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Zusammenspiel von betriebsbedingten Kündigungen und Kurzarbeit

kurzarbeit
Genügen Kurzarbeit und staatliche Schutzschirm-Maßnahmen nicht mehr, um die wirtschaftliche Situation zu stabilisieren, ist für viele Unternehmen ein Personalabbau unvermeidbar. Welche Aspekte im Zusammenspiel von betriebsbedingten (Beendigungs-) Kündigungen und Kurzarbeit zu beachten sind und welche Fehlerquellen es zu vermeiden gilt, wird nachfolgend dargestellt.

Blogserie: Restrukturierung

Pandemie, Ukrainekrieg, Energiekrise und fragile Lieferketten – die derzeitigen Herausforderungen könnten größer kaum sein. Viele Unternehmen bringt dies an ihre Grenzen – nicht wenige auch darüber hinaus. Zusätzlich sind immer strengere rechtliche Anforderungen zu beachten.

Autorin dieses Beitrags


I.

Sind betriebsbedingte Kündigungen trotz Kurzarbeit möglich?

Während betriebsbedingte Kündigungen einen dauerhaften Arbeitsausfall voraussetzen, verlangt die Kurzarbeit (resp. die Gewährung von Kurzarbeitergeld), dass der Arbeitsausfall nur vorübergehend ist. Hieraus folgt zunächst, dass Kurzarbeit und betriebsbedingte Kündigung sich grundsätzlich ausschließen.
Denn liegt nur ein vorübergehender Arbeitsausfall vor, steht dies dem erforderlichen endgültigen Wegfall des Beschäftigungsbedarfs als Voraussetzung einer betriebsbedingten Kündigung entgegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass betriebsbedingte Kündigungen während der Kurzarbeit generell unzulässig wären. Im Gegenteil: Der Frage, ob der Arbeitsausfall vorübergehend oder endgültig ist, liegt eine prognostische Entscheidung zu Grunde. Die Umstände und die Perspektive hinsichtlich des zukünftigen Arbeitsausfalls können sich im Laufe der Zeit ändern, so dass sich die einst getroffene prognostische Entscheidung als unzutreffend erweisen kann. Die Umstände können sich also dahingehend ändern, dass der Arbeitsausfall endgültig ist und eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen kann.
Betriebsbedingte Kündigungen während einer Kurzarbeit sind damit zwar nicht ausgeschlossen – zu beachten ist jedoch, dass manche Vereinbarungen zur Kurzarbeit einen Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen während der Kurzarbeit oder auch darüber hinaus vorsehen. Ein solcher Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen findet sich häufig in Betriebsvereinbarungen oder tarifvertraglichen Regelungen. Der Umfang derartiger Restriktionen muss daher im Vorfeld geprüft und beachtet werden.
Es ist auch denkbar, dass innerhalb eines Betriebs in einer Betriebsabteilung Kurzarbeit eingeführt wird, während in einer anderen Betriebsabteilung aufgrund einer eigenständigen unternehmerischen Entscheidung eine Restrukturierung, bspw. in Form eines Personalabbaus, durchgeführt wird. Kurzarbeit wird in diesen Fällen nur in Bereichen eingesetzt, in denen keine Arbeitsplätze abgebaut werden sollen, so dass in dem anderen, abgrenzbaren Bereich ein Personalabbau umgesetzt werden kann.

II.

Was sind die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung?

Voraussetzung einer jeden betriebsbedingten Kündigung ist, dass dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, die den Weiterbeschäftigungsbedarf für die betroffenen Beschäftigten im Betrieb dauerhaft entfallen lassen. Dies bedeutet:
Es müssen außer- oder innerbetriebliche Umstände vorliegen, aus denen sich ein dauerhafter Wegfall des Beschäftigungsbedarfs ergibt,
es gibt unternehmensweit keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für betroffene Beschäftigte, deren Arbeitsplätze wegfallen und
eine auf den Betrieb bezogene Sozialauswahl hat ergeben, dass die zu kündigenden Beschäftigten sozial am wenigsten schutzwürdig sind.

a. Erst Kurzarbeit, dann Kündigung: korrigierende unternehmerische Entscheidung erforderlich

Soll ein Personalabbau in einem Betrieb resp. in einer Betriebsabteilung durchgeführt werden, in der zuvor noch Kurzarbeit bestand, müssen Unternehmen zunächst inner- oder außerbetriebliche Umstände vorbringen können, die jenseits der Gründe, die seinerzeit zur Einführung der Kurzarbeit geführt haben, einen dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs bedingen.
Durch die Anzeige von Kurzarbeit und die Gewährung von Kurzarbeitergeld wird zunächst indiziert, dass das Unternehmen nur von einem vorübergehenden Arbeitsausfall ausgegangen ist. Schwenkt das Unternehmen um und geht von einem dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs aus, trifft es eine erhöhte Darlegungs- und Beweislast in einem etwaigen Kündigungsschutzprozess. So muss widerspruchsfrei dargestellt werden können, aufgrund welcher später eingetretenen, weiteren Umstände eine korrigierende unternehmerische Entscheidung getroffen worden ist, die den Beschäftigungsbedarf nunmehr endgültig entfallen lässt. Dies bedeutet konkret: Damit die Indizwirkung beseitigt werden kann, muss sich die Situation im Unternehmen und die Einschätzung über den zukünftigen Arbeitskräftebedarf nach Einführung der Kurzarbeit verändert haben.
Besonders herausfordernd gestaltet sich die Situation für Unternehmen, wenn sie sich zur Begründung seiner unternehmerischen Entscheidung auf sog. außerbetriebliche Umstände berufen wollen, wie z.B. anhaltende wirtschaftliche Verluste, Auftragsrückgang oder Gewinnverluste. In diesem Fall können Arbeitsplätze auch nur in dem Umfang abgebaut werden, wie dies durch die geltend gemachten äußeren Umstände bedingt ist. Letzteres muss das Unternehmen abbilden können. Gelingt eine solche Darlegung nicht oder ist die Kalkulation des Unternehmens nach Auffassung des Gerichts unzutreffend, ist die Kündigung unwirksam. Innerbetriebliche Umstände demgegenüber, wie z.B. der Abbau einer Hierarchieebene oder die Schließung einer Abteilung, werden seitens der Gerichte lediglich auf ihre Willkür hin überprüft. Gleichwohl muss das Unternehmen auch in einer solchen Konstellation darlegen können, warum aufgrund der Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung der Arbeitsbedarf endgültig entfällt. Die Umsetzung eines unternehmerischen Konzeptes, welches beispielsweise auf eine allgemeine Personalreduzierung um 10 % hinausläuft, ist daher besonders herausfordernd.

b. Keine unternehmensweite Weiterbeschäftigungsmöglichkeit

Besondere Sorgfalt ist auch hinsichtlich der Frage geboten, ob es anderweitige, freie Arbeitsplätze gibt, auf denen die von den Kündigungen betroffenen Beschäftigten weiterbeschäftigt werden können. Das Unternehmen muss von sich aus das Vorliegen eines freien Arbeitsplatzes prüfen und diesen dem oder der Beschäftigten vor bzw. mit Ausspruch der Kündigung, ggf. im Wege einer Änderungskündigung, anbieten.
In der Praxis werden häufig zwei Dinge übersehen: Zum einen ist die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung nicht nur betriebs-, sondern unternehmensweit zu prüfen. Hierzu gehört auch die Frage, ob betroffene Beschäftigte auf dem freien Arbeitsplatz nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen beschäftigt werden können. Zum anderen sind auch „geringerwertige“, freie Arbeitsplätze anzubieten, d.h. solche, die nur zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden sind, sog. Vorrang der Änderungskündigung. Lediglich höherwertige Arbeitsplätze sind nicht zu berücksichtigen, da kein Anspruch „auf Beförderung“ besteht. Gibt es parallel zu dem Personalabbau Stellenausschreibungen, macht dies den Ausspruch (wirksamer) Beendigungskündigungen umso schwerer oder gar unmöglich.

c. Betriebsbezogene Sozialauswahl

In einem letzten Schritt muss das Unternehmen überprüfen, ob die zu kündigenden Beschäftigten auch der unter sozialen Gesichtspunkten am wenigsten schutzwürdig sind.
Im Rahmen der Sozialauswahl muss das Unternehmen keine „punktgenaue“ Auswahl treffen – gibt es mehrere vertretbare Entscheidungen mit einer angemessenen Berücksichtigung der Sozialdaten, ist die Sozialauswahl nicht zu beanstanden. Es gibt also nicht zwangsläufig nur eine richtige Auswahlentscheidung.
In die Sozialauswahl sind zunächst die Beschäftigten des Betriebs einzubeziehen, die vergleichbar sind. Vergleichbar sind alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die im Wege des Direktionsrechts gegeneinander ausgetauscht werden können. Voraussetzung für die Vergleichbarkeit ist also, dass die Beschäftigten, deren Arbeitsplatz entfällt, die Funktion eines oder mehrerer anderer Beschäftigter auf der Grundlage der vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten und unter Berücksichtigung einer zumutbaren Einarbeitungszeit (zugrunde zu legen sind in der Regel rund drei Monate) übernehmen können. Dies wird in der Regel anzunehmen sein, wenn die Beschäftigten sich auch während des Urlaubs vertreten oder es einen sonstigen Personalaustausch gibt. Anhand der Kriterien Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung vollzieht sich sodann die eigentliche Sozialauswahl innerhalb der Vergleichsgruppe. Nicht mit einzubeziehen sind sog. Leistungsträger sowie Beschäftigte, die zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung aufgrund eines Sonderkündigungsschutzes nicht ordentlich kündbar sind. Eine Ausklammerung von Leistungsträgern bleibt in der Praxis jedoch die Ausnahme; sie ist für das darlegungs- und beweisbelasteten Unternehmen regelmäßig nur sehr schwer zu begründen.

III.

Was sind die Folgen einer betriebsbedingten Kündigung von Arbeitnehmern in Kurzarbeit?

Mit dem Zugang der Kündigung ist das Arbeitsverhältnis nicht mehr „ungekündigt“. Dies bedeutet, dass auch Kurzarbeitergeld nicht mehr bezogen werden kann. Der Anspruch auf Kurzarbeitergeld entfällt ab dem nächsten Tag.
In der Praxis stellt sich dann die Frage, in welcher Höhe das Unternehmen Arbeitsentgelt leisten muss. Dies hängt von dem Inhalt der Kurzarbeitsvereinbarung ab: Wurde eine sog. Kopplungsklausel vereinbart, wonach die Kurzarbeit nur dann ihre Wirkung entfaltet, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld vorliegen, ist das Unternehmen gehalten, mit dem kündigungsbedingten Wegfall der Kurzarbeit grundsätzlich die volle Vergütung zu gewähren. Ist die Kurzarbeit demgegenüber nicht an die Zahlung des Kurzarbeitergeldes gekoppelt, muss das Unternehmen Arbeitslohn grundsätzlich nur in Höhe der gekürzten Arbeitszeit leisten. Wurde indes die Zahlung eines Aufstockungsbetrages vereinbart, ist auch dieser grundsätzlich weiterzuzahlen.

IV.

Fazit

Das Zusammenspiel von Kurzarbeit und betriebsbedingter Kündigung erfordert eine sorgfältige Vorbereitung der Personalabbaumaßnahmen. Um Fallstricke zu vermeiden, bedarf es eines gut dokumentieren Restrukturierungskonzeptes. Dies nicht zuletzt, um auch spezifische Folgefragen, wie beispielsweise das Vorliegen einer sozialplanpflichtigen Betriebsänderung oder einer notwendigen Massenentlassungsanzeigepflicht, im Blick zu behalten.

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