Telefonische Krankschreibung und Kinderkrankmeldung – neue Herausforderungen für Unternehmen
Die Neuregelung im Überblick
Die Voraussetzungen in der Neufassung von § 4 Abs. 5a der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie lauten damit im Einzelnen:
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Ist eine Patientin oder ein Patient der Arztpraxis bekannt, kann ihr oder ihm bei Erkrankungen mit leichter Symptomatik nach einer telefonischen Beratung mit der Ärztin / dem Arzt, eine Arbeitsunfähigkeit für bis zu 5 Tage bescheinigt werden. Eröffnet wird diese Möglichkeit jedoch nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Regelung erst dann, wenn eine virtuelle Sprechstunde seitens der Praxis oder des Mitarbeitenden nicht möglich ist. Für eine Folgebescheinigung muss die Praxis aufgesucht werden.
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Ausnahmen sollen nur dann gelten, wenn die Erstbescheinigung in einer persönlichen Untersuchung ausgestellt worden ist und später lediglich telefonisch verlängert werden soll. Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist zudem ein Einlesen der Gesundheitskarte nicht erforderlich. Bereits im System hinterlegte Daten sind für die Ausstellung der Bescheinigung ausreichend. Allerdings müssen Ärztinnen und Ärzte die Authentifizierung der oder des Versicherten sicherstellen. Genauere Vorgaben macht die Richtlinie hierzu nicht. Das schafft zunächst tatsächlich Bürokratieabbau, wirft allerdings auch wieder Fragen nach den praktischen Abläufen auf.
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Wichtig zu betonen ist allerdings, dass Ärztinnen und Ärzte ausdrücklich frei entscheiden können, ob ihre Praxis eine telefonische Anamnese unterstützt. Ein Anspruch der Versicherten hierauf besteht nicht.
Hinweis:
Herausforderungen für Unternehmen
Beweisfragen und -zweifel
Zweifel an der tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit trotz ärztlicher Bescheinigung sind nicht neu. Wenn Mitarbeitende hierfür aber weder das Haus verlassen noch per Video mit der Arztpraxis korrespondieren müssen, sinkt die Hemmschwelle merklich. Arbeitgeber können der AUB leider nicht entnehmen, auf welchem Weg sie zustande gekommen ist. Selbst bei Kenntnis von einer telefonischen Anamnese ist anzunehmen, dass wie bei der Erschütterung jeder anderen AUB Tatsachen vorliegen müssen, die Zweifel an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit begründen. Denkbar sind Aussagen und Verhalten des Mitarbeitenden: beispielsweise eindeutige und einer Erkrankung widersprechende Social-Media Inhalte oder bekanntes Freizeitverhalten. Aber auch Umstände der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung selbst können ihren Beweiswert in Zweifel ziehen. Erst kürzlich entschied das BAG, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst und nach der unmittelbar eine neue Beschäftigung aufgenommen wird, ihren Beweiswert verliert. Aufgrund der klar formulierten subsidiären Funktion der telefonischen Krankschreibung ist zu fordern, dass die Hürden einer Beweiswerterschütterung durch Arbeitgeber jedenfalls niedriger zu setzen sind. Ob hier seitens der Gerichte eine Abstufung vorgenommen wird, bleibt abzuwarten.
Hinweis:
Fazit: Der Fokus auf die Art und Weise der Erteilung einer AUB wird zunehmen
Über den Autor
Dr. Michel Hoffmann ist seit Anfang 2019 als Rechtsanwalt für die Sozietät Küttner tätig. Dort berät und vertritt er seine Mandanten in allen Belangen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen die Gestaltung komplexer arbeitsrechtlicher Regelungen, Beendigungsstreitigkeiten sowie sämtliche Fragen des Betriebsverfassungsrechts.