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Workation und Sabbatical – Werbung neuer und Bindung bewährter Fachkräfte

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Der Kampf um Fachkräfte ist groß. Selten war der Markt so arbeitnehmerfreundlich wie heute. Gleichzeitig befinden wir uns weiterhin in einer Rezession.
Während es essentiell ist, auf ein bestens ausgebildetes Team zurückgreifen zu können, müssen Unternehmen in der Lage sein, auch kurzfristig auf die wirtschaftliche Lage reagieren zu können. Richtig eingesetzt können Workation und Sabbatical in dem viel zitierten war of talents hilfreiche Instrumente sein. Wie dies gelingen kann und was Unternehmen bei der Ausgestaltung beachten müssen, lesen Sie hier.

Blogserie: Fachkräftemangel

Der Fachkräftemangel belastet Unternehmen weltweit. Qualifizierte Arbeitskräfte sind knapp, was die Produktivität hemmt und Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. In unserer Blogreihe möchten wir Ihnen unterschiedliche Möglichkeiten aus Sicht des Arbeitsrechts aufzeigen, die Ihr Unternehmen attraktiver machen können im harten Wettbewerb um Mitarbeitende.


Autorin dieses Beitrags

Dr. Maren Henseler

sowie Sandra Latzko (wissenschaftliche Mitarbeiterin)

I.

Keine Workation, kein Vertragsabschluss: Flexibles Arbeiten als Fachkräfte-Magnet

In einer kürzlich durchgeführten Befragung gaben 62 % der Befragten an, bei der Jobwahl das Unternehmen vorzuziehen, das die Möglichkeit einer jährlichen Workation anbietet.
51 % davon würden dafür sogar auf Gehalt verzichten, 40 % auf eine Gehaltserhöhung. Die Möglichkeit einer Workation, von Bleisures und/oder eines Sabbaticals sind längst keine Nice-to-haves mehr, mit denen Unternehmen sich positiv gegenüber der Konkurrenz hervorheben können. Im Gegenteil kann das fehlende Angebot solcher Modelle der ausschlaggebende Punkt sein, warum die umworbene Fachkraft sich für ein anderes Unternehmen entscheidet.

Workation

Workation = work (Arbeit) + vacation (Urlaub). Bei der Workation kann die geschuldete Tätigkeit für einen bestimmten Zeitraum von jedem beliebigen Ort aus, auch aus dem Ausland, erbracht werden.

Sabbatical

Bei einem Sabbatical (auch Sabbatjahr) wird das Arbeitsverhältnis für einen vereinbarten Zeitraum ruhend gestellt, es muss also keine Arbeitsleistung erbracht werden. Die gängigsten Ausgestaltungsmöglichkeiten sind die über ein zuvor angespartes Arbeitszeitguthaben oder als unbezahlter Urlaub.

II.

Workation: Das Büro mit Meerblick?

Die Workation verknüpft mobiles Arbeiten mit Aspekten des Urlaubs. Obschon auch das Inland den ein oder anderen Meerblick bietet, an dem eine Workation stattfinden kann, zielen Anfragen meist auf den ausländischen Sandstrand. Indes liegen auch hier die meisten Fallstricke: Ist das Homeoffice unter Palmen auf eine gewisse Dauer angelegt, gilt es, bestimmten Aspekten des Arbeits-, Sozialversicherungs- und auch des Steuerrechts eine erhöhte Aufmerksamkeit zukommen zu lassen – und zwar am besten vor Beginn der Auslandsreise.

Aus den Augen, aus dem Sinn?

Möchte man in ein fremdes Land und dessen Kultur abtauchen, ist es ratsam, sich den dortigen Gepflogenheiten anpassen. Grundsätzlich gilt auch im Arbeitsrecht, dass das Recht des jeweiligen Beschäftigungsorts auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Bei lediglich vorübergehenden Tätigkeiten aus dem Ausland bleibt Deutschland der gewöhnliche Tätigkeitsort und damit deutsches Recht anwendbar. Gleichwohl empfiehlt es sich, in einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag, in der die während der Workation maßgeblichen Vertragsbedingungen geregelt werden, ausdrücklich die Geltung deutschen Rechts zu vereinbaren (sog. Arbeitsvertragsstatut).
Auch das Arbeitsvertragsstatut hat jedoch seine Grenzen: Gibt es im Recht des jeweiligen ausländischen Staats zwingende Vorgaben, die eine im Vergleich zum deutschen Recht günstigere Regelung für die Beschäftigten treffen, kann deren Anwendung auf das Arbeitsverhältnis nicht wirksam ausgeschlossen werden. Zu denken ist in diesem Zusammenhang vor allem an öffentlich-rechtliche Vorschriften zum Mindestlohn, zur Höchstarbeitszeit oder zum Arbeitsschutz.

Folgende weitere Aspekte sollten durch die zu schließende Zusatzvereinbarung geregelt werden:

  • Die (befristete) Dauer und der Ort der Tätigkeit im Ausland;
  • Lage und Verteilung der Arbeitszeit;
  • Vereinbarung eines Rückholrechts des Unternehmens und dessen Voraussetzungen;
  • Kostentragungspflicht der Beschäftigten hinsichtlich der im Zusammenhang mit der Reise entstehenden Kosten (z. B. Reisekosten, Unterkunft, Auslandskrankenversicherung, ggf. erforderliche Impfungen, behördliche Bescheinigungen, vorzeitige Rückkehr)

Bei Auslandsaufenthalten, deren Länge vier aufeinanderfolgende Wochen übersteigt, kann der Abschluss einer solchen Vereinbarung den Arbeitgeber auch von einem sonst obligatorischen Nachweisschreiben befreien. Näheres zu Anforderungen des Nachweisgesetzes in unserem Blog.

Soweit im Unternehmen ein Betriebsrat gebildet ist, sind dessen Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte zu berücksichtigen. Während eine von der beschäftigten Person erbetene Verlagerung des Tätigkeitsorts ins Ausland in der Regel keine mitbestimmungspflichtige Versetzung darstellt, sind bei einer flächendeckenden Einführung mobiler Arbeit im Ausland jedoch weitergehende Mitbestimmungsrechte zu beachten. Dies gilt etwa bei der Verpflichtung der Arbeitszeiterfassung mittels einer bestimmten Software sowie hinsichtlich der Ausgestaltung und Durchführung mobiler Arbeit.

Unfall im ausländischen Homeoffice: Zahlt die deutsche Krankenversicherung?

Daneben können längerfristige Auslandsaufenthalte Auswirkungen in sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Hinsicht haben, denn auch diesbezüglich wird auf den Beschäftigungsort abgestellt. Bei einer regelmäßigen Auslandstätigkeit innerhalb der EU bleibt dieser trotz Ortswechsels in Deutschland, sofern der/die Mitarbeitende seinen Wohnsitz weiterhin in Deutschland hält und
  • dort mindestens 25 % der Tätigkeit erbringt oder
  • weniger als 25 % der Tätigkeit in Deutschland erbringt, der Sitz des Anstellungsunternehmens jedoch in Deutschland ist.
Bisher war unklar, welche Regelungen auf unregelmäßige Auslandstätigkeiten wie eine einmalige Workation anzuwenden sind. Zum 1. Juli 2023 haben sich die EFTA-Staaten auf eine Ausnahmeregelung verständigt. Danach kann für eine Workation, die als Unterfall der Entsendung eingeordnet wird, auf Antrag die Geltung des Sozialversicherungsrechts des „Entsendestaats“ festgestellt werden.
Bei Auslandsaufenthalten außerhalb der EU richtet sich das anwendbare Sozialversicherungsrecht nach dem mit dem jeweiligen Staat abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommen. Bei kürzeren Auslandstätigkeiten bleibt die inländische Steuerpflicht in der Regel bestehen
Der besonders relevante Aspekt des Lohnsteuerrechts richtet sich schließlich nach der bekannten 183-Tage Regel: Mitarbeitende bei in Deutschland ansässigen Unternehmen, deren Arbeitsumfang in einem anderen Staat 183 Tage nicht überschreitet, bleiben weiter in Deutschland steuerpflichtig. Weitere Aspekte wie u. a. die Frage, wann die Gründung einer möglicherweise steuerpflichtigen Betriebsstätte im Ausland angenommen wird, sind in den zwischen den beteiligten Staaten geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen geregelt.

III.

(Nicht nur) am siebten Tag sollst du ruhen: Mit dem Sabbatical neue Anreize schaffen

Anders als bei der Workation hat die Auslandsreise im Rahmen eines Sabbaticals keine Auswirkungen auf das anzuwendende Recht. Das macht die geplante Auszeit jedoch nicht weniger regelungsbedürftig. Gerade weil hier eine Fachkraft für längere Zeit ausfällt, müssen Modelle entwickelt werden, die zum Unternehmen und auch zu den Mitarbeitenden passen.

Ob unbezahlter Langzeiturlaub oder Abbau eines Zeitguthabens: Es geht immer ans Konto

Anders als im Anwendungsbereich des TVöD / Anders als im öffentlichen Dienst gibt es in der Privatwirtschaft keinen gesetzlich geregelten Anspruch auf ein Sabbatjahr, so dass die Arbeitsvertragsparteien in der Ausgestaltung im Wesentlichen frei sind. Bei den folgenden zwei Varianten handelt es sich um die gängigsten Formen der Durchführung:

Unbezahlter Langzeiturlaub

Hier werden Mitarbeitende für eine im Voraus vereinbarte Dauer freigestellt. Während dieser Zeit wird den Beschäftigten weder Gehalt gezahlt noch werden Sozialversicherungsbeiträge geleistet. Diese Variante scheint daher nur auf den ersten Blick attraktiv für Unternehmen: Für Mitarbeitende ist der unbezahlte Langzeiturlaub vor allem eine finanzielle Herausforderung, weshalb er als Werkzeug der Fachkräftegewinnung und Bindung im Regelfall ungeeignet ist.

Bezahlter Langzeiturlaub durch Aufbau eines Zeitguthabens

Am weitesten verbreitet ist der Weg über ein Langzeitarbeitskonto. Bei diesem Modell, welches seinerseits unterschiedliche Spielmöglichkeiten kennt, erbringen Beschäftigte zunächst unvergütete Mehrarbeit, welche sie auf ein Arbeitszeitkonto einzahlen. Das angesparte Guthaben bauen sie sodann während der Freistellungsphase ab. Nicht zuletzt, weil die Mitarbeitenden bei dieser Variante des Sabbaticals in Vorleistung treten, sind die Parteien bei der Gestaltung an gewisse gesetzliche Vorgaben gebunden. So muss das angesparte Wertguthaben zwingend gegen Insolvenz gesichert werden. Außerdem ist der Weg über das Arbeitszeitkonto etwas weniger flexibel als der über den unbezahlten Langzeiturlaub, da die Dauer der Freistellung gewissermaßen durch die Höhe des angesparten Guthabens vorgegeben wird. Gleichzeitig führt dies sowohl für die Mitarbeitenden als auch das Unternehmen zu deutlich mehr Planungssicherheit und somit Attraktivität.
Soll Mitarbeitenden die Möglichkeit eines Sabbaticals eingeräumt werden, empfiehlt es sich, dessen Voraussetzungen sowie dessen Durchführung möglichst genau zu regeln. Zwar besteht das Arbeitsverhältnis während des Sabbaticals rechtlich fort, weshalb Rücksichtnahmepflichten, vertragliche Wettbewerbsverbote sowie Geheimhaltungsobliegenheiten weiterhin einzuhalten sind. Ohne gesonderte Absprache gilt ein Sabbatical aber als berücksichtigungsfähige Zeit bei der Berechnung der Betriebszugehörigkeit sowie des Urlaubsanspruchs. Hierauf gerichtete Vereinbarungen schaffen Klarheit für Unternehmen und Beschäftigte.

IV.

IV. Fazit

„Was du liebst, lass frei“, das mag in erster Linie ein romantischer Spruch sein, doch findet sich darin auch etwas Wahrheit für die Gewinnung und Bindung von Fachkräften.
Gewähren Unternehmen ihren Beschäftigten die Freiheit, auch ihr berufliches Leben flexibel zu gestalten, wird dies nicht nur durch eine langfristige Betriebstreue bewährter Kräfte belohnt. Gleichzeitig können Unternehmen so ihre Chancen auf dem heiß umkämpften Fachkräftemarkt deutlich erhöhen.
Gern unterstützen wir Sie dabei, ein auf die Bedürfnisse Ihres Unternehmens zugeschnittenes Modell zu entwickeln und vertraglich zu gestalten. Sprechen Sie uns an!

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