Zwischenbilanz der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Reichlich Mehraufwand für Unternehmen und viele offene Fragen
Elektronische Krankschreibung – Was hat sich verändert?
Praxishinweis:
Blick auf die Praxis und die aktuellen Probleme
Nach knapp 1 ½ Jahren eAU ist festzuhalten, dass die Umsetzung nicht so reibungslos verläuft wie erhofft. Kernproblem bleibt, dass die Übermittlung der eAU an die Unternehmen oftmals verzögert erfolgt. Es kommt vor, dass die eAU mehrfach und tagelang hintereinander abgerufen werden muss, bevor Unternehmen Klarheit über den Krankheitszeitraum und eine mögliche Erst- oder Folgebescheinigung erlangen. Dies führt immer wieder dazu, dass schon ausgestellte Lohnabrechnungen nachträglich zu korrigieren sind. Für Arbeitgeber bedeutet dies bis zu 14 Tage Unsicherheit, ob die gemeldete Arbeitsunfähigkeit tatsächlich vorliegt. Mehr als jede fünfte Arbeitgeber-Abfrage führe nicht zum gewünschten Erfolg. Das führt für Unternehmen zu Mehraufwand statt zur versprochenen Entlastung. Der Chefvolkswirt des BVMW, Hans-Jürgen Volz, sieht hierin eine „unkalkulierbare zusätzliche Belastung“ für Unternehmen.
Hinzu kommen Mehrkosten in der Lohnbuchhaltung durch Steuerberater und Unsicherheit, ob überhaupt ein Krankheitsfall vorliegt. Auch die Tatsache, dass einige Arztpraxen immer noch keine digitale Übermittlung veranlassen, trägt zum Mehraufwand bei. Unternehmen müssen daher weiterhin zwischen papierbasierten und digitalen Prozessen jonglieren, was die Situation nicht gerade vereinfacht.
Zusätzlich zu den bereits genannten Herausforderungen gibt es weitere Probleme im Umgang mit der eAU, die Arbeitgebern zu schaffen machen. Bei der digitalen Übermittlung ist es nicht möglich, den ausstellenden Arzt oder die ausstellende Ärztin zu erkennen. Dies ist im Hinblick auf fragwürdige Online-Anbieter (siehe hierzu unseren Blog) oder Ärzt*innen, die für eine Vielzahl von zweifelhaften Bescheinigungen bekannt sind, hoch problematisch. Die gesetzliche Regelung des § 275 Abs. 1a SGB V, die die Einschaltung des medizinischen Dienstes bei Zweifeln an der AUB vorsieht, läuft somit in Teilen bei der eAU leer. Verständlich ist dies nicht, da die Übermittlung von Arztpraxis zur Krankenkasse per qualifizierter elektronischer Signatur erfolgt, sodass die Urheberschaft ohne Weiteres auszulesen und weiterzugeben wäre.
Achtung bei Übermittlungsfehlern – Besteht ein Leistungsverweigerungsrecht?
Lösungsansätze und Handlungsmöglichkeiten für Unternehmen
Fazit
Drei Felder sind hierfür zentral und vom Gesetzgeber anzupassen:
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Die eAU muss die Urheberschaft erkennen lassen. Technisch wäre dies problemlos möglich.
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Krankenkassen sollten die eAU nach Aufbereitung automatisiert an den jeweiligen Arbeitgeber versenden.
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Auch die privaten Krankenversicherungen sollten in den Prozess eingebunden werden, um zwei unterschiedliche Arbeitsprozesse in Unternehmen zu verhindern.
Über den Autor
Dr. Michel Hoffmann ist seit Anfang 2019 als Rechtsanwalt für die Sozietät Küttner tätig. Dort berät und vertritt er seine Mandanten in allen Belangen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen die Gestaltung komplexer arbeitsrechtlicher Regelungen, Beendigungsstreitigkeiten sowie sämtliche Fragen des Betriebsverfassungsrechts.