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Nachhaltigkeit und betriebliche Mitbestimmung – wie können die Betriebsparteien ihrer Verantwortung gerecht werden?

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In den letzten Beiträgen unserer Blogserie wurde bereits deutlich, wie vielschichtig die Gestaltung eines nachhaltigen Human Resources Managements sein kann. Auch wenn in der Praxis die soziale Verantwortung für die Belegschaft als Kerngeschäft des Betriebsrates häufig im Fokus steht, finden sich vermehrt auch Betriebsvereinbarungen zu Themen wie betrieblichem Umweltschutz, Qualifizierungsmöglichkeiten sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz.

Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel auf der einen und ökologischen Krisen auf der anderen Seite kommt den Betriebsparteien bei der nachhaltigen Gestaltung der Unternehmenskultur eine besondere Bedeutung zu. Darüber hinaus sollten sie die Chance nutzen und auch die internen Prozesse an die geänderten Arbeits- und Rahmenbedingungen anpassen.

Blogserie: Nachhaltigkeit

Wer bei Nachhaltigkeit zuerst an Bio-Lebensmittel, Fahrrad statt Auto und recyclebare Verpackungen denkt, liegt sicher nicht falsch – inzwischen umfasst das Thema allerdings noch viele Bereiche mehr. Auch im Human Resources Management spielt der Begriff eine immer größere Rolle.

Autorin dieses Beitrags


I.

Ausgangslage: Die ESG-Strategie ist nicht mitbestimmungspflichtig

Die generelle Ausrichtung des Unternehmens bzw. Konzerns und damit auch die Festlegung und Verankerung einer ESG-Strategie unterliegt – unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben – der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit.
In diesem Bereich hat der Betriebsrat keine unmittelbaren Mitbestimmungsrechte, da es sich um die Festlegung der Unternehmenspolitik und -strategie handelt. Dies ist zugleich der Grund, weshalb in der betrieblichen Praxis ESG häufig nicht als konkretes Regulierungsfeld für die Betriebsparteien angesehen wird. Anders kann dies bei der Umsetzung dieser Unternehmensstrategie auf Ebene der Betriebe aussehen. Wie in unsere Blogserie dargestellt, haben Nachhaltigkeit und ESG viele Facetten und können auf zahlreichen Wegen umgesetzt werden. Die Einbindung des Betriebsrates ist häufig nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, sie kann auch für die Unternehmen Vorteile bieten.

II.

Die Rolle des Betriebsrates beim betrieblichen Umweltschutz

Ein Aspekt bildet der betriebliche Umweltschutz, den der Gesetzgeber im Betriebsverfassungsgesetz bereits im Jahr 2001 an unterschiedlichen Stellen verankert hat. So wird der betriebliche Umweltschutz im Gesetz ausdrücklich definiert (§ 89 Abs. 3 BetrVG):

„Als betrieblicher Umweltschutz im Sinne dieses Gesetzes sind alle personellen und organisatorischen Maßnahmen sowie alle die betrieblichen Bauten, Räume, technische Anlagen, Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufe und Arbeitsplätze betreffenden Maßnahmen zu verstehen, die dem Umweltschutz dienen.“

Erfasst werden durch diese sehr weitgehende Definition – etwas vereinfacht ausgedrückt – alle vom Betrieb und dessen Organisation ausgehenden Auswirkungen auf die Umwelt. Der Betriebsrat kann und soll sich für Maßnahmen des betrieblichen Umweltschutzes einsetzen (§ 89 Abs. 1 BetrVG) und diesen fördern (§ 80 Abs. 1 Nr. 9 BetrVG). Das Unternehmen hat auch den Wirtschaftsausschuss über Fragen des betrieblichen Umweltschutzes zu informieren (§ 106 Abs. 3 Nr. 5a BetrVG).

Zugegebenermaßen kommt diesen Beteiligungsrechten in der Praxis eine untergeordnete Bedeutung zu. Der Gesetzgeber hat bereits früh die Bedeutung des Umweltschutzes auf betrieblicher Ebene erkannt, dem Betriebsrat aber bewusst keine Kompetenz für die weiterführenden oder gar überbetrieblichen Fragen eingeräumt. Wirtschaftliche und unternehmensstrategische Aspekte, wie etwa die Anschaffung umweltfreundlicherer Anlagen oder energieärmerer Produktionsprozesse, sind Kernbereich der unternehmerischen Freiheit und unterliegen damit richtigerweise nicht der Mitbestimmung (vgl. BT-Drucks. 14/5741, S. 30). Sofern in der Folge aber eine Betriebsänderung (§ 111 BetrVG) eintritt, etwa weil sich die Betriebsorganisation, Arbeitsmethoden oder Fertigungsverfahren grundlegend verändern und Arbeitsplätze wegfallen, ist der Betriebsrat umfassend wie im Rahmen jeder Restrukturierung zu beteiligen.

Wenn eine unternehmerische Entscheidung für konkrete Maßnahmen des betrieblichen Umweltschutzes erfolgt – etwa in Form eines Mobilitätsbudgets oder Bikeleasings – so kann der Abschluss von Betriebsvereinbarungen erhebliche Vorteile bieten. Beispielsweise lassen sich die Rahmenbedingungen einheitlich festlegen und der Abschluss zahlreicher Individualvereinbarungen wird entbehrlich.

III.

Nachhaltiges HR-Management als Chance für die Betriebsparteien

1. Sozialer Schutz bleibt Kernthema

Die aktuelle Präsenz von Nachhaltigkeit und ESG darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Unternehmen in der Kommunikation mit den Betriebsräten bereits mit den „klassischen“ Themen ausgelastet sind. Gerade in Krisenzeiten steht insbesondere der Schutz der Beschäftigten und die Sozialverträglichkeit von Personalabbau im Fokus vieler Betriebsräte. Auch in diesem Bereich kann aber beispielsweise der Abschluss eines so genannten Qualifizierungssozialplans bei einem strukturell bedingten Weiterbildungsbedarf erhebliche Vorteile für alle Parteien bieten. Darin kann etwa der Qualifizierungsbedarf ermittelt, konkrete Teilnahmeregelungen (zeitliche Dauer, Umfang usw.) festgelegt und die Finanzierung der Maßnahmen geregelt werden. Mehr dazu finden Sie hier.

Wie in unserer Blogreihe aufgezeigt, kann ein nachhaltiges HR-Management auch zur Gewinnung von Fachkräften beitragen und bildet zugleich einen wesentlichen Aspekt des Employer-Brandings. Themen wie die Förderung von Aus- und Weiterbildung, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch flexible Arbeitszeitmodelle, betriebliche Gesundheitsförderung oder Diversity Management lassen sich mit Unterstützung durch und in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat häufig einfacher rechtssicher regeln.

2. Business Case - Erfassung von Mobilitätsdaten für mehr Umweltschutz

Welche konkreten Projekte sich mit dem Betriebsrat anstoßen lassen, verdeutlich etwa die – aktuell bei vielen Unternehmen erfolgte – sogenannte Mobilitätsumfrage. Dabei wird ermittelt, auf welche Weise Beschäftigte zum Arbeitsplatz gelangen, um den unternehmensseitig veranlassten CO2-Ausstoß zu ermitteln. Hierbei sind unterschiedliche rechtliche Aspekte zu berücksichtigen:

Datenschutz:

Im Ausgangspunkt muss die Erhebung der Mobilitätsdaten rechtlich zulässig sein. Dies ist etwa der Fall, wenn die Daten für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich sind (§ 26 Abs. 1 S. 1 BDSG). Solange an die erfassten Mobilitätsdaten keine Zahlungen oder Incentives für Beschäftige geknüpft werden, sind die Daten für das Arbeitsverhältnis voraussichtlich nicht „erforderlich“. Fernab der komplexen Frage, ob gesetzliche Vorgaben etwa im Zusammenhang mit der Corporate Sustainability Reporting Directive eine Erhebung der Daten rechtfertigen können, bietet sich der Abschluss einer Betriebsvereinbarung als (zusätzlicher) Erlaubnistatbestand für die Datenverarbeitung an (Art. 88 DS-GVO). Dies bietet zugleich zwei Vorteile: Die Akzeptanz der Belegschaft steigt, wenn die Maßnahme vom Betriebsrat unterstützt wird und die Betriebsvereinbarung schafft eine Erlaubnis für die Datenverarbeitung. Weiterhin können in dieser Betriebsvereinbarung auch ergänzende datenschutzrechtliche Anforderungen wie Speicherbegrenzung oder Zugriffsbefugnisse adressiert werden.

Beteiligungsrechte des Betriebsrates:

Sofern solche Umfragen über das Mobilitätsverhalten mit Hilfe einer Software durchgeführt werden, kann ein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bestehen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG), das sich jedenfalls auf die Einführung des IT-Systems bezieht. Dies hat das Bundesarbeitsgericht zuletzt im Zusammenhang mit einer konzernweit elektronisch durchgeführten Mitarbeiterbefragung bestätigt (BAG, Beschluss vom 11. Dezember 2018 – 1 ABR 13/17). Weiterhin können auch die einzelnen Fragebögen mit dem Betriebsrat abzustimmen sein, wenn es sich um Personalfragebögen im Sinne des § 94 Abs. 1 BetrVG handelt.
Dies unterstreicht, dass sich bestimmte Bereiche in Kooperation mit dem Betriebsrat rechtlich leichter lösen lassen können und zugleich die Bereitschaft der Belegschaft zur Teilnahme an solchen Umfragen maßgeblich steigt.

IV.

Beteiligungsverfahren an neue Herausforderungen anpassen

Einige der angesprochenen Beteiligungsrechte machen kurzfristige Reaktionen und Abstimmungen der Betriebsparteien erforderlich, die insbesondere in Zeiten mobiler Arbeit und Homeoffice schwieriger umzusetzen sind. Zur Flexibilisierung der eigenen Strukturen sollten die Betriebsparteien die Prozesse zur Mitbestimmung an die jeweiligen Bedürfnisse ihres Betriebs anpassen. Dazu können sich etwa folgende Bereiche anbieten:

1. Rahmenbetriebsvereinbarungen

Die Grundzüge der Zusammenarbeit können in so genannten Rahmenbetriebsvereinbarungen festgehalten werden. So lassen sich beispielweise im Bereich der Arbeitszeit Prozesse für die Anordnung von Überstunden oder Schichtplanänderungen allgemein beschreiben und konkrete Fristen und Zuständigkeiten regeln. Ebenfalls sinnvoll ist der Abschluss einer IT-Rahmenbetriebsvereinbarung, mit der beispielsweise ein fachlich versiertes IT-Gremium eingesetzt werden kann und folglich nicht jede geringfüge Softwareaktualisierung umfassende Beteiligungsprozesse auslöst. Auch im Bereich des Gesundheitsschutzes kann der Prozess zur Einführung konkreter Schutzmaßnahmen im Fall einer Pandemie oder anderer ansteckender Erkrankungen geregelt werden.

2. Schaffung digitaler Kommunikationsplattformen

Es existieren bereits zahlreiche Softwareangebote, um die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Unternehmen – im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben – zu digitalisieren und erforderliche Unterlagen elektronisch zu übermitteln. Natürlich müssen diese Lösungen den datenschutzrechtlichen Anforderungen genügen. Dies bietet aber auch Chancen, da sich etwa konkrete Lösch- und Verschlüsselungstechniken systemseitig implementieren lassen. Ein digitales Kommunikationstool kann durchaus datenschutzrechtlich vorteilhafter sein, als die Information des Betriebsrats auf einem ausgedruckten Dokument, welches dann für jeden einsehbar im Betriebsratsbüro liegt.

V.

Fazit

Auch wenn die Festlegung einer ESG-Strategie richtigerweise nicht mitbestimmungspflichtig ist, löst die Umsetzung der jeweiligen Maßnahmen auf betrieblicher Ebene in vielen Bereichen Beteiligungsrechte des Betriebsrates aus. Die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat und der Abschluss von Betriebsvereinbarungen bietet auch aus Sicht der Unternehmen zahlreiche Chance zur rechtssicheren Gestaltung. Um den teilweise neuen Herausforderungen gerecht zu werden, sollten die Betriebsparteien ihre interne Zusammenarbeit überprüfen und erforderlichenfalls anpassen.

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