„Vorübergehend Mehr“ – Unwirksamkeit einer befristeten Erhöhung der Wochenarbeitszeit
Das Teilzeit- und Befristungsgesetz soll zum 1. Januar 2019 geändert werden. Mit der sog. Brückenteilzeit will der Gesetzgeber einen Anspruch schaffen, nach einer Teilzeitphase wieder zu einem Vollzeitarbeitsverhältnis zurückzukehren. Das Bundesarbeitsgericht hat nun in einer ganz aktuellen Entscheidung (Urteil vom 25. April 2018 – 7 AZR 520/16) zu einer ähnlichen Konstellation auf Basis der derzeit noch geltenden Rechtslage Stellung genommen. Konkret ging es um die befristete Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 50 % auf 75 %.
I. Die Entscheidung des BAG vom 25. April 2018
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Arbeitnehmerin war bereits seit 1994 bei dem Arbeitgeber beschäftigt und zunächst in Vollzeit tätig. Nach der Elternzeit vereinbarten die Parteien einvernehmlich eine Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 50 % der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit. Diese beträgt nach dem anwendbaren Manteltarifvertrag 38,5 Stunden wöchentlich.
Für den Zeitraum vom 1. März 2012 bis zum 28. Februar 2013 vereinbarten die Parteien eine befristete Erhöhung der Arbeitszeit von 50 % auf 74,67 % der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit. Diese Regelung wurde in der Folge bis zum 31. Dezember 2014 verlängert.
Die Arbeitnehmerin klagte daraufhin auf Feststellung, dass unbefristet eine Arbeitszeit von 74,67 % der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit gelte. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Arbeitnehmerin der Klage stattgegeben. Die hiergegen seitens des Arbeitgebers eingelegte Revision hat das Bundesarbeitsgericht zurückgewiesen.
Das Bundesarbeitsgericht begründet seine Entscheidung wie folgt: Nach ständiger Rechtsprechung seien die Vorschriften des Teilzeit- und Befristungsgesetzes auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen nicht – auch nicht entsprechend – anwendbar. Bei der letzten Befristungsabrede handele es sich um seitens der Arbeitgeberin vorformulierte Vertragsbedingungen, sodass eine Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB vorzunehmen sei.
Die Inhaltskontrolle sei auch nicht eingeschränkt, weil vorliegend die Arbeitszeit in Rede stehe. Gegenstand der Inhaltskontrolle sei nicht die vereinbarte Erhöhung der Arbeitszeit und damit der Umfang der zu erbringenden Hauptleistungspflicht, sondern deren zeitliche Einschränkung durch die Befristung. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setze eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit sei ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Für die bei der Befristung einzelner Vertragsbedingungen vorzunehmende Inhaltskontrolle gölten damit andere Maßstäbe als für die Befristungskontrolle nach § 14 Abs. 1 TzBfG. Trotz des unterschiedlichen Prüfungsmaßstabes seien die Umstände, die eine Befristung eines Arbeitsvertrages insgesamt nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigen könnten, nicht ohne Bedeutung. Liege der Befristung ein Sachverhalt zugrunde, der die Befristung eines Arbeitsvertrages insgesamt rechtfertigen könne, überwiege in aller Regel das Interesse des Arbeitgebers an der nur befristeten Vereinbarung der Vertragsbedingung. Nur bei völlig außergewöhnlichen Umständen komme eine andere Beurteilung in Betracht. Andererseits können ausnahmsweise zur Annahme einer nicht unangemessenen Benachteiligung durch die Befristung einer Vertragsbedingung Umstände erforderlich sein, welche die Befristung des Arbeitsvertrages insgesamt rechtfertigten. Dies sei der Fall bei der Befristung einer Aufstockung der Arbeitszeit in erheblichem Umfang. Dem Teilzeit- und Befristungsgesetz liege die Wertung zugrunde, dass der unbefristete Arbeitsvertrag der Normalfall und der befristete Vertrag die Ausnahme sei. Das sozialpolitisch erwünschte – auch seinem Inhalt nach – unbefristete Arbeitsverhältnis solle dem Arbeitnehmer ein dauerhaftes Auskommen sichern und zu einer längerfristigen Lebensplanung beitragen. Für die Lebensplanung sei regelmäßig auch die Höhe des von ihm zu erzielenden Einkommens maßgeblich. Es bedürfe bei der Befristung der Arbeitszeiterhöhung, jedenfalls bei einem erheblichen Umfang, besonderer berechtigter Belange auf Arbeitgeberseite. Diese lägen nicht vor, wenn nicht auch ein gesonderter Vertrag über die Arbeitszeitaufstockung insgesamt hätte zulässig befristet werden können.
Eine Aufstockung der Arbeitszeit in erheblichem Umfang könne nur angenommen werden, wenn die Arbeitszeiterhöhung ein Volumen erreiche, bei dem üblicherweise auch der Abschluss eines gesonderten befristeten Arbeitsvertrages über eine Teilzeitbeschäftigung in Betracht gezogen werden könne. Dies sei im Regelfall anzunehmen, wenn die Aufstockung zumindest die in § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG genannte Grenze von zehn Stunden wöchentlich erreiche. Ein Arbeitszeitvolumen von zehn Wochenstunden komme typisierend als Teilzeitarbeitsverhältnis in Betracht. Ausgehend davon, dass unter einem Vollzeitarbeitsverhältnis üblicherweise ein Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden verstanden werde, setze eine Aufstockung der Arbeitszeit in erheblichem Umfang regelmäßig voraus, dass sich das Aufstockungsvolumen zumindest um 25 % eines Vollzeitarbeitsverhältnisses belaufe. Vorliegend betrage das Aufstockungsvolumen zwar nur 24,67 %. Der „krumme" Prozentsatz ergebe sich aber lediglich aus Praktikabilitätserwägungen, um bei der täglichen Arbeitszeit Bruchteile von Minuten zu vermeiden. Es sei daher von einer Arbeitszeiterhöhung in erheblichem Umfang auszugehen.
Ein sachlicher Grund für einen lediglich vorübergehenden (erhöhten) Bedarf an der Arbeitsleistung entsprechend § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG sei vorliegend nicht hinreichend dargelegt.
II. Bewertung der Entscheidung
Seit dem Jahr 2005 legt das Bundesarbeitsgericht bei der Befristung einzelner Arbeitsbedingungen den Maßstab der Inhaltskontrolle gemäß § 307 ff. BGB zugrunde. Fast beschwörend wiederholt der Senat dabei, die Maßstäbe des § 14 Abs. 1 TzBfG seien nicht – auch nicht entsprechend – anwendbar. Bei einer Aufstockung der Arbeitszeit in erheblichem Umfang kommen genau diese Maßstäbe indes wieder ins Spiel. Wenn dem Arbeitgeber nicht die Darlegung eines Befristungsgrundes im Sinne von § 14 Abs. 1 TzBfG gelingt, kann der Arbeitnehmer dauerhaft die Erhöhung der Arbeitszeit für sich reklamieren.
Für die Praxis sind damit handhabbare Leitlinien aufgezeigt. Bei genauerem Hinsehen bleiben jedoch Ungereimtheiten: Ausgangspunkt der Überlegungen ist hier die Zehn-Stunden-Grenze des § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG. Bei einer tariflichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden reicht aber eine Aufstockung um 9,625 Stunden für die Annahme eines „erheblichen" Umfangs. Bei einer tariflichen Arbeitszeit von 36 Stunden reichen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts neun Stunden aus.
Ein Arbeitnehmer, welcher sich gegen die Befristung seines Arbeitsverhältnisses wenden möchte, muss die dreiwöchige Klagefrist des § 17 TzBfG beachten. Bei der – weniger einschneidenden – Befristung einzelner Arbeitsbedingungen gilt diese Voraussetzung nicht (vorbehaltlich einer Verwirkung). Schließlich ist durch die Rechtsprechung auch keine zeitliche Untergrenze vorgegeben. Die aufgezeigten Maßstäbe dürften dementsprechend auch dann zum Tragen kommen, wenn eine Arbeitszeitaufstockung lediglich für einen Monat vereinbart wird. Eine entsprechende Heranziehung von § 14 Abs. 2 TzBfG, also eine „Aufstockung auf Probe" für einen Zeitraum von zwei Jahren, zieht das Bundesarbeitsgericht nicht einmal in Erwägung.
III. Empfehlung für die Praxis
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bestätigte die restriktiven Maßstäbe, welche bei der befristeten Aufstockung der Arbeitszeit zugrundegelegt werden. An diesen Maßstäben sollten sich Arbeitgeber im eigenen Interesse orientieren, wenn sie bei Ablauf der Befristung keine unangenehme Überraschung erleben wollen. Bezüglich der Befristungsgründe des § 14 Abs. 1 TzBfG „hängen die Früchte bekanntlich recht hoch"; dies gilt namentlich für den Befristungsgrund des vorübergehenden Arbeitsbedarfes. Ab dem 1. Januar 2019 gelten – wie angesprochen – ohnehin die neuen Voraussetzungen der „Brückenteilzeit".
Arbeitgeber sollten allerdings auch nicht aus dem Blick verlieren, dass nach diesen Grundsätze auch die Befristungen anderer Arbeitsbedingungen als der Arbeitszeit keinen kontrollfreien Raum darstellen. Als Beispiele mögen die befristete Veränderung des Arbeitsortes oder befristete Gewährung eines Home-Office-Arbeitsplatzes dienen. Für solche Fälle bestehen keine klar konturierten Vorgaben der Rechtsprechung.