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Hoffnung für konfessionslose Bewerber? – Der EuGH positioniert sich zur Notwendigkeit einer Religionszugehörigkeit

Dürfen kirchliche Arbeitgeber die Konfession ihrer Bewerber zur Einstellungsvoraussetzung machen? Rechtliche Sonderkonstellationen in Bezug auf kirchliche Arbeitgeber sind immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Im jüngsten Fall fühlte sich eine abgelehnte Bewerberin aufgrund ihrer Konfessionslosigkeit diskriminiert und verlangte Schadensersatz. Der Fall landete vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), der sich zur Reichweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts positionierte und zugleich eine generelle Aussage zur Geltung europäischer Richtlinien traf – Hoffnung für alle konfessionslosen Bewerber?

I. Rechtlicher Hintergrund – Der Spagat zwischen Glaube und Recht​

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion und setzt damit die Vorgaben der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie um. Danach ist es beispielsweise unzulässig, Bewerber alleine deshalb abzulehnen, weil sie nicht dem christlichen Glauben angehören. Diese Grundsätze erfahren jedoch im Zusammenhang mit Kirchen und Religionsgemeinschaften wesentliche Einschränkungen. Sie haben naturgemäß ein Interesse an der Beschäftigung von Personen, die ihren Glauben und ihre Grundideale teilen. Dabei haben Kirchen und Religionsgemeinschaften zugleich ein verfassungsrechtlich verankertes Recht, ihre internen Angelegenheiten selbstständig zu regeln. Als Ausprägung dieses sogenannten kirchlichen Selbstbestimmungsrechts erlaubt § 9 AGG ihnen unter bestimmten Voraussetzungen eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion.

Wie so häufig, sind aber die Einzelheiten umstritten. Können kirchliche Arbeitgeber etwa für alle Tätigkeiten pauschal eine Religionszugehörigkeit verlangen oder müssen sie sich an gewisse – rechtlich überprüfbare – Vorgaben halten? Denn während die Religionszugehörigkeit für eine Tätigkeit im Bereich der Verkündigung oder Seelsorge elementare Voraussetzung sein mag, könnte dies beispielsweise bei der Beschäftigung als Sozialpädagogin, Referentin oder Koch in einer privatrechtlich organisierten kirchlichen Einrichtung anders beurteilt werden. Im Hinblick auf diese Frage hat der EuGH nun Stellung bezogen. 

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg als Vorinstanz (28. Mai 2014 – 4 Sa 157/14)

Im zugrundeliegenden Sachverhalt hatte sich die konfessionslose Klägerin auf eine befristete Referentenstelle bei einem Werk der Evangelischen Kirche beworben. In der Stellenausschreibung wurde darauf hingewiesen, dass insbesondere eine Mitgliedschaft in der Kirche Einstellungsvoraussetzung sei. Nachdem die Klägerin nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, verlangte sie die Zahlung einer Entschädigung. Sie war der Auffassung, dass sie die Stelle alleine wegen ihrer Konfessionslosigkeit nicht erhalten habe. Nachdem das Arbeitsgericht der Klage noch teilweise stattgab, wies das Landesarbeitsgericht sie ab. Aus dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche folge, dass sie selbst festlegen könne, für welche Tätigkeiten eine Religionszugehörigkeit erforderlich sei. Diese Festlegung der Kirche unterliege lediglich einer Plausibilitätskontrolle.
Bevor das Bundesarbeitsgericht (BAG) über die Revision entschied, wollte es vom EuGH unter anderem wissen, ob der kirchliche Arbeitgeber verbindlich selber festlegen kann, für welche Tätigkeiten er eine Religionszugehörigkeit fordert.

III. Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (17. April 2018 – C-414/16)

Nach Ansicht des EuGH muss eine Abwägung zwischen dem Recht der Arbeitnehmer und Bewerber auf eine diskriminierungsfreie Behandlung und dem Autonomierecht der Kirche erfolgen. Die Religionszugehörigkeit muss mit Blick auf die konkreten Tätigkeiten notwendig, objektiv geboten und erforderlich sein. Auch die Interessen der benachteiligten Personen müssen Berücksichtigung finden. Die Einhaltung dieser Kriterien muss nicht nur „plausibel" wirken, sondern unterliegt einer vollständigen gerichtlichen Kontrolle. Kirchliche Arbeitgeber können damit jedenfalls nicht pauschal von sämtlichen Mitarbeitern ohne nähere Begründung eine bestimmte Religionszugehörigkeit fordern.
Scheinbar am Rande betonte der EuGH darüber hinaus, dass bestimmte nationale Rechtsvorschriften – hier also das AGG – unanwendbar bleiben müssen, wenn sie nicht im Einklang mit europäischen Richtlinien stehen. Diese Aussage hat nicht nur für den Bereich der kirchlichen Arbeitgeber Relevanz, sondern bestätigt die generelle Tendenz zu Vereinheitlichung des Rechts und der Rechtsprechung in Europa.

IV. Konkrete Folgen der Entscheidung

Über die Einhaltung dieser europäischen Vorgaben müssen nun nationale Gerichte entscheiden. Ob die Klägerin also einen Anspruch auf Entschädigung hat, ist noch nicht geklärt. Der Spielraum der Kirchen und Religionsgemeinschaften wird durch das Urteil jedoch merklich begrenzt. In Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts dürfen sie zwar Anforderungen an die Konfession ihrer Bewerber formulieren, diese sind jedoch in stärkerem Maß als bisher rechtlich überprüfbar. Je weiter sich eine Tätigkeit dabei von der Verkündung des jeweiligen Glaubens entfernt, desto schwieriger wird es sein, die zwingende Notwendigkeit der Religionszugehörigkeit zu begründen.

Auch bei einer unzulässigen Ungleichbehandlung wegen der Religion kann der Bewerber aber keine Beschäftigung, sondern lediglich Entschädigung verlangen. Allerdings hat der Rat der Evangelischen Kirche bereits im Dezember 2016 die Richtlinie zu kirchlichen Anforderungen der beruflichen Mitarbeit neu gefasst. Die Anforderungen an die Religionszugehörigkeit von Bewerbern wurden darin deutlich gelockert. Ähnliche Tendenzen sind auch in der katholischen Kirche zu beobachten. Diese neue Offenheit kirchlicher Arbeitgeber dürfte die wahre Hoffnung für konfessionslose Bewerber darstellen.

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