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Mitbestimmung des Personalrats bei sozialen Medien – Die Positionierung des Bundesverwaltungsgerichts

mitbestimmung
Soziale Medien haben ihren Einzug in den Arbeitsmarkt längst begonnen und erfreuen sich schon seit einiger Zeit bei Arbeitgebern sämtlicher Branchen großer Beliebtheit.
Angesichts der weiter fortschreitenden Digitalisierung und der stetig wachsenden Relevanz einer schnelllebigen und vernetzten Arbeitswelt dürfte sich dieser Trend in der nahen Zukunft noch verstärken. Diese Entwicklung macht auch vor dem öffentlichen Dienst keinen Halt. Öffentliche Arbeitgeber setzen vermehrt auf eine Präsenz in sozialen Netzwerken, um über ihre Tätigkeiten zu informieren und so etwa das Interesse von potentiellen Bewerber*innen zu wecken. Hierbei stellt sich stets die Frage, ob und inwieweit der Personalrat bei der Nutzung von sozialen Medien zu beteiligen ist. Hierzu hat sich nun das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) erstmals geäußert.

I.

Die bisherige Positionierung der Rechtsprechung

Bereits seit längerer Zeit musste sich die Rechtsprechung mit dem Thema befassen und klären, ob in dem Betreiben einer Seite oder eines Accounts auf einer sozialen Plattform eine technische Einrichtung zur Überwachung der Leistung und des Verhaltens von Beschäftigten zu sehen ist, deren Einrichtung oder Anwendung der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt.

Zur Frage der Mitbestimmung haben das Bundesarbeitsgericht (BAG) und die Oberverwaltungsgerichte in der Vergangenheit unterschiedliche Ansichten vertreten. So hat das BAG im Jahre 2016 in seiner „Facebook-Entscheidung“ (Beschl. v. 13.12.2016 – 1 ABR 7/15) festgestellt, dass der Betrieb einer Facebook-Seite durch einen Arbeitgeber dann der Mitbestimmung unterliege, wenn in Form der sogenannten „Besucher-Beiträge“ für Dritte die Möglichkeit gegeben ist, unmittelbar eigene Beiträge auf der Seite zu veröffentlichen, da dadurch für Dritte die Option zur Veröffentlichung von Stellungnahmen betreffend Leistung und Verhalten der Beschäftigten bestehe. Dass allein das Sammeln von Informationen hierbei mittels einer technischen Einrichtung erfolgt, soll bereits ausreichen, um die Erfüllung des Mitbestimmungstatbestandes nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG annehmen zu können. Diese Argumentation dürfte sich – wie vom LAG Hamburg auch getan (Beschl. v. 13.09.2018 – 2 TaBV 5/18) – ebenfalls auf die Kommentar-Funktion bei Twitter (nunmehr X) übertragen lassen.
Deutlich enger haben die Oberverwaltungsgerichte Berlin-Brandenburg (Beschl. v. 04. August 2021 – 62 PV 5/20) sowie Hamburg (Beschl. v. 31. Januar 2022 – 14 Bf 201/20. PVL) das Mitbestimmungsrecht ausgelegt. Hiernach müsse eine technische Einrichtung, um das Bestehen einer Überwachungsmöglichkeit durch diese annehmen zu können, eine eigene Überwachungsleistung erbringen. Dafür soll es nicht ausreichend sein, wenn sowohl die Eingabe als auch die Auswertung leistungs- und verhaltensbezogener Daten durch Menschen vorgenommen wird und lediglich die Speicherung durch die betreffende Plattform erfolgt.

II.

Die aktuelle Entscheidung des BVerwG

Angesichts der unterschiedlichen Auffassungen und der sich daraus ergebenden Rechtsunsicherheit ist eine Positionierung des BVerwG hierzu bereits seit Längerem herbeigesehnt worden.
In seiner Entscheidung (Beschl. v. 04. Mai 2023 – 5 P 16.21) hat das Gericht nunmehr den Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg (62 PV 5/20) aufgehoben und entschieden, dass die Frage, ob eine Einrichtung von Seiten bzw. Kanälen in sozialen Medien mit Kommentarfunktion der Mitbestimmung der Personalvertretung unterliegt, stets mit Blick auf den konkreten Einzelfall beurteilt werden muss. Damit lässt sich nicht generell sagen, ob soziale Medien der Mitbestimmung unterliegen.
Das BVerwG stellt maßgeblich auf den Schutzzweck des Mitbestimmungstatbestands ab. Wegen des zu gewährleistenden Schutzes der Persönlichkeit der Beschäftigten und der Gefahr des Entstehens eines ständigen Überwachungsdrucks sei es geboten, bereits das Speichern von Kommentaren Dritter, welche verhaltens- oder leistungsbezogene Angaben beinhalten, als selbstständige Überwachung im Sinne des § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG einzuordnen. Bereits dann bestehe im Grundsatz die Möglichkeit und somit für die Beschäftigten die Gefahr, dass die jeweilige Dienststelle eine Auswertung der gespeicherten Daten vornimmt. Nicht erforderlich sei hingegen, dass die Daten von der Dienststelle auch tatsächlich ausgewertet werden. Durch die Speicherung seien die Kommentare für längere Zeit verfügbar, was bereits ausreichend sei, um das Tatbestandsmerkmal der Überwachung zu erfüllen.
Anders als das Oberverwaltungsgericht lehnt der Senat den Mitbestimmungstatbestand nicht bereits deshalb ab, weil die Datenerhebung und Datenauswertung auf den sozialen Medien nicht ganz oder teilweise automatisch erfolgt. Insoweit gebiete der Schutzzweck des Mitbestimmungstatbestandes eine Beteiligung des Personalrats schon dann, wenn die Dienststellenleitung eine technische Einrichtung betreibe, die verhaltens- oder leistungsbezogene Daten der Beschäftigten speichert. Die Gefahr, dass die Daten ausgewertet werden und damit möglicherweise in die Persönlichkeitssphäre der Beschäftigten eingegriffen wird, sei bereits allein durch die Speicherung ausreichend hoch. Um ein „Bestimmtsein“ der Datenspeicherung zur Überwachung der Beschäftigten annehmen zu können, sei es bereits ausreichend, dass die betreffende technische Einrichtung objektiv zur Überwachung von Verhalten und Leistung der Beschäftigten geeignet ist.
Entscheidend für die Prognose im Einzelfall und damit das Entstehen eines Mitbestimmungsrechts des Personalrats sei, wie wahrscheinlich es ist, dass auf die Leistung oder das Verhalten einzelner Beschäftigter bezogene Nutzerkommentare abgegeben werden. Von einer insoweit höheren Wahrscheinlichkeit sei dabei etwa dann auszugehen, wenn durch die Dienststelle gerade über konkrete Beschäftigte im Zusammenhang mit deren Tätigkeitsfeld berichtet wird, wohingegen lediglich allgemein gehaltene, mehr sach- und weniger personenbezogene Berichte die Annahme einer hohen Wahrscheinlichkeit regelmäßig nicht zu rechtfertigen vermögen. Zu berücksichtigen sei nicht nur, ob eine solche Eignung zur Überwachung im Zeitpunkt der Einführung prognostisch anzunehmen ist, sondern auch, ob im Verlauf des Betreibens der betreffenden Seite beziehungsweise des Accounts eine relevante Zahl verhaltens- oder leistungsbezogener Kommentare abgegeben wird. Maßgeblich sei somit die Ausgestaltung des jeweiligen Mediums. Die in Rede stehenden Plattformen (Facebook, Instagram und Twitter/X) waren jeweils untrennbar mit der Kommentarfunktion verbunden, die auch nicht deaktiviert werden konnte.
Erforderlich ist im Ergebnis nach der nun maßgeblichen Rechtsprechung für öffentliche Arbeitgeber eine Gesamtbetrachtung des jeweiligen Einzelfalls, in dem der Inhalt der Postings ebenso zu berücksichtigen ist wie das tatsächliche Verhalten der Nutzer*innen.

Praxishinweis:

Zu berücksichtigen ist insoweit, dass sich die Bewertung im Laufe der Zeit auch ändern kann. Eine ursprüngliche Prognose, die keine Gefahr des Überwachungsdrucks ergibt und dementsprechend die Mitbestimmung der Personalvertretung zunächst ablehnt, kann aufgrund einer nennenswerten Vermehrung von verhaltens- oder leistungsbezogene Nutzerkommentaren dazu führen, dass die ursprüngliche Prognose zu korrigieren ist und ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats nunmehr doch zu bejahen ist. Es ist folglich zwischen der Beurteilung im Zeitpunkt der erstmaligen Inbetriebnahme der Einrichtung und der Frage, ob im Folgezeitraum tatsächliche Änderungen eingetreten sind, zu differenzieren.

Das BVerwG geht jedoch davon aus, dass ein Überwachungsdruck dann nicht entstehen kann, wenn die Dienststelle Kommentare mit verhaltens- und leistungsbezogenem Inhalt schnellstmöglich und insbesondere ohne vorherige Auswertung löscht. Somit sei auch der Umgang der jeweiligen Dienststellenleitung für die Bewertung zu berücksichtigen. Der Senat stellt jedoch heraus, dass es insoweit regelmäßig nicht ausreichend sein wird, wenn die Dienststelle zunächst dritte Stellen wie die Betreiber der sozialen Medien ersuchen muss, die Löschung vorzunehmen.

Praxishinweis:

In konsequenter Anwendung dieser Vorgaben hat es die Dienststelle mit einer unverzüglichen Löschung verhaltens- und leistungsbezogener Inhalte selbst in der Hand, ob ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats entsteht. Inwieweit diese Konsequenz von den Verwaltungsgerichten in der Praxis befolgt wird, bleibt jedoch abzuwarten.
Parallel zu dieser Entscheidung entschied der Senat am selben Tag in der Sache 5 P 2.22, dem der Beschluss der OVG Hamburg vom 31. Januar 2022 zugrunde lag (14 Bf 201/20.PVL) und verwies die Sache ebenfalls an das OVG zurück, die die Entscheidung des BVerwG nunmehr hoffentlich mit mehr Leben füllen wird.

III.

Fazit

Mit dieser seit längerem erwarteten Stellungnahme stellt sich das BVerwG gegen die bislang von den Oberverwaltungsgerichten vertretene Rechtsauffassung und nähert sich der „Facebook-Entscheidung“ des BAG an.
Angesichts des weit verstandenen Anwendungsbereichs des § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG dürften in der Konsequenz die Mehrzahl der Fälle, in denen sich öffentliche Arbeitgeber sozialer Medien bedienen, der Mitbestimmung des Personalrats unterliegen. Eine allgemeinverbindliche Aussage bleibt jedoch auch vor dem Hintergrund der neuen Rechtsprechung des BVerwG unmöglich. Dies insbesondere, da der Senat wiederholt betont, dass es sich um Einzelfallentscheidungen handelt und die konkreten Umstände des jeweiligen Falles maßgeblich dafür sind, ob ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats gegeben ist oder nicht. Erforderlich sind somit eine genaue Bewertung und Prognose der Inhalte des Postings sowie der zu erwartenden Reaktionen der Nutzer*innen. Für öffentliche Arbeitgeber bleibt es somit schwer zu bestimmen, ob der Personalrat tatsächlich zu beteiligen ist und eine einmal getroffen Entscheidung kann durch sich ändernde Umstände hinfällig werden. Die erhoffte Rechtssicherheit für die Praxis bleibt bedauerlicherweise aus.

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