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Die Abänderung von Versorgungszusagen durch ablösende Betriebsvereinbarungen

versorgung
Die Gewährung einer betrieblichen Altersversorge, bei der sich Arbeitgeber zu Versorgungsleistungen gegenüber den Mitarbeitenden verpflichten, ist im Grundsatz freiwillig. Nicht nur bei Ausgestaltung der Zusage, sondern auch bei der Wahl des Systems bestehen für den Arbeitgeber also erhebliche Gestaltungsspielräume, wobei Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates selbstverständlich zu beachten sind.
So „leicht“ wie sich die Einführung einer Versorgungszusage darstellt, so schwierig kann sich hingegen regelmäßig deren Abänderung durch eine verschlechternde Regelung darstellen. Gleichwohl besteht nicht selten ein hohes Interesse, wenn sich die Versorgungszusage beispielsweise langfristig als liquiditätsgefährdend erweist oder eine hohe, heutzutage nicht mehr erreichbare Verzinsung beinhaltet. Ein probates und in der Praxis häufig gewähltes Instrument ist die Ablösung mittels Betriebsvereinbarung. Ob und unter welchen Voraussetzungen diese verschlechternde Ablösung von Versorgungszusagen möglich ist, soll der nachfolgende Beitrag beleuchten.

I.

Begründung von Versorgungszusagen

Die Frage, ob und wie Versorgungszusagen abgeändert werden können, bestimmt sich im Wesentlichen danach, auf welchem Weg die ursprüngliche Versorgung zugesagt wurde. Entscheidet sich der Arbeitgeber, Angebote der betrieblichen Altersversorge anzubieten, stehen ihm für die Ausgestaltung sowohl kollektivrechtliche als auch individualrechtliche Optionen zur Verfügung.
Auf kollektivrechtlicher Ebene besteht zunächst die Möglichkeit einer Verankerung der Versorgungszusage in Tarifverträgen. Die für Tarifvertragsparteien verbindlichen Grundlagen von Versorgungsleistungen können mithilfe von Verweisungsklauseln auch gegenüber nicht tarifgebundenen Mitarbeitenden wirksam werden. Häufig werden Versorgungszusagen aufgrund des betrieblichen Bezugs auch in Form von Betriebsvereinbarungen etabliert.
Daneben werden Versorgungszusagen auch durch vertragliche Einheitsregelungen oder Einzelzusagen an Mitarbeitende getroffen. Diese Individualzusagen unterscheiden hinsichtlich ihrer Wirkweisen: Während bei vertraglichen Einheitsregelungen der Arbeitgeber jedem Mitarbeitenden die gleiche Zusage – zumeist mit dem gleichen Dokument – erteilt, kann er mithilfe von Einzelzusagen individuelle Regelungen treffen. Will der Arbeitgeber gegenüber mehreren Mitarbeitenden gleichgelagerte Zusagen erteilen, kann er dies auch in Form einer Gesamtzusage an den versorgungsberechtigten Kreis vornehmen. Zuletzt kann auch die betriebliche Übung einen Rechtsanspruch der Versorgung begründen.
Aufgrund der Sachnähe und der ohnehin zu beachtenden zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Ausgestaltung von Versorgungszusagen, erweist sich die Betriebsvereinbarung häufig als Mittel der Wahl bei der Einführung von Versorgungszusagen. Um diese und deren Ablösung soll es nachfolgend gehen.

II.

Änderungsmöglichkeit „ablösende Betriebsvereinbarung“

Grundsätzlich können Versorgungszusagen durch gleichrangige, verschlechternde Regelungen abgelöst bzw. abgeändert werden. Sofern die Versorgungszusage auf einer vertraglichen Regelung, einer Gesamtzusage oder betrieblichen Übung beruht, würde dies jedoch erfordern, dass mit sämtlichen Beschäftigten entsprechende Änderungsvereinbarungen abgeschlossen oder entsprechende Änderungskündigungen ausgesprochen würden. Ein derartiges Vorgehen ist in der Praxis weder ratsam, noch erweist sich eine solche Umsetzung als realistisch.
Um eine einheitliche Ablösung individualrechtlicher Versorgungszusagen zu erreichen, kann und sollte vielmehr auf das Mittel einer ablösenden, verschlechternden Betriebsvereinbarung zurückgegriffen werden. Hiernach können unter bestimmten Voraussetzungen im Wege einer ablösenden Betriebsvereinbarung die (individualrechtlichen) Versorgungszusagen nachträglich abgeändert werden. Dies erfordert, dass die entsprechende Versorgungszusage „betriebsvereinbarungsoffen“ ausgestaltet ist, was ist der Praxis keine hohe Hürde darstellt. Entscheidend hierbei sind die Umstände des Einzelfalls, wobei es jeweils darauf ankommt, dass die konkrete Regelung einen kollektiven Bezug aufweist:
Gesamtzusagen und betriebliche Übung weisen grundsätzlich einen solchen kollektiven Bezug auf und sind daher als betriebsvereinbarungsoffen zu verstehen, sofern nicht ausnahmsweise eine Auslegung im Einzelfall etwas anderes ergibt.
Auch hinsichtlich vertraglicher Regelungen nimmt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts regelmäßig eine Betriebsvereinbarungsoffenheit an, wenn es sich um eine vorformulierte Arbeitsbedingung handelt und diese einen entsprechenden kollektiven Bezug aufweisen. Dies ist bei den allermeisten auf vertraglicher Ebene geregelten Versorgungszusagen der Fall.
Mit Blick auf die Anwendungsbreite der ablösenden Betriebsvereinbarung stellt diese in den meisten Fällen das Mittel der Wahl dar, um Versorgungszusagen einheitlich abzuändern.

III.

Änderungsgründe

Erweist sich eine Versorgungszusage als betriebsvereinbarungsoffen, kann unter Einhaltung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates dem Grunde nach eine Abänderung der Zusage erfolgen. Die grundsätzliche Möglichkeit zur Ablösung von Versorgungszusagen durch Betriebsvereinbarung ist hierbei jedoch strikt von der Frage zu trennen, welche inhaltlichen Anforderungen an die Ablösung zu stellen sind. Insoweit steht es den Betriebsparteien nicht frei, die Versorgungszusage nach Belieben anzupassen. Vielmehr müssen sich solche Regelungen an den allgemeinen Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit messen lassen. Je stärker in Besitzstände der Beschäftigten eingegriffen wird, desto höher sind Aspekte des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen (sog. „Je-Desto-Regel“). Die Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung muss sich ausgehend von ihrem Zweck als verhältnismäßig, also als geeignet, erforderlich und angemessen erweisen.
Im Hinblick auf die Anpassung von Versorgungsanwartschaften (also Versorgungsrechte von aktiven Mitarbeitern, bei denen der Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist und die noch keine Betriebsrente erhalten) legt das Bundesarbeitsgericht die sog. „Drei-Stufen-Theorie“ zugrunde. Danach gilt Folgendes:
In bereits erdiente Versorgungsanwartschaften, also solche, die den Beschäftigten erhalten bleiben würden, wenn sie mit einer unverfallbaren Anwartschaft zum Neuordnungsstichtag aus dem Unternehmen ausscheiden würden, kann nur bei zwingenden Gründen eingegriffen werden (1. Stufe). Aufgrund des eigentumsähnlichen Charakters der erdienten Anwartschaften wird ein Eingriff nur in absoluten Ausnahmefällen gerechtfertigt sein. Gedacht werden kann insoweit an eine gegenüber dem ursprünglichen Versorgungsziel planwidrig eingetretene Überversorgung.
Soll in die sog. zeitanteilig erdiente Dynamik eingegriffen werden, also das ruhegehaltsfähige Entgelt, bedarf es eines triftigen Grundes (2. Stufe). Ein solcher kann bereits dann vorliegen, wenn wirtschaftliche Gründe vorliegen, die auch eine Aussetzung der Betriebsrentenanpassung nach § 16 BetrAVG rechtfertigen würde. Dies kann beispielsweise dann vorliegen, wenn über längere Zeit keine angemessene Rendite auf das Eigenkapital des Unternehmens erzielt werden kann.
Ein Eingriff in bloß dienstzeitabhängige, zukünftige und damit noch nicht erdiente Zuwachsraten ist bereits bei Vorliegen sachlicher Gründe gerechtfertigt (3. Stufe). Hierfür ist bereits jede willkürfreie, nachvollziehbare und auf anerkennungswerten Gründen beruhende Entscheidung ausreichend. In Betracht kommt beispielsweise ein konzernweites Harmonisierungsinteresse, eine wirtschaftlich schwierige Lage oder ein nachgewiesener Sanierungsbedarf.
Bei der Gestaltung einer ablösenden und verschlechternden Betriebsvereinbarung sind aus Gründen des allgemeinen Vertrauensschutzes gegebenenfalls Sonderregelungen für rentennahe Jahrgänge vorzusehen, wenn die Beschäftigten aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters ihre Versorgungsplanung nicht mehr ändern können.

IV.

Fazit

Die Abänderung von Versorgungszusagen durch Betriebsvereinbarung stellt ein wirksames und effektives Mittel dar, mit dem Versorgungszusagen einheitlich angepasst werden können. Im Vorfeld hierzu sollten Unternehmen den genauen Änderungsbedarf ermitteln. Neben einer Prognose, ob die bezweckten Änderungen hierbei die gewünschten wirtschaftlichen Ziele erreichen, gehört zu einer sorgfältigen Vorbereitung auch eine sachkundige Einschätzung, ob und wie die bezweckten Änderungen der Versorgungszusage rechtlich umgesetzt werden können.

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