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Mitbestimmung des Personalrates bei der Einführung eines freiwilligen (digitalen) Personalfragebogens

fragebogen-digital
Der Inhalt von Personalfragebögen unterliegt der Mitbestimmung. Dies gilt gleichermaßen für das Bundespersonalvertretungsrecht (§ 76 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BPersVG), wie für die meisten Landespersonalvertretungsgesetze und das Betriebsverfassungsrecht (§ 94 Abs. 1 S. 1 BetrVG). Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in einer jüngeren Entscheidung (Beschluss vom 29.07.2021 – 5 P 2/20) mit dem Bestehen der Mitbestimmungspflicht auseinander gesetzt, wenn die Nutzung der Personalfragebögen freiwillig ist. Es grenzt sich insoweit ab von zwei Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes, welche ähnliche Sachverhalte zum Inhalt hatten (Beschlüsse vom 21.11.2017 – 1 ABR 47/16 und 11.12.2018 – 1 ABR 13/17).

I.

Die Entscheidung

Die im Hamburg ansässige Arbeitgeberin (ein Klinikum) führte das elektronische Bewerbermanagementsystem „SAP E-Recruiting“ ein. Dieses sollte den Auswahlprozess bei Stellenausschreibungen standardisieren und verschlanken, die Übernahme von Daten bei Einstellungen vereinfachen und internen und externen Bewerber*innen ein zeitgemäßes Bewerbungsmedium bieten.
Über eine Benutzeroberfläche wird ihnen ermöglicht, Stellenausschreibungen zu sichten, sich zu registrieren und ihr Profil zu hinterlegen, um sich auf eine ausgeschriebene Stelle zu bewerben und bei künftig zu besetzenden Stellen berücksichtigt zu werden. Die abtrennbare Komponente „Kandidatenprofil“ enthält dabei Registerkarten, mit denen zahlreiche personenbezogene Angaben über Ausbildungen, Berufserfahrungen, Qualifikationen und Präferenzen abgefragt werden, wobei die Nutzer*innen des Systems selbst bestimmen, welche dieser Fragen sie beantworten. Auch die Nutzung an sich ist freigestellt. Bewerbungen, die auf anderem Wege eingehen, werden von dem Geschäftsbereich Personal in das System eingepflegt.
Der Personalrat reklamierte ein Mitbestimmungsrecht nach dem HbmPersVG. Zwischen den Beteiligten stand zu Recht nicht im Streit, dass es sich bei dem System“ SAP E-Recruiting“ um eine technische Einrichtung im Sinne des Mitbestimmungstatbestandes handelt. Das Bundesarbeitsgericht hatte jüngst in einer viel beachteten Entscheidung (Beschluss vom 8.03.2022 – 1 ABR 20/21) die Mitbestimmungspflicht der Einführung von Microsoft Office 365 festgestellt. Umstritten war vorliegend dem gegenüber, ob auch ein Mitbestimmungsrecht gem. § 88 Abs. 1 Nr. 23 HmbPersVG bestand. Danach hat der Personalrat bei der Bestimmung des Inhalts von Personalfragebogen mitzustimmen.
Im Ansatz waren sich die Beteiligten einig, dass es sich bei der Komponente „Kandidatenprofil“ um einen Personalfragebogen in diesem Sinne handelt. Die entscheidende Frage war vielmehr, ob die Mitbestimmungspflicht aufgrund des Umstands entfiel, dass die Verwendung des Personalfragebogens für die Betroffenen freigestellt war. Das Bundesverwaltungsgericht verneint diese Frage im Ergebnis und prüfte - ganz schulmäßig - anhand des klassischen Auslegungskanons. Der Wortlaut der Norm enthalte keine Einschränkung bezüglich der Freiwilligkeit. Die Systematik des Gesetzes spreche für die Mitbestimmungspflicht. In einer Reihe von Bestimmungen sei ausdrücklich geregelt, dass die Mitbestimmung bei Einwilligung der Betroffenen entfalle. Daraus sei im Gegenschluss zu folgern, dass in den übrigen Fällen die Mitbestimmungspflicht auch bei Freiwilligkeit bestehen bleibe. Schließlich sprächen auch Sinn und Zweck für diese Auslegung. Der Schutzzweck des Mitbestimmungsrechtes bestehe generell darin, den Schutz der Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten einschließlich der Bewerber*innen zu verstärken. Der Personalrat solle im Einzelnen verhindern können, dass sie Fragen des Arbeitgebers beantworten müssen, die erkennbar in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis stünden. Insbesondere Fragen, die tief in die verfassungsrechtlich geschützte Persönlichkeitssphäre eindringen, sollen auf die Gegenstände und den Umfang beschränkt bleiben, für die ein berechtigtes Auskunftsbedürfnis der Arbeitgeber*innen bestehe. Der Personalrat solle auch darüber wachen, ob es gerechtfertigt sei, Beschäftigte – wenn auch vielleicht nur mittelbar – zu einer sie unter Umständen belastenden Selbstbeurteilung zu veranlassen. Insoweit bestehe kein Widerspruch zu den benannten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes. Dieses hatte ein Mitbestimmungsrecht gem. § 94 Abs. 1 S. 1 BetrVG bei freiwilligen Mitarbeiterbefragungen abgelehnt. Allerdings unterschied sich der zugrunde liegende Sachverhalt: Das Bundesarbeitsgericht hatte über eine freigestellte, anonymisierte Mitarbeiterbefragung zur Situation der Arbeitnehmer im Betrieb zu entscheiden, bei denen die Teilnahme oder Nichtteilnahme für die Beschäftigten keine Konsequenzen im Sinne eines Vorteils oder Nachteils hatte. Demgegenüber werde das „Kandidatenprofil“ im Rahmen von Bewerbungsverfahren eingesetzt, bei denen Stellenbewerber*innen eigene Interessen verfolgten und – solle eine entsprechende Bewerbung nicht von vornherein ohne Erfolgsaussichten sein – zur Vermeidung von Nachteilen zwangsläufig Angaben zu ihrer Person und ihrem persönlichen und beruflichen Werdegang machen werden, sofern sie sich für die Nutzung des Systems entschieden.

II.

Bewertung und praktische Auswirkungen

Das Bundesverwaltungsgericht ist erkennbar bemüht, keine Brüche zwischen seiner Rechtsprechung und der des Bundesarbeitsgerichtes auftreten zu lassen. Die Unterscheidung zwischen freiwilligen Personalfragebogen, die für die Betroffenen Konsequenzen haben können ( = mitbestimmungspflichtig) und solchen, die erkennbar keine Konsequenzen haben können ( = nicht mitbestimmungspflichtig), ist natürlich äußerst feinsinnig.
Dennoch ist die Differenzierung vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der Norm überzeugend. Der Personalrat / der Betriebsrat soll verhindern, dass Betroffene sich in unzulässiger Weise „outen“ müssen. Diese Gefahr kann auch bei formal freiwilligen Personalfragebogen bestehen, wenn die Nichtteilnahme jedoch eine Einstellung oder Beförderung gefährdet. Kein Mitbestimmungsrecht besteht demgegenüber hinsichtlich der Einhaltung der Datenschutzregelungen, da es sich insoweit um gesetzliche Regelungen handelt.
Die Leitlinien sind nun durch die höchstrichterlichen Entscheidungen klar gezogen. Arbeitgeber*innen sowie Personal- und Betriebsräte können (und sollten) sich daran orientieren.

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