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Key-Takeaways aus dem Bericht der Kommission zur Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie
Die Entgelttransparenzrichtlinie (ETRL) muss bekanntlich bis spätestens zum 7. Juni 2026 in nationales Recht umgesetzt werden. Das zuständige Familienministerium (BMFSFJ) hat dazu eine Kommission aus elf Expertinnen und Experten zur Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie eingesetzt.
Deren Bericht wurde am 7. November 2025 an die Bundesministerin Karin Prien übergeben und veröffentlicht. Aus dem rund 80 Seiten langen Bericht und den enthaltenen Vorschlägen lassen sich wichtige Erkenntnisse ableiten. Wir geben einen ersten Überblick.
I.
Ziel und Aufbau des Berichts
Es handelt sich um Vorschläge für die Umsetzung der ETRL durch den nationalen Gesetzgeber. Diese Vorschläge sind rechtlich nicht verbindlich, es ist aber davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber daran orientieren wird.
Zudem positioniert sich die Kommission – was nicht verwunderlich ist – nicht in allen Bereichen einheitlich. Auch wenn einige Aspekte im Bericht der Kommission klar adressiert sind, gibt es eine Reihe von Sondervoten, in denen abweichende Positionen geäußert werden.
II.
Berichtspflichten
Berichtspflichten sollen erst ab Unternehmen mit 100 Beschäftigten greifen, von der Opt-In Möglichkeit der ETRL für kleinere Unternehmen soll der deutsche Gesetzgeber also keinen Gebrauch machen.
Bezugspunkt der Berichtspflichten soll das tatsächlich bezahlte Entgelt bilden (Ist-Engelt) und nicht das Ziel-Entgelt. Bei variablen und ergänzenden Entgeltbestandteilen sollen Unternehmen selbst entscheiden dürfen, ob sie solche Bestandteile einzeln oder in inhaltlich sinnvollen Gruppen berichten. Geringwertige Sachleistungen und nicht vom Vertragsarbeitgeber gewährte Aktienoptionen können von der Berichtspflicht ausgenommen werden. Gleiches soll für Abfindungen gelten. Zudem sollen die Bericht in Textform, d.h. nicht in Papierform möglich sein. Ob gebündelte Berichte im Konzern für alle Unternehmen möglich sein sollen, wird nicht abschließend beantwortet.
III.
Beweislast
Die Kommission bittet den Gesetzgeber mehrheitlich, die sich aus der ETRL ergebenden Konsequenzen für die Darlegungs- und Beweislastverteilung im Individualprozess zu regeln.
Dies ist insbesondere mit Blick auf die aktuelle Rechtsprechung des BAG zum Eingreifen einer Vermutungswirkung sehr zu begrüßen (vgl. BAG, Urteil vom 23. Oktober 2025 – 8 AZR 300/24).
IV.
Abhilfeverlangen bei Gender-Pay-Gap
Wenn sich aus der Berichtspflicht ein bereinigtes Gender-Pay-Gap von mindestens 5 Prozent ergibt, welches nicht zu rechtfertigen ist, dann muss das Unternehmen Abhilfemaßnahmen ergreifen und – sofern dies nicht gelingt – eine gemeinsame Entgeltbewertung mit der Arbeitnehmervertretung vornehmen („Joint-Pay-Assessment“).
Zudem sieht die ETRL vor, dass Arbeitgeber innerhalb einer angemessenen Frist in enger Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretern Abhilfe zu schaffen haben, wenn geschlechtsspezifische Entgeltunterschiede nicht durch objektive, geschlechtsneutrale Kriterien gerechtfertigt sind.
Die Kommission regt in diesem Rahmen ein zweistufiges Verfahren an: Unternehmen sollen die Arbeitnehmervertretung zeitnah – vorgeschlagen werden 6 Wochen – unterrichten und anhören. Sofern nicht sofort Maßnahmen zur Beseitigung eines vorhandenen Gender-Pay-Gaps getroffen werden können, sollen beide Seiten einen konkreten Fahrplan mit eigenen Fristen vereinbaren.
Nicht abschließend positioniert sich die Kommission dazu, welche Arbeitnehmervertretung – also Gewerkschaft oder Betriebsrat – zu beteiligen ist. Es wird angeregt, dass der Gesetzgeber dazu eine präzise Regelung trifft. Wenn keine Arbeitnehmervertretungen im Unternehmen vorhanden sind, soll keine Pflicht zur Bildung entsprechender Vertretungen bestehen.
V.
Auskunftsverlangen
Bezugspunkt der Auskunft soll das im Vorjahreszeitraum gezahlte Bruttogesamtentgelt, aufgeschlüsselt in das Bruttojahresentgelt und das entsprechende Bruttostundenentgelt bilden.
Auch wenn die ETRL selbst keine zeitliche Begrenzung des Auskunftsanspruchs vorsieht, erachtet die Kommission eine Begrenzung auf einmal pro Kalenderjahr als sachgerecht und unionsrechtskonform. Die Antworten können in digitaler Form erfolgen. Der erste Auskunftsanspruch nach der ETRL solle zudem erst 2027 geltend gemacht werden dürfen. Sehr zu begrüßen ist, dass die Kommission mehrheitlich hypothetische oder ausgeschiedene Arbeitnehmer als Vergleichspersonen abgelehnt. In Bezug auf datenschutzrechtliche Erwägungen wird zudem angeregt, dass die Vergleichsgruppe eine gewisse Mindestgröße aufweisen müsse.
VI.
Privilegierung für tarifgebundene Unternehmen
Tarifverträge sollen weiterhin eine Angemessenheitsvermutung genießen. Dies bedeutet, dass tarifgebundene Arbeitgeber bei einer gleichen tarifliche Entgeltgruppe auch von gleicher oder gleichwertiger Arbeit ausgehen können.
Dies wohl unabhängig davon, welches System der Arbeitsbewertung dem Tarifvertrag zugrunde liegt. Durch den Auskunftsanspruch soll der auskunftsersuchenden Person aber die Möglichkeit eröffnet werden, nachzuweisen, dass die tarifliche Eingruppierung im Widerspruch zur ETRL steht. Weiter sollen tarifgebundene Unternehmen mehr Zeit für die Erfüllung von Auskunftsbegehren und Abhilfeverfahren erhalten. Ob eine solche – in der europäischen Richtlinie nicht angelegte „Begünstigung“ tarifgebundener Unternehmen – europarechtskonform ist, erscheint durchaus zweifelhaft. Dennoch werden sich Unternehmen daran einstweilen orientieren können.
VII.
Rechtfertigungsgründe und Besitzstände / Digitalisierung
Die Kommission empfiehlt einen umfassenden, aber nicht abschließenden Katalog von Rechtfertigungsgründen für Entgeltunterschiede.
Dieser könne ähnlich wie in § 10 Satz 3 AGG - dort zur Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters – ausgestaltet sein. Auch soll es konkrete gesetzliche Regelungen zur Wahrung von Besitzständen geben.
Die Kommission empfiehlt die Entwicklung von Tools zur Bewertung der Gleichwertigkeit von Tätigkeiten und die Angliederung der Berichtspflichten an bestehende technische Systeme.
VIII.
Fazit und Ausblick
Der Bericht stellt einige wichtige Aspekte klar, an denen sich der Gesetzgeber hoffentlich orientieren wird und zudem auch einige weitere praxisrelevante Fragen klärt.
Dazu zählen etwa der praktische Umgang mit Berichtspflichten in Konzernstrukturen aber auch die genaue Einbindung der Arbeitnehmervertretungen im Rahmen des Joint-Pay-Assessment.
Einmal mehr ist zu betonen, dass Unternehmen nun konkrete Schritte zur Umsetzung der ETRL ergreifen müssen. Andernfalls drohen erhebliche Risiken, die bis zur Erosion ganzer Vergütungssysteme reichen können, wenn Differenzen im Entgelt nicht auf Grundlage geschlechtsneutraler Kriterien erklärt werden können.
Mehr Informationen zum Thema finden Sie auch in unserer aktuellen Blogreihe.
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Über den Autor
Dr. Thomas Köllmann berät und vertritt bei der Sozietät Küttner seit 2018 Unternehmen, Führungskräfte und Organmitglieder in allen Bereichen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts sowie des Dienstvertragsrechts. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen die Vertragsgestaltung, betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen, das Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst sowie die Beratung im Bereich des Beschäftigtendatenschutzes und Themen rund um die Arbeitswelt 4.0. Er promovierte berufsbegleitend zu betriebsverfassungsrechtlichen Fragestellungen unter besonderer Berücksichtigung der Datenschutzgrundverordnung. Dr. Thomas Köllmann veröffentlicht und doziert regelmäßig zu arbeitsrechtlichen Themen.