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Herausforderung Compliance & Betriebsratsvergütung

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Unternehmen befinden sich in einer außerordentlich schwierigen Situation, wenn es um die Bestimmung der „richtigen“ Betriebsratsvergütung geht. Klare und verbindliche Regelungen dazu, welche Leistungen Betriebsratsmitgliedern gewährt werden können und müssen, fehlen. Erhält ein Betriebsratsmitglied eine Gehaltshöhe, Boni, Zulagen oder sonstige Leistungen, die ihm nicht zustehen, steht schnell der Verdacht im Raum, es werde auf diese Weise die Loyalität des Betriebsrates „erkauft“. Umgekehrt besteht das Risiko einer Benachteiligung, wenn das Betriebsratsmitglied eine zu geringe Vergütung erhält.
Wie jüngst – nicht nur bei Volkswagen – mehrfach der Presse zu entnehmen war, handelt es sich bei der Begünstigung oder Benachteiligung eines Betriebsratsmitglieds keineswegs allein um eine zu vernachlässigende unternehmensseitige „Petitesse“ oder einen reinen betriebsverfassungsrechtlichen Konflikt. Neben diesem bestehen – und dies macht nun erneut das LG Braunschweig in seiner Entscheidung vom 28. September 2021 (16 KLs 85/19) deutlich – erhebliche Strafbarkeitsrisiken für Vorstände und Geschäftsführer. Im Falle einer Begünstigung droht dabei der Vorwurf der Betriebsratsbegünstigung (§ 199 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) und Untreue (§ 266 StGB). Hinzukommt eine mögliche Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung, wenn beispielsweise eine unzulässige hohe Vergütung oder eine unzulässige Zulage, wie dann üblich, als Betriebsausgabe deklariert wird.

I.

Ausgangslage

Die Betriebsratsvergütung folgt dem Grundsatz, dass Mitglieder wegen ihrer Betriebsratstätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden dürfen (§ 78 S. 2 BetrVG). Die Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt aus.
So haben sie keinen Anspruch auf eine besondere Vergütung ihrer Betriebsratstätigkeit und dürfen eine solche auch nicht erhalten. Nach dem gesetzlichen Leitbild muss Betriebsratsmitgliedern genau jene berufliche und vergütungsmäßige Entwicklung zuteilwerden, „die sie ohne ihre Amtstätigkeit durchlaufen hätten“. Hierbei spielt nicht nur die Vergütung eine Rolle; vielmehr sind daneben auch Zuwendungen von geringerem wirtschaftlichen Wert, wie z. B. ein pauschaler Überstundenausgleich, die Zahlung einer Zulage, Gewährung eines besseren Dienstwagens oder sogar nur ein besonderer Funktionstitel risikobehaftet, da eine vergleichende Betrachtung in diesen Fällen weitaus weniger Beurteilungsspielräume als bei der Beurteilung der zu zahlenden Vergütung zulässt.

II.

Rechtlicher Rahmen für die Bestimmung der Betriebsratsvergütung

Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.
Ihnen ist also dasjenige Arbeitsentgelt fortzuzahlen, das sie nach dem sog. Lohnausfallsprinzip ohne Wahrnehmung der Betriebsratstätigkeit, d. h. bei Erbringung ihrer Arbeitsleistung in vollem Umfang, erhalten hätten. Das fortzuzahlende Entgelt beinhaltet dabei nicht nur das ausgefallene Grundentgelt, sondern sämtliche Leistungen, die das Betriebsratsmitglied als Gegenleistung für seine Arbeitsleistung erhalten hätte. Besonderheiten eines jeden Vergütungsbestandteils sind insoweit zu berücksichtigen.
Flankiert wird das Benachteiligungs- und Besserstellungsverbot durch § 37 Abs. 4 BetrVG, nach dem

das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden darf, als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.

Das Begünstigungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG lässt es demnach regelmäßig nicht zu, dem Betriebs-ratsmitglied wegen seiner Amtsstellung eine während der Mandatstätigkeit weiterzuzahlende Vergütung zuzusagen, die über das nach § 37 Abs. 2 bis 4 BetrVG geregelte gesetzliche Maß hinausgeht. Betriebsratsmitglieder erhielten andernfalls einen Sondervorteil gegenüber anderen Beschäftigten (vgl. BAG, Urteil vom 29.8.2018 – 7 AZR 206/17).
Für die nach der gesetzlichen Regelung erforderliche fiktive Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs des Betriebsratsmitglieds ist ein Vergleich mit einem oder mit anderen Beschäftigten, die zum Zeitpunkt der Amtsübernahme eine ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeit ausgeübt haben und dafür in ähnlicher Art und Weise fachlich und persönlich qualifiziert waren (sog. Karawane), angezeigt. Maßstab der (hypothetischen und dynamischen) Fortschreibung des Entgelts ist sodann nicht der betroffene Amtsträger selbst, sondern die berufliche Weiterentwicklung vergleichbarer Beschäftigter mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.
Ob auch entsprechende im Betriebsratsamt erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten bei der hypothetischen Betrachtung der beruflichen Entwicklung zu berücksichtigen sind, ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden. Die Zulassung dessen würde eine Bezahlung „auf Augenhöhe“ mit den Verhandlungspartnern des Betriebsrats auf Arbeitgeberseite. d. h. auf Managementniveau, eher ermöglichen und wird in der Literatur teils gefordert. Weil hierdurch die vom Gesetz geschützte unabhängige Betriebsratsausübung gefährdet sei, lehnt die wohl überwiegende Auffassung in der Literatur eine entsprechende Berücksichtigung allerdings ab. Dieser Ansicht hat sich nun auch das LG Braunschweig unter anderem mit der Begründung angeschlossen, dass gerade das Entgelt ersetzt werden soll, das ohne Betriebsratstätigkeit verdient worden wäre. Die Berücksichtigung von bei dieser erworbener Qualifikationen würde der gesetzlichen Konzeption daher zuwiderlaufen. Allerdings ist es allgemein anerkannt, dass auch über diesen Weg Karrierewege nicht eröffnet werden dürfen, die an der tatsächlichen Qualifikation des Betriebsrates vorbeigehen oder „künstlich“ geschaffen wurden.
Nicht nur die vom LG Braunschweig gestützte Ansicht hat zumeist zur Folge, dass das Arbeitsentgelt der Vergleichsgruppe nicht mehr allein die Untergrenze nach § 37 Abs. 4 BetrVG, sondern gleichzeitig die faktische Höchstgrenze einer weder benachteiligenden noch begünstigenden Betriebsratsvergütung darstellt. Die Gewährung einer höheren Vergütung als die der Vergleichsgruppe stellt in der Praxis im Hinblick auf eine Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern daher ein sehr erstzunehmendes Risiko insbesondere für Vorstände und Geschäftsführer dar.

III.

Empfehlungen für die Praxis

Es ist nicht damit zu rechnen, dass der Gesetzgeber in naher Zukunft klare und einfach zu handhabenden Regelungen schaffen wird. Folgendes ist für die praktische Handhabung der Betriebsratsvergütung daher essentiell:
Es sollten klare Bewertungs- und Entscheidungsprozesse implementiert werden, um die Thematik der Betriebsratsvergütung zu steuern. Dabei empfiehlt es sich, intern und extern rechtlichen Rat systematisch einzubeziehen (z. B. auch Compliance-Abteilung), um bei späteren Auseinandersetzungen zumindest strafrechtlichen Vorwürfen deutlich besser entgegnen zu können. Das „Outsourcing“ der Prozesse außerhalb von Human Resources hat darüber hinaus den erheblichen Vorteil, dass mit dem Betriebsrat zu verhandelnde Sachthemen nicht mit der Betriebsratsvergütung „gekoppelt“ werden können. Darüber hinaus spielt die rechtliche Einschätzung eines externen Beraters – und dies zeigt die Entscheidung des LG Braunschweig deutlich – eine maßgebliche Rolle bei der Beurteilung des Vorliegens eines vorsätzlichen Handelns der verantwortlichen Personen.
Die Vergütung eines jeden einzelnen Betriebsratsmitgliedes sollte bewertet, mit einer Vergleichsgruppenbildung hinterlegt und dokumentiert werden. Sollten sich in tatsächlicher Hinsicht Änderungen ergeben, beispielsweise durch das Ausscheiden von Vergleichsmitarbeitern, ist zu prüfen, ob eine neue Bewertung vorzunehmen ist. Bei Zweifeln im Rahmen der Bestimmung einer Vergleichsgruppe kann und sollte zur Absicherung rechtlicher Rat hinzugezogen werden.
In gleicher Weise sollten die sonstigen Leistungen an Betriebsratsmitglieder, wie beispielsweise Zulagen, Boni, Ausgleichsleistungen auf den Prüfstand gestellt und notwendigenfalls angepasst werden.
Nach § 37 Abs. 4 BetrVG muss die Vergütung laufend an die „vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung“ angepasst werden. Nicht nur aus diesem Grund empfiehlt sich eine Bestimmung der Vergleichsgruppe unmittelbar zu Beginn der Betriebsratstätigkeit. Die ohnehin teils mühsame Identifikation von vergleichbaren Beschäftigten stößt in der Praxis erfahrungsgemäß insbesondere bei Auswahl im dieser im Nachhinein – teils nach jahrelanger Freistellung des Betriebsratsmitglieds – auf Schwierigkeiten. Weiter sollten Entscheidungsprozesse definiert werden, die diesen Prozess systematisieren.
Sollten Sie Fragen zum Thema Betriebsratsvergütung und Compliance haben, kontaktieren Sie gerne unser Expertenteam.

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