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Attraktivität steigern - § 18a TVöD VKA schafft neue Möglichkeiten für den öffentlichen Dienst
I.
Worum geht es?
Die Tarifeinigung vom 25. Oktober 2020 hat nicht nur zur Abschaffung der Grenze für vermögenswirksame Leistungen (EUR 6,65 jetzt als Mindestbetrag) und zum TV-Fahrradleasing (max. EUR 7.000 über 36 Monate) geführt, sondern auch zur Aufnahme des § 18a TVöD VKA.
Kommunale Arbeitgeber:innen haben dadurch nun die Möglichkeit, Budget aus dem Gesamtvolumen des Leistungsentgeltsystem gemäß § 18 TVöD VKA für ein alternatives Entgeltanreiz-System einzusetzen. Erklärtes Ziel ist insbesondere die Steigerung der Attraktivität öffentlicher Arbeitgeber:innen. § 18a TVöD wurde auch in die durchgeschriebenen Fassungen des TVöD-V, TVöD-K, TVöD-B, TVöD-F und TVöD-E aufgenommen und gilt daher im Anwendungsbereich der genannten Tarifverträge für die erfassten Arbeitnehmer:innen. Dieser Beitrag erläutert die neu eröffneten Möglichkeiten und bietet einen Leitfaden zur Umsetzung.
II.
Das Bekannte - Leistungsentgelt nach § 18 TVöD VKA
Bekannt und vielfach erfolgreich eingeführt ist das Leistungsentgelt-System (LOB-System) nach § 18 TVöD VKA. Ob in Form einer Leistungs- oder Erfolgsprämie oder einer Leistungszulage, aufgrund entsprechender Betriebs- oder Dienstvereinbarungen erfolgen zusätzlich zum Tabellenentgelt variable und leistungsorientierte Zahlungen an die Arbeitnehmer:innen.
Das Leistungsentgelt stellt ein leistungssteuerndes Element dar, welches die Steigerung der Qualität öffentlicher Dienstleistungen ebenso wie die Motivation der Arbeitnehmer:innen und Stärkung von Eigenverantwortung und Führungskompetenz bezwecken soll.
Das den kommunalen Arbeitgebern:Arbeitgeberinnen dafür zur Verfügung stehende Gesamtvolumen beläuft sich nach § 18 Abs. 3 TVöD VKA auf 2 % der ständigen Monatsentgelte des Vorjahres aller unter den Geltungsbereich des TVöD fallenden Beschäftigten des:der jeweiligen Arbeitgebers:Arbeitgeberin. Wird das Gesamtbudget nach § 18 Abs. 3 TVöD VKA in einem Jahr nicht aufgebraucht, erhöht sich das Budget im Folgejahr um eben diesen Restbetrag.
Derartige „Reste“ können nun insbesondere durch „Sonderzahlungen“ nach § 18a TVöD VKA vermieden werden. Für die Sonderzahlungen bleibt es dabei, dass diese nur aus besonderem Grund erfolgen dürfen, der über die Alltäglichkeit hinausgeht. Völlig undifferenzierte, pauschale Zahlungen sind weiterhin abzulehnen (Gießkannenprinzip).
III.
Die Neuerung - Alternatives Entgeltanreiz-System nach § 18a TVöD VKA
§ 18a TVöD VKA eröffnet dem:der kommunalen Arbeitgeber:in eine alternative Möglichkeit zur Einführung von Entgeltanreizen, sogenannten „Incentives“. Maßgeblicher Unterschied zum Leistungsentgelt des § 18 TVöD VKA: die Zahlungen erfolgen losgelöst von jeglichem Leistungsbezug.
Die Regelung stellt dabei ausdrücklich keinen Ersatz, sondern eine Ergänzung dar. Das in § 18 Abs. 3 TVöD VKA geregelte Gesamtvolumen kann ganz oder teilweise für das Entgeltanreiz-System verwendet werden.
Das umzuwidmende Volumen ebenso wie die Aufteilung des Budgets auf die verschiedenen Elemente sind durch Betriebs- oder einvernehmliche Dienstvereinbarung zu regeln. Sofern kein Personal- oder Betriebsrat besteht obliegt es dem:der Arbeitgeber:Arbeitgeberin die Verwendung des Budgets sicherzustellen. Eine einvernehmliche Dienstvereinbarung liegt gemäß § 38 Abs. 3 TVöD VKA nur vor, soweit sie ohne Entscheidung der Einigungsstelle getroffen wurde.
Szenario 1:
Keine neue/veränderte Betriebs- oder Dienstvereinbarung und Beibehalten des bestehenden LOB-Systems nach § 18 TVöD.
Szenario 2:
Anteilige Verwendung des Gesamtbudgets z.B. 25 % Incentives nach § 18a TVöD und 75 % LOB-Budget nach § 18 TVöD.
Szenario 3:
Vollständige Umwidmung in bestimmte Incentives nach § 18a TVöD (100 %).
LOB-System i.S.d. § 18 TVöD
Entgeltanreiz-System i.S.d. § 18a TVöD
Geeignet ist zunächst grundsätzlich jede Maßnahme, die zur Verbesserung der Arbeitsplatzattraktivität, der Gesundheitsförderung oder der Nachhaltigkeit beiträgt (§ 18a Abs. 2 TVöD). Die Möglichkeiten der Arbeitgeber:innen sind somit vielfältig.
Die Vergabe der Incentives kann, muss aber nicht an besondere Voraussetzungen gebunden werden. Ein individueller Anspruch der Arbeitnehmer:innen auf Anwendung des § 18a TVöD VKA oder spezielle Maßnahmen besteht nicht.
Mögliche Maßnahmen:
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Zuschüsse für Fitnessstudios
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Zuschüsse zur Gesundheitsvorsorge
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Sonderzahlungen
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Fahrkostenzuschüsse für ÖPNV/Job-Ticket/Pkw
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Sachbezüge (zB Waren- oder Tankgutscheine)
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Zuschüsse zur Kita/Kinderbetreuung
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Wertgutscheine
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Anschaffung und Übereignung von Datenverarbeitungsgeräten (zB Smartphone, Laptop, Tablet)
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Weiterbildungsleistungen
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Unentgeltlicher Eintritt in Einrichtungen des:der Arbeitgebers:Arbeitgeberin
Zur darüber noch hinausgehenden Flexibilisierung und damit auch Individualisierung bietet sich die Einführung eines sogenannten „Cafeteria-Modells“ an. Hierbei hat der:die Beschäftigte eine (periodische) Wahlmöglichkeit hinsichtlich der unterschiedlichen Elemente, um individuellen Bedürfnissen und Umständen Rechnung tragen zu können.
So kann beispielsweise für den Arbeitnehmer A ein Zuschuss zur Kinderbetreuung ein starker Anreiz sein, während die Arbeitnehmerin B einen Fahrkostenzuschuss präferiert. Die erstmalige Einführung des Cafeteria-Modells führt zu einem erhöhten administrativen Aufwand. Hier empfiehlt sich eine vorausschauende Planung mit längerem zeitlichen Vorlauf.
IV.
Leitfaden
Die Regelung der Leistungsentgelte sowie alternativen Entgeltanreize erfolgt auf Grundlage einer Betriebs-/ oder einvernehmlichen Dienstvereinbarung, die an interne Strukturen und individuelle Ziele anzupassen ist. Empfehlenswert sind eine bewusste und zweckgerichtete Kombination verschiedener Anreizkomponenten sowie Regelungen, die verständlich und transparent sind und damit die Akzeptanz in der Belegschaft fördern.
-
1.
Wie hoch ist das Gesamtbudget nach § 18 Abs. 3 TVöD VKA? -
2.
Soll überhaupt eine Umwidmung (eines Teils) des Gesamtbudgets erfolgen oder lässt man die bestehenden Vereinbarungen zu Leistungsentgelten unverändert? -
3.
Welcher Anteil des Gesamtbudgets soll für das alternative Entgeltanreiz-System verwendet werden? Welche Mittel sind zur Finanzierung der Erfolgsprämie notwendig und können damit nicht umgewidmet werden? -
4.
Welche Ziele sollen mit den Incentives konkret verfolgt werden? -
5.
Welche Maßnahmen passen zum:zur Arbeitgeber:in und sind geeignet die individuell gesetzten Ziele zu fördern? -
6.
Soll es ein Cafeteria-Modell geben? -
7.
Inwiefern können die einzelnen Maßnahmen möglichst vorteilhaft steuer-/sozialversicherungsfrei ausgestaltet werden? -
8.
Sind Regelungen hinsichtlich Einschränkungen bei Teilzeit/Zeiten ohne Entgelt-/Entgeltfortzahlungsanspruch gewünscht oder erforderlich?
Um die Auswirkungen und den Erfolg des eingeführten Konzepts zu überprüfen, empfiehlt sich die Durchführung eines „Anreizcontrollings“, wobei sonstige Faktoren wie Einführung/Abschaffung von Home-Office oder die Flexibilisierung von Arbeitszeiten Berücksichtigung finden müssen.
V.
Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Aspekte
Leistungsentgelte unterliegen wie das reguläre Entgelt der Lohnsteuer und sind sozialversicherungspflichtig. Soweit es sich um steuerpflichtige Einnahmen der Beschäftigten handelt, sind die gewährten Leistungen zusatzversorgungspflichtig (§ 18a Abs. 3 TVöD VKA). Es bieten sich aber auch eine Reihe steuergünstiger Gestaltungsmöglichkeiten:
Mögliche Maßnahmen:
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Jobtickets (§ 3 Nr. 15 EStG),
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KiTa-Zuschüsse für nicht schulpflichtige Kinder (§ 3 Nr. 33 EStG)
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Zuschüsse zur Gesundheitsvorsorge (§ 3 Nr. 34 EStG)
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Weiterbildungsleistungen des:der Arbeitgebers:Arbeitgeberin (§ 3 Nr. 19 Satz 1 Buchstabe b EStG)
-
Gewährung unentgeltlichen Eintritts in Einrichtungen des:der Arbeitgebers:Arbeitgeberin i.R.d. Regelung über Personalrabatte (§ 8 Abs. 3 EStG)
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Sachbezüge bis EUR 44,00 monatlich (ab 1.1.2022: EUR 50,00). Zu beachten ist hier, dass bereits gewährte Sachbezüge anzurechnen sind.
Pauschal zu versteuern (u.a.):
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Zuschüsse zu Fahrtkosten für Fahrten zwischen der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte (§ 40 Abs. 2 Satz 2 EStG)
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Übereignung von Datenverarbeitungsgeräten (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG)
Bei Unsicherheit hinsichtlich der Anwendung lohnsteuerrechtlicher Vorschriften besteht der Anrufungsanspruch nach § 42e EStG.
VI.
Fazit
Kommunalen Arbeitgebern:Arbeitgeberinnen wird mit dem alternativen Entgeltanreiz-System ein flexibles Instrument an die Hand gegeben, das bei durchdachtem Einsatz geeignet ist, einen wesentlichen Beitrag zur Arbeitsplatzattraktivität, Gesundheitsförderung und Nachhaltigkeit zu leisten.
Insbesondere bei Einführung des Cafeteria-Modells kann es auch wirtschaftlich sowohl für den:die Arbeitgeber:in als auch für Arbeitnehmer:innen attraktiv sein.
Erfolgsentscheidend wird das Gesamtkonzept aus kombinierten leistungsbezogenen und leistungsunabhängiger Anreizelementen sein, das in jedem Fall an die individuellen Gegebenheiten, Strukturen und Ziele des:der Arbeitgebers:Arbeitgeberin angepasst sein sollten und in einer entsprechenden Betriebs- oder Dienstvereinbarung klar und verständlich geregelt ist.
Ein besonderer Dank gilt unserer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Frau Laura Lex für die Mitwirkung an diesem Beitrag.
Über den Autor
Dr. Herbert Hertzfeld ist langjährig im gesamten Gebiet des Arbeitsrechts sowohl beratend als auch forensisch tätig. Er verfügt über besondere Expertise im Bereich der betrieblichen Altersversorgung und in der der Gestaltung und Durchsetzung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote und berät und vertritt Arbeitgeber aus verschiedenen Branchen sowie Arbeitnehmer und Betriebsräte.