Religiöse Feiertage im Arbeitsverhältnis – Zwingen Zuckerfest & Co zur Freistellung?
I. Einleitung
Das Osterfest ist nach Weihnachten wohl das größte Familienfest in unserer Gesellschaft. Gerne werden die Ostertage auch für einen Kurzurlaub genutzt, denn: Sowohl Karfreitag als auch Ostermontag sind in Deutschland gesetzliche Feiertage. Anders sieht dies in Österreich aus. Die Einwohner dort sind größtenteils katholisch – nur etwa 3% der Bevölkerung gehören einer evangelischen Konfession an, in welcher der Karfreitag den höchsten Feiertag darstellt. Dies hatte zur Folge, dass in dem Land an unserer südlichen Grenze der Karfreitag lediglich für die Angehörigen der protestantischen Minderheit einen gesetzlichen Feiertag darstellte und Arbeit an diesem Tag mit einem Zusatzentgelt entlohnt wurde. Die übrige Bevölkerung musste dagegen ganz gewöhnlich zur Arbeit erscheinen. Dieser Rechtslage hat der EuGH Einhalt geboten, in dem er in seinem Urteil vom 22. Januar 2019 (C-193/17) feststellte, dass diese Regelung eine verbotene Diskriminierung wegen der Religion darstellt.
II. Fragestellung
Zwar ist in Deutschland der Karfreitag ein gesetzlicher Feiertag, der für jeden gilt, und zwar unabhängig von seiner religiösen Zugehörigkeit. Doch auch hier leben viele Angehörige unterschiedlicher Religionen, deren Festtage gerade keine gesetzlichen Feiertage darstellen. Es stellt sich die Frage, ob für diese Arbeitnehmer an solchen Tagen eine Arbeitspflicht besteht oder ob sie einen Anspruch darauf haben, von der Arbeit freigestellt zu werden und der Arbeitgeber zugleich verpflichtet ist, einen entsprechenden arbeitsfreien (rein) religiösen Feiertag zu vergüten.
III. Rechtslage in Deutschland
Ein jeder kennt den kontrovers diskutierten Satz „Der Islam gehört zu Deutschland". Vor dem Hintergrund dieser Aussage erstaunt es, dass bisher kaum Rechtsprechung zu den vorgenannten Fragen ergangen ist. Insbesondere mangelt es an aktuellen Entscheidungen zu diesem Thema. Während sich die Gerichte immer wieder mit religiösen Symbolen am Arbeitsplatz – wie etwa dem islamischen Kopftuch – auseinandersetzen, scheint die Begehung religiöser Feiertage kein solches Konfliktpotential aufzuweisen. Dies verwundert, da es in der rechtswissenschaftlichen Literatur durchaus verschiedene Ansätze gibt, wie mit einer solchen Situation umzugehen ist. Zum einen wird vertreten, dass eine religiöse Pflicht, die das Gewissen dem Arbeitnehmer als verbindlich vorschreibt, eine vorübergehende unverschuldete Verhinderung an der Erbringung seiner Arbeitsleistung nach § 616 BGB darstellen kann. Dies hätte zur Folge, dass der Arbeitnehmer der Arbeit unter Fortzahlung der Vergütung fernbleiben könnte. Begründet wird dies damit, dass auf andere Weise eine ausreichende Gewährleistung der vom Grundgesetz garantierten Religionsfreiheit nicht möglich sei. Hiergegen spricht schon, dass damit eine Bevorzugung von Arbeitnehmern anderer Religionsgemeinschaften einherginge. Denn in der Folge erhielten diese mehr bezahlte Feiertage als Nichtgläubige oder Angehörige christlicher Religionsgemeinschaften, deren Festtage bereits gesetzliche Feiertage sind.
Ausschlaggebend ist aber letztlich, dass die Religionsfreiheit in solchen Fällen mit den ebenfalls grundrechtlich geschützten Belangen des Arbeitgebers kollidiert. Die betrieblichen Belange des Arbeitgebers sind schließlich ebenfalls durch die Art. 12 und 14 GG – namentlich die Berufsfreiheit und das Recht auf freie Ausübung eines Gewerbes – geschützt. Es gilt, diese beiden widerstreitenden Positionen in einen gerechten Ausgleich zu bringen. Daher ist die Auffassung vorzugswürdig, nach der dem Arbeitnehmer zwar grundsätzlich eine Freistellung von der Arbeit an religiösen Feiertagen gewährt werden muss, dieser Arbeitsausfall jedoch nicht zu vergüten ist. Darüber hinaus erfordert der Schutz der Grundrechtspositionen des Arbeitgebers Ausnahmen vom Grundsatz der Freistellung, und zwar dann, wenn dieser dringende betriebliche Belange entgegenstehen. Hierfür spricht auch die in vielen Bundesländern geltende Feiertagsgesetzgebung. So regelt etwa § 8 Abs. 2 Feiertagsgesetz NRW, dass Angehörigen von Religionsgemeinschaften durch ihren Arbeitgeber Gelegenheit zum Besuch des Gottesdienstes gegeben werden muss, sofern nicht unaufschiebbare oder im allgemeinen Interesse vordringliche Aufgaben zu erledigen sind. Darüber hinaus ist geregelt, dass dem Arbeitnehmer aus seinem Fernbleiben keine weiteren Nachteile als ein etwaiger Lohnausfall für die versäumte Arbeitszeit erwachsen dürfen. Hinzu kommt, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, das Fernbleiben dem Arbeitgeber rechtzeitig anzuzeigen, sodass dieser sich auf den Wegfall der Arbeitskraft einstellen kann. Tut er dies nicht und bleibt er eigenmächtig der Arbeit fern, kann dies eine Arbeitsverweigerung darstellen, die zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen berechtigt.
Daraus folgt:
- Der Arbeitnehmer hat nach der hier vertretenen Auffassung grundsätzlich einen Anspruch darauf, an religiösen Feiertagen freigestellt zu werden. Dies gilt nur dann nicht, wenn diesem Begehren erhebliche betriebliche Belange von gewichtiger Bedeutung entgegenstehen.
- Für diesen Tag der Freistellung verliert der Arbeitnehmer jedoch seinen Vergütungsanspruch.
- Möchte der Arbeitnehmer an dem religiösen Feiertag der Arbeit fernbleiben, ohne seinen Vergütungsanspruch zu verlieren, muss er für diesen Tag Urlaub beantragen. Der Arbeitgeber wiederum ist in diesem Fall nur berechtigt, den Urlaub zu verweigern, wenn erhebliche betriebliche Belange dem Urlaub entgegenstehen.
- Bleibt der Arbeitnehmer der Arbeit fern, ohne dies vorher anzukündigen, verstößt er gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Hierfür kann er abgemahnt und bei einem wiederholten Verstoß auch gekündigt werden.
IV. Praktische Hinweise
Obwohl sicherlich in vielen Betrieben Arbeitgeber nichtchristliche religiöse Arbeitnehmer beschäftigen, scheinen Probleme im Zusammenhang mit der Freistellung an religiösen Feiertagen kaum aufzutreten. Dies dürfte vermutlich daran liegen, dass im laufenden Arbeitsverhältnis die betriebliche Praxis vielfach zu einvernehmlichen Lösungen führt. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten aus dem Arbeitsverhältnis erfreulich. In den meisten Fällen dürften die Arbeitnehmer wohl schlichtweg Urlaub nehmen. Daneben ist es aber auch denkbar, betriebliche Regelungen im Hinblick auf die Feiertagsbegehung zu etablieren, um Streitigkeiten in diesem Zusammenhang gar nicht erst entstehen zu lassen. Dies ist etwa im Wege einer Betriebsvereinbarung denkbar, wobei darauf zu achten ist, dass diese nicht zu Benachteiligungen aufgrund der Religion führen darf. Gewährt der Arbeitgeber hingegen ohne eine entsprechende Regelung Sonderurlaub zur Begehung bestimmter religiöser Feiertage, kann hieraus nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung ein Anspruch der Arbeitnehmer entstehen.