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Abbruch von Stellenbesetzungsverfahren - probates Mittel zur Verhinderung von unliebsamen Bewerber:innen?

recruiting-stop
Geschrieben von

Dr. Björn Braun, LL.M.

(Expertenteam Öffentliche Arbeitgeber)

I.

Worum geht es?

Schreibt ein:eine öffentlicher:öffentliche Arbeitgeber:in eine Stelle aus, so entsteht zugunsten der Bewerber:innen ein sogenannter Bewerberverfahrensanspruch. Art. 33 Abs. 2 GG räumt jedem Deutschen das Recht ein, nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt zu haben (sog. „Bestenauslese“).
Daraus folgt der Anspruch auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über die Bewerbung. In der Praxis kommt es jedoch immer wieder vor, dass öffentliche Arbeitgeber:innen Stellenbesetzungsverfahren vorzeitig abbrechen und die Stelle unbesetzt bleibt. Nicht berücksichtigte Bewerber:innen fühlen sich durch diese Vorgehensweise teilweise übergangen und wittern in dieser Vorgehensweise die Absicht des:der öffentlichen Arbeitgebers:Arbeitgeberin, die Stelle bewusst (temporär) unbesetzt zu lassen, da sie diese lieber zu einem späteren Zeitpunkt neu ausschreiben wollen, als mit einem:einer unliebsamen Bewerber:in besetzen zu müssen.
Dieser Beitrag wird darüber Aufschluss geben, ob es tatsächlich so einfach für den:die öffentlichen:öffentliche Arbeitgeber:in ist, ein Stellenbesetzungsverfahren abzubrechen, ohne dass die Bewerber:innen hiergegen erfolgreich vorgehen können. Dabei soll exemplarisch anhand eines jüngeren Urteils des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 26. August 2020 (3 Sa 76/20) aufgezeigt werden, unter welche Voraussetzungen der wirksame Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahren möglich ist.

II.

Sachverhalt

Die Beklagte hatte Ende 2018 eine Planstelle als „Abteilungsleiter/-in, Informations- und Kommunikationstechnik“, bewertet mit der Entgeltgruppe 14 TVöD-VKA, extern ausgeschrieben. Der Kläger war bei der Beklagten seit Januar 2018 als Sachbearbeiter „Systemplanung, Informations- und Kommunikationstechnik“ beschäftigt und bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle.
Am 9. April 2019 entschied der Hauptausschuss, die Stelle mit einem anderen Bewerber und ersatzweise mit einem weiteren Bewerber zu besetzen. Mit Schreiben vom 15. April 2019 informierte die Beklagte den Kläger und die übrigen abgelehnten Bewerber:innen über das negative Ergebnis der Auswahlentscheidung.
Gegen diese Entscheidung setzte sich der Kläger zunächst im Wege einer einstweiligen Verfügung erfolgreich zur Wehr. Der Beklagten wurde aufgegeben, es zu unterlassen, die Planstelle einem der Konkurrent:innen zu übertragen, bevor hierüber nicht in einem Hauptsacheverfahren entschieden worden ist. In dem Hauptsacheverfahren vor dem Arbeitsgericht Rostock begehrte der Kläger, die Rechtswidrigkeit der von der Beklagten getroffenen Auswahlentscheidung festzustellen (zur Frage des Rechtswegs bei sog. Konkurrentenklage siehe hier). Zudem beantragte er, die ausgeschriebene Stelle mit seiner Person zu besetzen, hilfsweise über die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle neu zu entscheiden.
Das Arbeitsgericht Rostock wies die Klage ab, da die Auswahlentscheidung nicht zu beanstanden war. Gegen diese Entscheidung wurde Berufung vor dem LAG Mecklenburg-Vorpommern eingelegt.
Die Beklagte brach das Stellenbesetzungsverfahren in der Folge durch Organisationsverfügung vom 20. April 2020 und damit während des Berufungsverfahren ab. Sie begründete diese Entscheidung damit, dass mit Wirkung zum 1. Mai 2020 die Bildung des neuen Amtes für Digitalisierung und IT verfügt worden sei. Die ausgeschriebene Stelle als „Abteilungsleiter/in Informations- und Kommunikationstechnik“ sei in die Stelle Amtsleiter des Amtes für Digitalisierung und IT umgewandelt worden. Diese neue Stelle sei mit der Entgeltgruppe 15 bewertet worden und demnach nicht, wie die vorherige Abteilungsleiterstelle, mit der Entgeltgruppe 14. Hinsichtlich der Abteilungsleiterstelle habe man sich dazu entschieden, diese nicht zu besetzen.
Vor diesem Hintergrund hielt die Beklagte das Verfahren für erledigt.

III.

Die Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 26. August 2020 (3 Sa 76/20)

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern wies die Berufung Klägers auch deshalb zurück, da die Entscheidung zum Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens seitens der Beklagten aus sachlichen Gründen rechtsfehlerfrei getroffen wurde.

1. Sachlich nachvollziehbarer Grund berechtigt zum Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens

Das LAG bestätigte in seiner Entscheidung die ständige Rechtsprechung des BAG und des BVerwG, nach der ein:eine öffentlicher:öffentliche Arbeitgeber:in berechtigt ist, aus einem sachlich nachvollziehbaren Grund ein Stellenbesetzungsverfahren abzubrechen. Dies gilt auch, wenn mit dem Abbruch die Verfahrensrechte der Bewerber:innen nach Art. 33 Abs. 2 GG verkürzt werden. Allerdings muss der Abbruch aus sachlich nachvollziehbaren Gründen und nicht missbräuchlich erfolgen. Der Bewerberverfahrensanspruch verdichte sich nur dann zu einem Besetzungsanspruch, wenn das Auswahlverfahren ordnungsgemäß abgeschlossen wurde und die Auswahl nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG auf den:die Bewerber:in gefallen war oder hätte fallen müssen. Dies zu Grunde gelegt, hätte die sogenannte „Bestenauslese“ zum Zeitpunkt des Abbruchs des Verfahrens ergeben müssen, dass der:die Bewerber:in die Stelle hätte erhalten müssen und nur der sachwidrige Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens seine:ihre Einstellung verhindert hat.
Dies hat zur Folge, dass der Kläger hätte darlegen müssen, dass er die Stelle in jedem Fall erhalten hätte und darüber hinaus der Abbruch des Stellenbesetzungsverfahren auch ohne Sachgrund erfolgt ist.
Dies konnte das LAG vorliegend nicht feststellen.
Die Organisationshoheit und das Organisationsermessen des:der öffentlichen Arbeitgebers:Arbeitgeberin sind durch den Umstand der Eröffnung eines Stellenbesetzungsverfahrens nicht eingeschränkt. Deswegen kann der:die öffentliche Arbeitgeber:in auch während eines laufenden Stellenbesetzungsverfahrens eine Umstrukturierungsentscheidung treffen. In diesem Fall hat das Gericht lediglich zu prüfen, ob sich die Entscheidung des Abbruchs des Stellenbesetzungsverfahrens auf der Grundlage der Umstrukturierungsmaßnahme im Rahmen der Organisationshoheit als willkürlich oder rechtsmissbräuchlich erweist.
Die Beklagte konnte sich vorliegend allerdings auf einen sachlichen Grund in Form der Neuschaffung eines Amtes für Digitalisierung und IT sowie der Umwandlung der ausgeschriebenen Stelle in eine höher dotierte Amtsleiterstelle berufen. Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Entscheidung lagen ebenfalls nicht vor.

2. Kein willkürlicher Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens

Selbst bei Vorliegen eines sachlichen Grundes darf die Entscheidung zur Umstrukturierung nicht willkürlich erfolgen. Hierfür gab es im vorliegenden Fall jedoch keine Anhaltspunkte. Insbesondere stellte sich die Entscheidung nicht als Maßnahme dar, einen:eine von vornherein ausgewählten:ausgewählte Bewerber:in zu Lasten des Klägers durchzusetzen. Dafür spricht bereits, dass das Stellenbesetzungsverfahren zu einem Zeitpunkt initiiert und durchgeführt wurde, zu dem der Oberbürgermeister, der die Organisationsentscheidung getroffen zur Umstrukturierung getroffen hat, noch nicht im Amt war.

VI.

Bewertung der Entscheidung

Die Entscheidung bestätigt die bisherige Rechtsprechung von BAG und BVerwG zum Abbruch von Stellenbesetzungsverfahren.
Es verbleibt daher für öffentliche Arbeitgeber:innen dabei, dass sie Stellenbesetzungsverfahren abbrechen können, sofern ihre Entscheidung auf sachlichen Gründen beruht. Hierbei kommt den öffentlichen Arbeitgebern:innen durchaus ein weites Ermessen bei der Entscheidung über und der Durchführung der Organisationsmaßnahme zu. Das Vorliegen eines sachlichen Grundes darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass darüber hinaus die Entscheidung zum Abbruch des Verfahrens nicht willkürlich, sondern auf der Grundlage der Organisationsentscheidung erfolgt.

V.

Fazit

Die Möglichkeit, durch den Abbruch des Verfahrens einen:eine unbeliebten:unbeliebte Bewerber:in zu verhindern, besteht auch unter Berücksichtigung der strikten arbeits- und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung fort.
Erforderlich hierfür ist zwar ein sachlicher Grund (etwa eine Organisationsentscheidung des:der Arbeitgebers:Arbeitgeberin), der sich nicht als rechtsmissbräuchlich darstellen darf, allerdings werden gerade die Arbeitsgerichte bei unternehmerischen Entscheidungen die Rechtsmissbrauchskontrolle zurückhaltend anwenden. Öffentlichen Arbeitgeber:innen ist zu empfehlen, im Vorfeld einer etwaigen Entscheidung über den Abbruch die Gründe hierfür sauber zu dokumentieren, um sich für einen etwaigen Konkurrentenstreit bestmöglich aufzustellen.

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