„Ab in den Sommerurlaub“: das Corona-Virus, der Sommerurlaub und das Arbeitsrecht – was Arbeitgeber jetzt beachten sollten
Nachdem lange unklar war, ob und in welcher Form ein Sommerurlaub dieses Jahr möglich sein wird, hat das Auswärtige Amt seine Reisewarnung zumindest für die meisten Länder Europas aufgehoben. Da die weitere Ausbreitung des Corona-Virus auch vom Verhalten der Bevölkerung abhängen wird und die nationalen wie internationalen Entwicklungen zurzeit nicht absehbar sind, bleibt der Sommerurlaub 2020 allerdings nicht risikolos. Spätestens mit der ersten Rückreisewelle aus den Urlaubsländern, werden daher auch einige arbeitsrechtliche Fragestellungen an Relevanz gewinnen. Ein Überblick:
I. Ausgangslage: Länderspezifische Hinweise des Auswärtigen Amtes
Für die meisten Länder Europas hat das Auswärtige Amt seine Reisewarnung aktuell aufgehoben. Überschreitet in einem Land aber die Neuinfiziertenzahl im Verhältnis zur Bevölkerung um mehr als 50 Fälle pro 100.000 Einwohner kumulativ in den letzten 7 Tagen, wird die Reisewarnung neu ausgesprochen. Aus diesem Grund gilt momentan etwa eine Reisewarnung für Schweden. Wegen der kritischen Situation vor Ort wird zudem von Reisen nach Großbritannien, Irland und Malta abgeraten. Für die meisten Länder außerhalb Europas besteht derzeit bis voraussichtlich zum 31. August 2020 eine Reisewarnung für nicht notwendigen, touristischen Reisen. (ausführlich dazu: https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/covid-19/2296762). Neben den nationalen Hinweisen des Auswärtigen Amtes sehen einige Länder spezielle Sicherheitsvorgaben vor. So hat etwa die britische Regierung am 22. Mai 2020 bekannt gegeben, dass sich alle Einreisenden in das Vereinigte Königreich in eine 14-tägige Quarantäne (häusliche Isolierung) begeben müssen. Kommt es bei der Urlaubsreise zu einer Erkrankung oder einem Krankheitsverdacht, kann zudem die Behörde des jeweiligen Landes Quarantänemaßnahmen anordnen. Eine Rückreise ist während dieser Zeit in der Regel nicht möglich.
II. Quarantänepflicht bei Rückreise
Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat in einem Eilverfahren eine generelle Quarantänepflicht für alle Urlaubsrückkehrer aus dem EU-Ausland für unwirksam erachtet (Beschluss vom 11. Mai 2020, 13 MN 143/20). Die meisten Bundesländer haben im Anschluss ihre Verordnungen angepasst. In NRW besteht (nur) bei der Rückkehr aus einem Risikogebiet (siehe zum Begriff sogleich) die Pflicht, sich unverzüglich nach der Einreise auf direktem Weg in die eigene Häuslichkeit oder eine andere geeignete Unterkunft zu begeben und dort abzusondern (vgl. § 1 Coronaeinreiseverordnung-NRW, Stand: 22. Juni 2020). Die betroffenen Personen sind verpflichtet, umgehend das Gesundheitsamt zu kontaktieren (§ 1 Abs. 3 Coronaeinreiseverordnung-NRW). Verstöße sind bußgeldbewehrt. Für bestimmte Personengruppen sind Ausnahmen von der Quarantänepflicht vorgesehen, etwa wenn zwingende dienstliche Reisegründe vorlagen. Außerdem kann man sich durch Vorlage eines negativen Corona-Tests bei Einreise, der nicht älter als 48 Stunden ist, von der Quarantäne befreien lassen.
Die Risikogebiete in diesem Sinne werden durch das Bundesministerium für Gesundheit, das Auswärtige Amt und das Bundesministerium des Innern sowie das Robert-Koch-Institut (RKI) auf Basis der dortigen Infektionszahlen festgelegt. Sie sind nicht zwangsläufig mit den Ländern identisch, für die Reisewarnungen bestehen, da Reisewarnungen nicht nur mit Blick auf die Infektionsgefahr ausgesprochen werden. Die Liste der Risikogebiete ist auf der Seite des RKI abrufbar und wird je nach den örtlichen Entwicklungen aktualisiert. Es ist also durchaus denkbar, dass das jeweilige Reiseland beim Urlaubsantritt noch nicht zu einem Risikogebiet zählte, bei der Rückreise indes schon (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete_neu.html).
III. Unmöglichkeit der Arbeitsleistung und Schicksal des Entgeltanspruchs
1. Covid-19-Erkrankung nach Urlaub in einem Risikoland
2. Rückkehr aus dem Urlaub nicht möglich
3. Quarantäne bzw. Absonderung nach Urlaubsrückkehr
Reist eine Person aus einem Risikogebiet zurück, muss sie sich grundsätzlich beim Gesundheitsamt melden und in eine 14-tägige Quarantäne begeben (vgl. § 1 Coronaeinreiseverordnung-NRW). Vorbehaltlich der kurzfristigen Einführung von Homeoffice wird die Arbeitsleistung in diesen Fällen unmöglich. Ungeachtet der behördlichen Quarantäne darf der Arbeitgeber solche Personen mit Blick auf seine Fürsorge- und Schutzpflichten (§§ 241 Abs. 2, 618 BGB) gegenüber der restlichen Belegschaft nicht ohne Weiteres beschäftigten, da von ihnen ein erhöhtes Infektionsrisiko ausgeht.
Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgelt entfällt in solchen Fällen grundsätzlich und wird auch nicht durch § 616 BGB aufrechterhalten. Nach dieser Regelung verliert der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch nicht, wenn er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung gehindert ist. Bei der Einreise in ein Risikogebiet, in dem eine objektive Gefahr der Erkrankung wegen der hohen Infektionszahlen besteht, handelt es sich richtigerweise bereits nicht um einen „in der Person des Arbeitnehmers" liegenden Grund. Im Übrigen wird den Arbeitnehmer bei der bewussten Einreise in ein solches Land ein Verschulden treffen.
Nicht abschließend geklärt ist bislang, ob anstelle des entfallenen Entgeltanspruchs in diesen Konstellationen ein Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 56 IfSG) besteht. Das Infektionsschutzgesetz sieht im Fall einer behördlich angeordneten Quarantäne für die Dauer von sechs Wochen ein Entschädigungsanspruch in Höhe des Verdienstausfalls und im Anschluss in Höhe des Krankengeldes vor. Der Anspruch richtet sich gegen die zuständige Behörde, wobei der Arbeitgeber zunächst in Vorleistung treten muss (§ 56 Abs. 5 IfSG). Bedenken bestehen, da die Anordnung der häuslichen Absonderung nach Urlaubsrückkehr auf einer Rechtsverordnung und nicht – wie im Normalfall – auf einer Einzelfallbewertung der jeweiligen Gesundheitsämter beruht. Zudem begibt sich die jeweilige Person in Kenntnis der Quarantänepflicht bewusst in ein Risikogebiet. Andererseits ist es nach dem Wortlaut des § 56 IfSG ausreichend, wenn ansteckungsverdächtige Personen durch eine behördliche Maßnahme „abgesondert" werden.
Angesichts dieser rechtlichen Unsicherheit sollte der grundsätzlich zur Vorleistung verpflichtete Arbeitgeber (§ 56 Abs. 5 IfSG) jedenfalls nicht vorschnell Zahlungen leisten. Da die zuständigen Behörden der Länder auf Basis unterschiedlicher Verordnungen agieren, ist vielmehr eine vorherige Abstimmung mit den zuständigen Stellen empfehlenswert. In NRW scheinen die insoweit zuständigen Landschaftsverbände jedenfalls grundsätzlich von einem Erstattungsanspruch in solchen Fällen auszugehen (vgl. https://www.corona-infektionsschutzgesetz-nrw.lwl.org/de/quarantaene-und-taetigkeitsverbot/)
IV. Handlungshinweise für den Arbeitgeber
Auf Grundlage der vorstehenden Punkte sollte der Arbeitgeber in Abstimmung mit dem Betriebsrat kurzfristig folgende Maßnahmen ergreifen:
- Vor Urlaubsantritt sollte auf die Liste der Risikogebiete hingewiesen werden. Zudem ist gegenüber der Belegschaft zu kommunizieren, dass im Fall der Urlaubsreise in ein Risikogebiet oder in Länder mit Reisewarnung eine häusliche Quarantäne droht und der Entgeltanspruch entfallen kann. Hingewiesen werden sollte auch darauf, dass dies ebenso für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Fall einer Erkrankung an Covid-19 im Anschluss an die Reise in ein Risikogebiet gilt.
- Weiterhin sollten die Arbeitnehmer dafür sensibilisiert werden, dass sie im Fall der Rückkehr aus einem Risikogebiet und/oder einer behördlich angeordneten Quarantäne zur Auskunft gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet sind. Diese Auskunftspflicht folgt hinsichtlich des Corona-Virus daraus, dass den Arbeitgeber gegenüber der restlichen Belegschaft Fürsorge- und Schutzpflichten (§§ 241 Abs. 2, 618 BGB) treffen. Der Arbeitnehmer ist zur Mitwirkung und wahrheitsgemäßen Beantwortung von Fragen in diesem Bereich verpflichtet (vgl. §§ 15, 16 Arbeitsschutzgesetz).
- Darüber hinaus sollten Urlaubsrückkehrer konkret befragen werden, ob sie sich in den genannten Risikoregionen (Stand: Datum der Rückreise (!)) aufgehalten haben und/oder Symptome einer Covid-19-Erkrankung haben. Dazu kann unter Einbindung des Betriebsrates ein standardisierter Fragenkatalog erstellt werden. Die Verarbeitung personenbezogener Daten in solchen Fällen wird auch von den Datenschutzbehörden als zulässig angesehen (vgl. https://www.bfdi.bund.de/DE/Datenschutz/Themen/Gesundheit_Soziales/GesundheitSozialesArtikel/Datenschutz-in-Corona-Pandemie.html)
Neben den rechtlichen Fragen wird eine einheitliche und frühzeitige Kommunikation für mehr Akzeptanz bei der Belegschaft sorgen und dabei helfen, spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. In diesem Sinne gilt: „Ab in den Sommerurlaub"!