Nachhaltigkeit und betriebliche Mitbestimmung – wie können die Betriebsparteien ihrer Verantwortung gerecht werden?
In den letzten Beiträgen unserer Blogserie wurde bereits deutlich, wie vielschichtig die Gestaltung eines nachhaltigen Human Resources Managements sein kann. Auch wenn in der Praxis die soziale Verantwortung für die Belegschaft als Kerngeschäft des Betriebsrates häufig im Fokus steht, finden sich vermehrt auch Betriebsvereinbarungen zu Themen wie betrieblichem Umweltschutz, Qualifizierungsmöglichkeiten sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz.
Blogserie: Nachhaltigkeit
Autorin dieses Beitrags
Ausgangslage: Die ESG-Strategie ist nicht mitbestimmungspflichtig
Die Rolle des Betriebsrates beim betrieblichen Umweltschutz
Ein Aspekt bildet der betriebliche Umweltschutz, den der Gesetzgeber im Betriebsverfassungsgesetz bereits im Jahr 2001 an unterschiedlichen Stellen verankert hat. So wird der betriebliche Umweltschutz im Gesetz ausdrücklich definiert (§ 89 Abs. 3 BetrVG):
„Als betrieblicher Umweltschutz im Sinne dieses Gesetzes sind alle personellen und organisatorischen Maßnahmen sowie alle die betrieblichen Bauten, Räume, technische Anlagen, Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufe und Arbeitsplätze betreffenden Maßnahmen zu verstehen, die dem Umweltschutz dienen.“
Zugegebenermaßen kommt diesen Beteiligungsrechten in der Praxis eine untergeordnete Bedeutung zu. Der Gesetzgeber hat bereits früh die Bedeutung des Umweltschutzes auf betrieblicher Ebene erkannt, dem Betriebsrat aber bewusst keine Kompetenz für die weiterführenden oder gar überbetrieblichen Fragen eingeräumt. Wirtschaftliche und unternehmensstrategische Aspekte, wie etwa die Anschaffung umweltfreundlicherer Anlagen oder energieärmerer Produktionsprozesse, sind Kernbereich der unternehmerischen Freiheit und unterliegen damit richtigerweise nicht der Mitbestimmung (vgl. BT-Drucks. 14/5741, S. 30). Sofern in der Folge aber eine Betriebsänderung (§ 111 BetrVG) eintritt, etwa weil sich die Betriebsorganisation, Arbeitsmethoden oder Fertigungsverfahren grundlegend verändern und Arbeitsplätze wegfallen, ist der Betriebsrat umfassend wie im Rahmen jeder Restrukturierung zu beteiligen.
Nachhaltiges HR-Management als Chance für die Betriebsparteien
1. Sozialer Schutz bleibt Kernthema
Die aktuelle Präsenz von Nachhaltigkeit und ESG darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Unternehmen in der Kommunikation mit den Betriebsräten bereits mit den „klassischen“ Themen ausgelastet sind. Gerade in Krisenzeiten steht insbesondere der Schutz der Beschäftigten und die Sozialverträglichkeit von Personalabbau im Fokus vieler Betriebsräte. Auch in diesem Bereich kann aber beispielsweise der Abschluss eines so genannten Qualifizierungssozialplans bei einem strukturell bedingten Weiterbildungsbedarf erhebliche Vorteile für alle Parteien bieten. Darin kann etwa der Qualifizierungsbedarf ermittelt, konkrete Teilnahmeregelungen (zeitliche Dauer, Umfang usw.) festgelegt und die Finanzierung der Maßnahmen geregelt werden. Mehr dazu finden Sie hier.
Wie in unserer Blogreihe aufgezeigt, kann ein nachhaltiges HR-Management auch zur Gewinnung von Fachkräften beitragen und bildet zugleich einen wesentlichen Aspekt des Employer-Brandings. Themen wie die Förderung von Aus- und Weiterbildung, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch flexible Arbeitszeitmodelle, betriebliche Gesundheitsförderung oder Diversity Management lassen sich mit Unterstützung durch und in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat häufig einfacher rechtssicher regeln.
2. Business Case - Erfassung von Mobilitätsdaten für mehr Umweltschutz
Datenschutz:
Im Ausgangspunkt muss die Erhebung der Mobilitätsdaten rechtlich zulässig sein. Dies ist etwa der Fall, wenn die Daten für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich sind (§ 26 Abs. 1 S. 1 BDSG). Solange an die erfassten Mobilitätsdaten keine Zahlungen oder Incentives für Beschäftige geknüpft werden, sind die Daten für das Arbeitsverhältnis voraussichtlich nicht „erforderlich“. Fernab der komplexen Frage, ob gesetzliche Vorgaben etwa im Zusammenhang mit der Corporate Sustainability Reporting Directive eine Erhebung der Daten rechtfertigen können, bietet sich der Abschluss einer Betriebsvereinbarung als (zusätzlicher) Erlaubnistatbestand für die Datenverarbeitung an (Art. 88 DS-GVO). Dies bietet zugleich zwei Vorteile: Die Akzeptanz der Belegschaft steigt, wenn die Maßnahme vom Betriebsrat unterstützt wird und die Betriebsvereinbarung schafft eine Erlaubnis für die Datenverarbeitung. Weiterhin können in dieser Betriebsvereinbarung auch ergänzende datenschutzrechtliche Anforderungen wie Speicherbegrenzung oder Zugriffsbefugnisse adressiert werden.
Beteiligungsrechte des Betriebsrates:
Beteiligungsverfahren an neue Herausforderungen anpassen
1. Rahmenbetriebsvereinbarungen
2. Schaffung digitaler Kommunikationsplattformen
Fazit
Über den Autor
Dr. Thomas Köllmann berät und vertritt bei der Sozietät Küttner seit 2018 Unternehmen, Führungskräfte und Organmitglieder in allen Bereichen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts sowie des Dienstvertragsrechts. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen die Vertragsgestaltung, betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen, das Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst sowie die Beratung im Bereich des Beschäftigtendatenschutzes und Themen rund um die Arbeitswelt 4.0. Er promovierte berufsbegleitend zu betriebsverfassungsrechtlichen Fragestellungen unter besonderer Berücksichtigung der Datenschutzgrundverordnung. Dr. Thomas Köllmann veröffentlicht und doziert regelmäßig zu arbeitsrechtlichen Themen.