganz unerheblichen Planungsaufwand verbunden, wobei der hohen Flexibilität zumindest arbeitsrechtlich Grenzen gesetzt sind.