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BAG: Kein Anspruch auf vorübergehende Erhöhung der Arbeitszeit nach dem TzBfG – bleibt es dabei?

Einleitung

Derzeit sieht das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG) weder einen Anspruch auf zeitlich begrenzte Erhöhung der Arbeitszeit noch auf deren zeitlich begrenzte Verringerung vor. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Blick auf die Geltendmachung einer befristeten Arbeitszeitverlängerung zuletzt in seiner Entscheidung vom 27. Februar 2018 nochmals ausdrücklich klargestellt. Am 17. April 2018 hat die Bundesregierung einen Referentenentwurf in den Bundestag eingebracht, mit dem unter anderem ein gesetzlicher Anspruch auf „Brückenteilzeit" eingeführt werden soll. Ist das BAG-Urteil damit schon wieder überholt?

I. Die Entscheidung des BAG vom 27. Februar 2018 – 9 AZR 167/17

In seiner Entscheidung vom 27. Februar 2018 hatte das BAG sich mit der Revision eines an einer Förderschule angestellten Lehrers zu befassen, der gegenüber dem beklagten Land als seinem Arbeitgeber Schadensersatz in Höhe von EUR 21.322,85 u. a. wegen Vereitelung seines vermeintlichen Anspruchs auf Arbeitszeiterhöhung verlangte. Dem Rechtsstreit lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger war unbefristet in Teilzeit mit 14 Pflichtwochenstunden beschäftigt. Er erhielt im Zeitraum Mai 2015 bis August 2016 eine Monatsvergütung in Höhe von EUR 1.701,78 brutto. Die Arbeitszeit einer vergleichbaren in Vollzeit beschäftigten Lehrkraft betrug 29 Pflichtstunden pro Woche mit einer entsprechend höheren Vergütung. Am 21. Mai 2015 zeigte der Kläger gegenüber dem Leiter der Förderschule an, er wünsche die Erhöhung seiner Arbeitszeit auf 29 Wochenstunden und bat zugleich darum, über frei werdende Stellen, auf die er sich bereits jetzt bewerbe, informiert zu werden. Mit Schreiben vom 7. Juli 2015 wiederholte der Kläger sein Anliegen gegenüber dem zuständigen Staatlichen Schulamt. Mit Datum vom 21. Juli 2015 trat der Kläger schließlich mit einem schriftlichen Verlangen an das Schulamt heran, ihm Auskunft über zu besetzende Stellen zu erteilen. Zur Vertretung von vier Planstellen, deren Inhaber sich im ersten Halbjahr des Schuljahres 2015/2016 in Elternzeit oder Mutterschutz befanden, stellte das beklagte Land sechs Personen befristet ein, ohne die besetzten Stellen im Vorfeld ausgeschrieben zu haben.
Der Kläger sah darin – soweit hier relevant – u. a. eine Vereitelung seines vermeintlichen Anspruchs auf Arbeitszeiterhöhung gemäß § 9 TzBfG sowie einen Verstoß des Landes gegen dessen Informationspflichten aus § 7 Abs. 2 TzBfG und verlangte Ersatz des daraus entstandenen Schadens.
Das in erster Instanz mit dem Fall befasste Arbeitsgericht Gießen hatte der Klage noch in Höhe von EUR 8.922,74 stattgegeben und sie im Übrigen als unbegründet abgewiesen; das Hessische Landesarbeitsgericht wies die Klage auf die Berufung des Landes vollumfänglich ab.
Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidung des Hessischen LAG: Während es die Revision des Klägers hinsichtlich seines Schadensersatzbegehrens wegen Verletzung der Informationspflichten aus § 7 Abs. 2 TzBfG bereits mangels Revisionsbegründung als unzulässig zurückwies, verneinte es eine Schadensersatzpflicht des Landes aus § 9 TzBfG auch dem Grunde nach.
Ein Anspruch des Klägers aus § 9 TzBfG (i.V.m. §§ 275 Abs. 1 u. 4, 280 Abs. 1 u. 3, 283 Satz 1 BGB) wegen Vereitelung seines gesetzlichen Anspruchs auf Vertragsänderung scheitere bereits an einem annahmefähigen konkreten Angebot des Klägers gegenüber dem Land, seinen Arbeitsvertrag unter Vereinbarung einer erhöhten regelmäßigen Wochenarbeitszeit zu ändern. Ein solches Angebot sei jedoch – neben weiteren Voraussetzungen – erforderlich, um den in § 9 TzBfG normierten einklagbaren Rechtsanspruch des in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmers auf Verlängerung seiner Arbeitszeit durch Vertragsänderung zu begründen. Der von dem Kläger lediglich in allgemeiner Form angezeigte Verlängerungswunsch entspreche nicht den Anforderungen des § 145 BGB, sondern löse lediglich die in § 7 Abs. 2 TzBfG normierte Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer über zu besetzende Arbeitsplätze zu informieren, aus. Diese Informationen hätte das Land dem Kläger zwar erteilen müssen; ein Verstoß gegen die Informationspflicht ziehe jedoch keine Sanktionen für den Arbeitgeber nach sich und entbinde vor allem nicht den Arbeitnehmer von der Obliegenheit, seinerseits ein annahmefähiges Angebot zu unterbreiten.
Im Übrigen habe der Kläger ohnehin nicht eine der lediglich befristet zu besetzenden Stellen begehrt, sondern seinen bestehenden unbefristeten Arbeitsvertrag nicht aufgeben, sondern nach Ablauf der befristeten Erhöhung seiner Arbeitszeit auf diesen zurückkehren wollen. Eine bloß vorübergehende Erhöhung der Arbeitszeit (für die Dauer der Mutterschutz-/Elternzeitvertretung) liege indes außerhalb des Regelungsregimes des § 9 TzBfG. 

II. Die Entscheidung des BAG im Lichte des Referentenentwurfs zum TzBfG1. Aktuelle Rechtslage

1. Aktuelle Rechtslage

Bereits nach derzeitiger Rechtslage besteht unter den in §§ 8, 9 TzBfG geregelten Voraussetzungen ein gesetzlicher Anspruch des Arbeitnehmers auf Änderung seiner Arbeitszeit. Hierbei können sowohl die Erhöhung als auch die Verringerung der Arbeitszeit nur für einen zeitlich unbestimmten Zeitraum verlangt werden. Will ein Arbeitnehmer von Voll- in Teilzeit wechseln (Verringerung der Arbeitszeit, § 8 TzBfG) oder umgekehrt (Verlängerung der Arbeitszeit, § 9 TzBfG), kann er dies ohne das Einvernehmen des Arbeitgebers bislang also nur unbefristet tun. Zudem hat ein Arbeitnehmer, der dem Arbeitgeber den Wunsch nach einer Verlängerung seiner Arbeitszeit anzeigt, gemäß § 9 TzBfG grundsätzlich zunächst nur einen Anspruch auf bevorzugte Berücksichtigung bei der Besetzung eines entsprechenden Arbeitsplatzes. Für das Erstarken dieses Anspruchs auf ein durchsetzbares Recht auf Vertragsanpassung muss der Arbeitnehmer neben der Unterbreitung eines konkreten, durch den Arbeitgeber durch schlichtes „Ja" annehmbaren Vertragsangebots die Existenz eines freien Arbeitsplatzes sowie seine Eignung für diesen Arbeitsplatz darlegen und erforderlichenfalls beweisen. Der Arbeitgeber trägt demgegenüber die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich etwaiger entgegenstehender dringender betrieblicher Gründe oder entgegenstehender Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer. Hat ein Arbeitnehmer diese Hürden genommen und eine Verlängerung seiner Arbeitszeit nach § 9 TzBfG erreicht, besteht bislang kein gesetzlicher Anspruch auf Rückkehr zur ursprünglichen Arbeitszeit.

2. Rechtslage nach der geplanten Änderung des TzBfG

Nach dem Referentenentwurf der Bundesregierung soll zusätzlich zu dem bestehenden Anspruch auf unbefristete Erhöhung oder Verringerung der Arbeitszeit nach §§ 8,9 TzBfG nun in Unternehmen mit mehr als 45 Arbeitnehmern ein allgemeiner gesetzlicher Anspruch auf zeitlich begrenzte Teilzeitarbeit, sog. Brückenteilzeit, eingeführt werden. Der Arbeitnehmer soll zukünftig zwischen einer zeitlich nicht begrenzten Verringerung der Arbeitszeit (§ 8 TzBfG-RefE) und einer zeitlich begrenzten Verringerung der Arbeitszeit (§ 9a TzBfG-RefE) wählen können. Für Unternehmen mit mehr als 45, aber nicht mehr als 200 Arbeitnehmern sieht der Gesetzentwurf einen in Abhängigkeit von der Beschäftigtenzahl gestaffelten Überforderungsschutz für Arbeitgeber vor (§ 9a Abs. 2 TzBfG-RefE).
Der Vorteil einer befristeten Arbeitszeitverringerung soll vor allem darin liegen, dass der Arbeitnehmer nach deren Beendigung einen gesetzlichen Anspruch auf Rückkehr zu seiner ursprünglichen Arbeitszeit hat. Voraussetzung für einen entsprechenden Anspruch ist nach dem Referentenentwurf unter anderem, dass das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat und der begehrte Zeitraum der Arbeitszeitverringerung zwischen mindestens einem Jahr und höchstens fünf Jahren beträgt. Eine Änderung des Umfangs der Arbeitszeit kann während des beantragten Zeitraums ohne Zustimmung des Arbeitgebers weder in Form einer Verlängerung noch einer (weiteren) Verringerung der Arbeitszeit verlangt werden. Ein erneuter Antrag auf (befristete oder unbefristete) Teilzeit soll nach dem Gesetzentwurf frühestens ein Jahr nach Rückkehr zur ursprünglichen Arbeitszeit zulässig sein. Ein Anspruch auf Rückkehr auf den ursprünglichen Arbeitsplatz ist demgegenüber nicht vorgesehen. Der Arbeitgeber kann im Rahmen seines Direktionsrechts einen anderen Arbeitsplatz zuweisen.
Wählt ein Arbeitnehmer dagegen die Verringerung seiner Arbeitszeit für einen unbestimmten Zeitraum, gelten für ihn im Falle eines späteren Erhöhungswunsches weiterhin die materiellen Maßgaben von § 9 TzBfG. Allerdings sieht der Referentenentwurf eine Änderung der Darlegungs- und Beweislast gegenüber der bisherigen Fassung des § 9 TzBfG vor. Der Arbeitgeber soll nunmehr neben etwaigen entgegenstehenden dringenden betrieblichen Gründen oder entgegenstehenden Arbeitszeitwünschen anderer Teilzeitbeschäftigter auch das Fehlen eines entsprechenden Arbeitsplatzes sowie die geringere Eignung des antragstellenden Arbeitnehmers darzulegen und ggf. zu beweisen haben.

III. Auswirkungen für die Praxis

Ob der aktuelle Referentenentwurf das Gesetzgebungsverfahren ohne Änderungen durchlaufen wird, bleibt abzuwarten. Bereits jetzt wird allerdings bezweifelt, ob das von der Bundesregierung mit dem Referentenentwurf verfolgte Ziel, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Arbeit auf Abruf leisten, mehr Planungs- und Einkommenssicherheit zu geben, durch die Einführung eines Anspruchs auf Brückenteilzeit verwirklicht werden kann. Für Arbeitgeber werden mit der angestrebten Gesetzesänderung jedenfalls weitere Einschränkungen ihrer unternehmerischen Freiheit verbunden sein.
Aus dem Referentenentwurf in seiner derzeitigen Fassung geht aber jedenfalls auch hervor, dass es einen Anspruch auf befristete Erhöhung der Arbeitszeit, also einen Anspruch auf Brückenvollzeit, auch in Zukunft nicht geben wird. In dieser Hinsicht dürfte die Entscheidung des BAG vom 27. Februar 2018 – insbesondere die darin vorgenommene Konkretisierung des Regelungsregimes von § 9 TzBfG – auch in Zukunft weiterhin zu beachten sein.

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