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Internal Investigations – und ihre Grenzen
Internal Investigations – dieser Begriff ist längst auch in Deutschland geläufig. Was nach true crime und Geheimoperationen klingt, ist zunächst einmal nichts anderes als die Durchführung einer internen Untersuchung innerhalb eines Betriebs auf Betreiben der Unternehmensführung zur Aufklärung von unternehmensbezogenen Rechtsverstößen. Ihren Ausgangspunkt haben sie zumeist in der Meldung möglicher Rechtsverstöße durch eigene Beschäftigte oder Dritte. Ziel der Untersuchung ist es, den Sachverhalt aufzuklären, um anschließend über die Notwendigkeit und genaue Ausgestaltung von Maßnahmen zur Kompensation bereits erfolgter bzw. Verhinderung zukünftiger Verstöße entscheiden zu können.
I.
Grundsätzlich keine Pflicht zur Einleitung von Internal Investigations, aber …
In der weit überwiegenden Anzahl der Fälle geht es entgegen der mit dem Begriff der Internal Investigations verknüpften Erwartung/Vorstellung nicht um die Aufdeckung weitreichender Korruptionsskandale mit Schäden in Millionenhöhe oder anderer schwerwiegender Straftaten.
Das Gros der Fälle dreht sich um kleinere Verstöße oder Ordnungswidrigkeiten, die es zwar nicht in die Presseberichterstattung schaffen, für die betroffenen Unternehmen jedoch von großer Bedeutung sind. Daher sind Unternehmen, anders als die Staatsanwaltschaft, gesetzlich auch nicht verpflichtet, im Falle eines Anfangsverdachts hinsichtlich eines möglichen Rechtsverstoßes Ermittlungen aufzunehmen.
Dennoch besteht eine solche Verpflichtung jedenfalls mittelbar aus der Geltung u. a. dienst- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften. Unternehmen haben sowohl gegenüber ihren Beschäftigten als auch bestimmten Dritten (bspw. Geschäftspartnern oder Anteilseignern) die Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Im Falle eines Rechtsverstoßes bedeutet dies, die erforderlichen Maßnahmen einzuleiten, um drohende Schäden abzuwenden und bereits entstandene bspw. durch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zu kompensieren. Tun sie dies nicht, machen sie sich ggf. sogar selbst schadensersatzpflichtig. Schließlich kann aufgrund der Fürsorgepflicht gegenüber der beschuldigten Person die Einleitung einer internen Untersuchung gegenüber der Erstattung einer Strafanzeige vorrangig sein, weil die mit der Eröffnung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens verbundenen Belastungen regelmäßig deutlich schwerer wiegen. Im Ergebnis sind Unternehmen somit streng genommen nicht völlig frei in der Entscheidung, ob interne Ermittlungen eingeleitet werden oder man die Sache „auf sich beruhen lässt.“
II.
Das einzuhaltende Verfahren
So wie es keine unmittelbare Pflicht zur Einleitung einer internen Untersuchung gibt, existieren (bislang) auch keine gesetzlichen Vorschriften zur Ausgestaltung des dann einzuhaltenden Verfahrens.
Sowohl das Verbandssanktionengesetz als auch und insbesondere das Hinweisgeberschutzgesetz enthalten in ihren Entwürfen Regelungen zum einzuhaltenden Verfahren bei der Meldung von potentiellen Pflichtverstößen. Beide Vorlagen sind bisher allerdings nicht über das Entwurfsstadium hinausgekommen.
Gleichwohl bewegen sich Unternehmen bei der Durchführung interner Untersuchungen nicht im rechtsfreien Raum. Bestimmte Verfahrensregeln und Grundsätze sind zwingend einzuhalten – andernfalls drohen Regressansprüche sowie das Risiko von Beweisverwertungsverboten, die den Erfolg der Ermittlungen insgesamt gefährden.
So ist eine Kündigung, die auf unter Verletzung der Persönlichkeitsrechte der beschuldigten Person gewonnenen Erkenntnissen beruht, in der Regel unwirksam, weil diese Erkenntnisse einem Beweisverwertungsverbot unterliegen und somit im Kündigungsschutzverfahren nicht herangezogen werden können.
Im Zuge von Internal Investigations kommen die Interessen ganz unterschiedlicher Beteiligter zum Tragen: Zum einen die der mutmaßlich geschädigten Person bzw. Personen. Daneben hat insbesondere das Unternehmen ein hohes Interesse daran, den wahren Sachverhalt aufzuklären, um die richtigen Maßnahmen ergreifen zu können. Auf der anderen Seite stehen die Rechte der beschuldigten Person (vor allem Persönlichkeitsrechte und Datenschutz), die – ähnlich wie im Strafverfahren – nicht per se hinter dem Interesse an der Wahrheitsfindung zurückstehen. Schließlich kommen Beteiligungsrechte etwaig gebildeter Beschäftigtenvertretungen in Betracht. Diese bilden, gemeinsam mit den zwingenden Vorschriften insbesondere der Strafprozessordnung (StPO), zugleich die äußeren Grenzen für die Internal Investigations. Insoweit bewegen sich die Personen, welche die Ermittlungen durchführen, bei der Aufklärung des Sachverhalts auf einem schmalen Grat.
Daneben unterwerfen sich manche Unternehmen auch freiwillig engeren Grenzen, indem sie mit der Beschäftigtenvertretung eine Vereinbarung zur Implementierung eines eigenen Meldesystems und -verfahrens vereinbaren.
III.
Wer führt (sinnvollerweise) die internen Ermittlungen?
Interne Untersuchungen können – müssen aber nicht – durch interne Stellen (bspw. die Revisionsabteilung, eine eigens eingerichtete interne Beschwerdestelle oder die Personalabteilung) geführt werden.
Insbesondere kleinere Unternehmen, die weder über ausreichende personelle Kapazitäten noch das erforderliche Knowhow verfügen, um die teils komplexen, nicht selten auch hochbrisanten Sachverhalte zu bearbeiten, greifen zur Durchführung der Aufklärungsarbeiten häufig auf externe Stelle wie etwa Anwaltskanzleien zurück.
Dies hat gleich mehrere Vorteile:
Bei der Frage, wie auf einen Rechtsverstoß reagiert werden kann, ist es oftmals entscheidend, welche Personen seit wann Kenntnis von bestimmten Tatsachen haben. So ist eine außerordentliche Kündigung beispielsweise nur innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt, zu dem eine kündigungsberechtigte Person Kenntnis von dem potentiellen Kündigungssachverhalt erlangt hat, möglich. Der Lauf der Frist kann durch die Aufnahme von Ermittlungen gehemmt werden. Dies setzt jedoch voraus, dass die Ermittlungen zügig und mit der gebotenen Eile geführt werden. Durch die Beauftragung externer Dritter wird daher zum einen das Risiko minimiert, dass kündigungsberechtigte Personen Kenntnis erlangen und damit die Frist beginnt. Zum anderen wird verhindert, dass der Sachverhalt im Alltagsgeschäft liegen bleibt und so die Zwei-Wochen-Frist zum Ausspruch der – später nicht mehr möglichen – außerordentlichen Kündigung „gerissen“ wird. Außerdem werden externe Anlaufstellen von den Beschäftigten eher als neutral angesehen im Vergleich zu einer von der Geschäftsleitung installierten internen Beschwerdestelle.
IV.
Grds. besteht eine Auskunfts- und Mitwirkungspflicht – und zwar sowohl für Zeug*innen als auch für Beschuldigte selbst
Aufgrund seines Weisungsrechts ist der Arbeitgeber berechtigt, seine Beschäftigten zu befragen – welche nicht nur an der Befragung teilnehmen, sondern in der Regel auch die verlangten Auskünfte erteilen müssen.
Verweigern sie pflichtwidrig die Mitwirkung, kann der Arbeitgeber darauf mit einer Abmahnung und im Einzelfall sogar mit einer Kündigung reagieren. Personen, die als Vorgesetzte mit der Kontrolle der ihnen unterstellten Mitarbeitenden beauftragt wurden, haben darüber hinaus die Verpflichtung, beobachtete Missstände und mögliche Rechtsverstöße der Geschäftsleitung anzuzeigen. Die Auskunftspflicht gilt nicht nur für potentielle Zeug*innen. Auch die beschuldigte Person selbst muss wahrheitsgemäße Angaben machen. Anders als im Strafrecht findet der nemo-tenetur-Grundsatz im Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Die beschuldigte Person muss sich folglich im Zweifelsfall sogar selbst belasten. Daher ist der Arbeitgeber in der Regel auch nicht verpflichtet, die beschuldigte Person vorab über mögliche Folgen ihrer Aussage zu belehren. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der offenzulegende Sachverhalt nur arbeitsrechtlich, nicht aber auch strafrechtlich relevant ist.
Die Grenzen zwischen (nur) arbeitsrechtlicher und (auch schon) strafrechtlicher Relevanz sind je nach Konstellation fließend, so dass es im Einzelfall doch zu einem Beweisverwertungsverbot im Gerichtsverfahren kommen kann, wenn der beschuldigten Person das Recht zur Aussageverweigerung verwehrt wird. Daher sollten die auch dem Arbeitsrecht nicht fremden Grundsätze des fairen Verfahrens zwingend eingehalten und die betroffene Person auf die möglichen Folgen ihrer Aussage hingewiesen werden.
Dagegen ist es nicht erforderlich, die betroffene Person vorab über den Inhalt des anstehenden Gesprächs zu informieren. Es empfiehlt sich jedoch, den Anlass für die Befragung wenigstens kurz in der Einladung zu skizzieren, damit der betroffenen Person ermöglicht wird, sich wenigstens in groben Zügen auf den Termin vorzubereiten. Ebenso wenig muss der Arbeitgeber dem Wunsch der betroffenen Personen auf Hinzuziehung eines Mitglieds der zuständigen Beschäftigtenvertretung oder sogar einer anwaltlichen Begleitperson nachkommen. Der Betriebsrat beispielsweise kann lediglich verlangen, darüber informiert zu werden, dass überhaupt ein Gespräch stattfindet. Rechtsbeistand ist aus Gründen der Waffengleichheit allenfalls dann zuzulassen, wenn auch die Unternehmensseite für das Gespräch anwaltliche Unterstützung hinzuzieht.
Im Rahmen des Gesprächs mit der beschuldigten Person ist der Sachverhalt so konkret wie möglich zu schildern, damit die beschuldigte Person in die Lage versetzt wird, sich substantiell einzulassen und die Vorwürfe qualifiziert zu bestreiten. Dies setzt in der Regel auch die Nennung von Ort, Zeit und beteiligter Personen voraus. Hat das Unternehmen den meldenden Personen auf deren Verlangen hin Anonymität zugesichert und sieht es sich an diese Zusage gebunden, kann dies im Ergebnis dazu führen, dass eine objektiv zu Recht ausgesprochene Kündigung einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhält, weil das darlegungs- und beweisbelastete Unternehmen die erforderlichen Nachweise aufgrund der Vertraulichkeitszusage nicht erbringen kann. Es sollte daher vorab sorgfältig abgewogen werden, ob die Vorwürfe auch auf anderem Wege belegt werden können oder sie so schwer wiegen, dass der Ausspruch einer Kündigung gleichsam alternativlos ist, da das Absehen von Maßnahmen ein fatales Signal an die übrige Belegschaft senden kann.
V.
Was ist neben Befragungen noch erlaubt?
Neben den Aussagen von Beschäftigten und Dritten kommen zudem die aus der Durchführung weiterer Maßnahmen gewonnenen Erkenntnisse als Beweismittel in Betracht.
Bei entsprechendem Anfangsverdacht sind Unternehmen unter Einhaltung der sonstigen Anforderungen befugt, Taschenkontrollen durchzuführen sowie Spinde, E-Mail-Postfächer und von ihnen zur Verfügung gestellte Arbeitsmittel wie Computer und die darauf befindlichen Dateien zu durchsuchen. Soweit den Beschäftigten diese zur freien Verfügung überlassen worden sind und sie daher nicht ohne weiteres mit einer Kontrolle durch den Arbeitgeber rechnen müssen, dürfen derartige Durchsuchungen nur in Anwesenheit oder Zustimmung der betroffenen Person erfolgen. Andernfalls drohen Beweisverwertungsverbote.
Ebenfalls zulässig ist es dem Grunde nach, den Arbeitsplatz der beschuldigten Person zu kontrollieren und nach Hinweisen abzusuchen. Besondere Herausforderungen ergeben sich aufgrund des Grundrechts auf die Unverletzlichkeit der Wohnung, wenn die beschuldigte Person (auch) aus dem Homeoffice heraus tätig wird. Bei der Verwertung von Videoaufnahmen stellen sich neben der nach der Rechtfertigung des damit verbundenen Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, insbesondere datenschutzrechtliche Fragen. Besteht der begründete Verdacht einer Straftat, führt ein Verstoß gegen die Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung DS-GVO bzw. des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) in der Regel für sich genommen nicht zu einem Beweisverwertungsverbot, kann aber Schadensersatzansprüche der betroffenen Person auslösen. Anders kann dies sein, wenn die Aufnahmen heimlich gemacht worden sind. Dies gilt auch im Fall des versteckten Einsatzes anderer Überwachungsinstrumente, wie etwa Keylogging.
VI.
Fazit / Empfehlungen
Insbesondere mit Blick auf die durchschnittliche Dauer staatlicher Ermittlungsverfahren ist die – je nach Einzelfall parallele, vorgeschaltete oder alternative – Einleitung einer internen Untersuchung nicht selten die vorzugswürdige Variante.
Bei der Art und Weise der Durchführung sind die Unternehmen zwar nicht vollkommen autark und haben bestimmte Verfahrensgrundsätze einzuhalten. Indes finden die strengen Maßstäbe der StPO im Arbeitsverhältnis keine unmittelbare Anwendung, so dass die Unternehmen bei der Ermittlung sowie der anschließenden Durchsetzung der Ansprüche insgesamt freier sind. Dadurch werden sie in die Lage versetzt, die festgestellten Missstände deutlich schneller zu beseitigen und weiteren Schaden abzuwenden. Sachkundige Dritte wie Anwaltskanzleien können dabei eine hilfreiche Unterstützung sein.
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Über den Autor
Dr. Maren Henseler ist seit Anfang 2018 als Rechtsanwältin bei der Sozietät Küttner tätig. Ihr besonderer Schwerpunkt liegt im Bereich der Compliance, insbesondere bei der Einführung von Compliance- und Whistleblower-Systemen sowie der Durchführung von Internal Investigations. Darüber hinaus verfügt Frau Dr. Henseler über besondere Expertise im Bereich des Sportarbeitsrechts.