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7 Minuten Lesezeit (1351 Worte)

Update - mobiles Arbeiten und Homeoffice

homeoffice
Der Gesetzgeber erlässt aktuell mit einer nie dagewesenen Geschwindigkeit neue Regelungen, die auch und insbesondere das mobile Arbeiten und das Arbeiten aus dem Homeoffice betreffen. Mit einem gewissen zeitlichen Verzug werden auch die Gerichte auf die Neuregelungen reagieren und wichtige Auslegungshilfen für die Praxis liefern. Dieser Beitrag fasst den aktuellen Stand zusammen und zeigt Handlungsbedarf für Unternehmen auf, um Gesundheits- und Haftungsrisiken zu minimieren.

Blogserie: Arbeitswelt 4.0

Unsere Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahren so rasant verändert wie noch nie zuvor. Was bedeutet dies aber für die Verantwortung der Unternehmen und ihrer Entscheider?

Autor dieses Beitrags

Dr. Severin
Kunisch


I.

Begriffsbestimmung von Homeoffice und mobilem Arbeiten

In der öffentlichen Diskussion werden beide Begriffe häufig synonym verwendet und in der Tat fehlt es bislang an einer klaren gesetzlichen Definition. Beiden Arbeitsformen ist gemein, dass die Arbeitsleistung jedenfalls nicht von der Betriebsstätte des Arbeitgebers aus erbracht wird.
Beim Homeoffice wird die Arbeit ausschließlich am Wohnsitz der Beschäftigten erbracht. Gelegentlich wird deswegen auch von häuslicher Telearbeit gesprochen. Im Gegensatz dazu kann die Arbeitsleistung beim mobilen Arbeiten, muss aber nicht, vom Wohnsitz aus erbracht werden. Sie kann vielmehr von jedem denkbaren Arbeitsort, also auch aus einem Café oder einem Park, erfolgen. Die Beschäftigten können grundsätzlich frei entscheiden, von wo sie arbeiten. Vorstellbar ist ebenfalls das Arbeiten aus dem Ausland. Über Letzteres und die damit einhergehenden Besonderheiten werden wir in der kommenden Woche separat berichten.

II.

Status quo

Seit dem 23. April 2021 ist das Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite in Kraft. In Bezug auf das Homeoffice wurde die zuvor in § 2 Abs. 4 der Corona-Arbeitsschutzverordnung verortete Regelung in § 28b Abs. 7 Infektionsschutzgesetz (IfSG) überführt und ergänzt.
Hiernach hat der Arbeitgeber den Beschäftigten im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in der Wohnung auszuführen, wenn „keine zwingenden betriebsbedingten Gründe“ entgegenstehen. Die Beschäftigten haben dieses Angebot anzunehmen soweit ihrerseits „keine Gründe“ dagegensprechen. Darüber, was unter den verschiedenen „Gründen“ zu verstehen ist, gibt die Gesetzesbegründung Auskunft: Betriebsbedingte Gründe auf Seiten des Arbeitgebers können vorliegen, wenn die Betriebsabläufe sonst erheblich eingeschränkt würden oder gar nicht aufrechterhalten werden könnten. Technische oder organisatorische Gründe, wie zum Beispiel die Nichtverfügbarkeit benötigter IT-Ausstattung, notwendige Veränderung der Arbeitsorganisation oder unzureichende Qualifizierung der betroffenen Beschäftigten können in der Regel nur vorübergehend angeführt werden. Deswegen kann sich ein Unternehmen nach einer Übergangszeit – die seit dem 23. April 2021 bald ablaufen könnte – nur noch schwer darauf berufen, die nötige IT-Infrastruktur für ein Arbeiten aus dem Homeoffice stehe nicht zur Verfügung.
Auf der anderen Seite können Beschäftigte ihrerseits das Angebot aus deutlich geringeren Gründen ablehnen. Dies zeigt bereits der Unterschied im Wortlaut – zwingende Gründe werden gerade nicht verlangt. Die Beschäftigten müssen Bürotätigkeiten oder vergleichbare Tätigkeiten in ihrer Wohnung ausführen, soweit dies möglich ist. Gründe, die dem entgegenstehen, können beispielsweise räumliche Enge, Störungen durch Dritte oder unzureichende technische Ausstattung sein. Eine vom Arbeitgeber zu dokumentierende Mitteilung der Beschäftigten, dass die Arbeit von zu Hause aus nicht möglich ist, reicht zur Darlegung aus. Eine darüberhinausgehende Kontrollpflicht des Arbeitgebers besteht nicht. Da es sich um eine öffentlich-rechtliche Pflicht des Arbeitgebers im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz handelt, haben Beschäftigte keinen gerichtlich einklagbaren Anspruch darauf, ihre Arbeitsleistung aus dem Homeoffice zu erbringen. Sollte ein Unternehmen unberechtigterweise kein Homeoffice anbieten, könnten sich die betroffenen Beschäftigten indes an die Arbeitsschutzbehörden der Länder wenden und – jedenfalls im Extremfall – auch die Erbringung ihrer Arbeitsleistung verweigern.

III.

Pflichten des Unternehmens während Homeoffice oder mobilen Arbeitens

Arbeitsmittel werden durch den Arbeitgeber gestellt – dies gilt grundsätzlich auch während des Homeoffices oder des mobilen Arbeitens. Unternehmen haben der Belegschaft also insbesondere die nötige IT-Infrastruktur (etwa Laptop, Handy/Telefon) zur Verfügung zu stellen.
Dass Beschäftigte eigene technische Geräte verwenden, ist bereits aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht empfehlenswert. Die Kosten für einen Internetanschluss hat das Unternehmen allerdings regelmäßig nicht zu tragen, sofern die Beschäftigten bereits vor Einführung des Homeoffices einen Internetanschluss hatten und diesen für private Zwecke nutzen. Daran hat auch die Einführung des § 28b Abs. 7 IfSG nichts geändert.
Auch im Homeoffice haben Unternehmen die Regeln des Arbeitsschutzes zu beachten. Konkret bedeutet dies, dass etwa der Bildschirmarbeitsplatz gesundheitsschonend gestaltet sein muss. Insbesondere bedarf es von Seiten der Unternehmen einer Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG) sowie einer Unterweisung der Beschäftigten (§ 12 ArbSchG). Da Unternehmen indes auf die heimische Arbeitsstätte nur begrenzt Zugriff haben, ist für die Praxis eine „Ferndiagnose“ mittels Fragebögen sowie entsprechender Bilder über den ordnungsgemäßen Zustand des Arbeitsplatzes empfehlenswert. Beim mobilen Arbeiten bietet es sich an, die geringeren Kontrollmöglichkeiten durch ein „Mehr“ an Unterweisung bzgl. der Risiken zu kompensieren.
Auch gelten für Homeoffice und mobiles Arbeiten identische datenschutzrechtlichen Grundsätze wie in den Räumen des Unternehmens. Insbesondere ist ein Zugriff von Dritten, etwa Haushaltsangehörigen, auf die Daten zu verhindern. Wichtig ist, dass Beschäftigte klare Anweisungen hinsichtlich des Datenschutzes erhalten, da der Arbeitgeber für die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften verantwortlich bleibt.
Beachte: Im Rahmen des Betriebsrätemodernisierungsgesetz wird zudem ein neuer Mitbestimmungstatbestand in § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG für die „Ausgestaltung von mobiler Arbeit“ eingeführt. Ein wirklicher Zuwachs an Mitbestimmungsrechten wird mit der Regelung wohl nicht einhergehen. Die Gesetzesbegründung selbst spricht nur von einem „Auffangtatbestand“ (BT-Drucks. 19/28899).

IV.

Anpassung des Unfallversicherungsschutzes

Eine Tätigkeit aus dem Homeoffice oder im Rahmen des mobilen Arbeitens ist grundsätzlich von der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst. Entscheidend ist hier, ob sich ein Unfall im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit ereignet, oder ob bloß eine nicht versicherte eigenwirtschaftliche Tätigkeit vorliegt. Beispielsweise ordnet die Rechtsprechung einen Unfall, der sich auf dem Weg in die Küche ereignet, um Trinkwasser zu holen, als eigenwirtschaftliche Tätigkeit ein, die nicht unfallversichert ist. Auch dies wird im Rahmen des zeitnah in Kraft tretenden Betriebsrätemodernisierungsgesetzes durch eine Anpassung des § 8 SGB VII dahingehend korrigiert, dass Versicherungsschutz im gleichen Umfang wie bei der Ausübung der Tätigkeit im Unternehmen besteht.

V.

Ausblick: das Mobile-Arbeit-Gesetz (MAG)

Das BMAS hat mit dem Referentenentwurf zum MAG einen Versuch unternommen gesetzliche Leitplanken einzuziehen, dabei allerdings den Fokus zu sehr auf einen Rechtsanspruch für Beschäftigte, anstatt auf klare rechtliche Rahmenbedingungen gelegt. So sieht etwa die neue Fassung des § 111 GewO eine komplexe Regelung über das Zustandekommen von Vereinbarungen über mobile Arbeit vor, die vor allem eine weitere Bürokratisierung begründet. Aktuell sieht es zudem nicht nach einer Verabschiedung des MAG noch in dieser Legislaturperiode aus.

VI.

Praktische Hinweise für Unternehmen

Trotz vieler singulärer Anpassungen durch den Gesetzgeber sorgen viele Themen für Rechtsunsicherheit bei Unternehmen, weshalb gesetzgeberische Klarstellungen – etwa im Bereich des Arbeitsschutzes – wünschenswert wären. Es bleibt zudem abzuwarten, ob und inwiefern die aktuelle Homeoffice-Angebotspflicht die nächsten Wochen überstehen wird, da insbesondere das Wirtschaftsministerium – Presseberichten zufolge – diese Verpflichtung schrittweise zurücknehmen möchte.
In der betrieblichen Praxis wird es häufig notwendig sein, jedenfalls einen (kleinen) Teil der Belegschaft vor Ort zu beschäftigen. Hierbei stellt sich die Frage, anhand welcher Kriterien Unternehmen dieses „Kernteam“ auswählen dürfen. Anbieten dürften sich insbesondere sog. rollierende Systeme, bei denen das „Kernteam“ etwa nach ein oder zwei Wochen wechselt. So kommen alle Beschäftigten – je nach Perspektive – in den Genuss oder in die Pflicht von Homeoffice bzw. Arbeiten in der Betriebsstätte. Hierbei sind auch die persönlichen Bedürfnisse der Beschäftigten, also insbesondere die Wohnsituation, die Leistungsfähigkeit des privaten Internetanschlusses oder die persönlichen Wünsche, zu beachten. Empfehlenswert ist es, dass Unternehmen ein konsistentes und transparentes Arbeitssystem implementieren. Die Einführung mittels Betriebsvereinbarung hat hier den Vorteil, dass einheitliche Regelungen geschaffen werden.
Unternehmen ist zudem dringend zu raten, bei der Einführung von Homeoffice oder mobilen Arbeitens auch Beendigungsmöglichkeiten zu regeln. Hierbei sollten konkrete Bedingungen implementiert werden, in welchen Fällen ein Unternehmen Homeoffice bzw. mobiles Arbeiten beenden kann. Die Vereinbarung könnte auch an das Bestehen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite geknüpft oder bis zum 30. Juni 2021 befristet werden, da § 28b Abs. 7 IfSG gemäß Absatz 10 längstens bis zu diesem Datum gilt.
Homeoffice-Angebote und auch etwaige Ablehnungen durch einzelne Beschäftigte sollten außerdem gut dokumentiert werden, um erforderlichenfalls gegenüber den Arbeitsschutzbehörden zu belegen, dass ein Unternehmen den gesetzlichen Verpflichtungen zum Gesundheitsschutz nachkommt.

Vertiefende Literatur:

Küttner/Röller/Weil/Voelzke
Personalbuch, 28. Auflage 2021, Stichwort: Homeoffice

Küttner Blogserie Arbeitswelt 4.0

Entdecken Sie weitere Beiträge zum Thema Arbeitsrecht 4.0 in unserer Blogserie.

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