Der „digitale Arbeitsvertrag“ – zwischen Wunschvorstellung und Realität
Was ist überhaupt die gesetzliche Schriftform?
Gibt es aktuell ein Formerfordernis für die Wirksamkeit von Arbeitsverträgen?
Was regelt das so genannte Nachweisgesetz?
Zum 1. August 2022 gab es einige vielbeachtete Änderungen des deutschen Nachweisgesetzes: Diese gingen zurück auf die Umsetzung der EU-Arbeitsbedingungsrichtlinie ((EU) 2019/1152). Neben einer Erweiterung der Nachweispflichten wurde – was sehr umstritten und europarechtlich nicht zwingend war – für die Erfüllung der Nachweispflichten die gesetzliche Schriftform festgelegt und die elektronische Form ausgeschlossen. Damit müssen die Informationspflichten aus dem Nachweisgesetz – nicht zwingend die Arbeitsverträge selbst – schriftlich ausgefertigt, unterschrieben und den Beschäftigten ausgedruckt übergeben werden. Gerade in digital aufgestellten Personalabteilungen sorgt dies für eine erhebliche Mehrarbeit. Hinzu kommt, dass Verstöße sogar als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden können.
Beachte:
Was ist nun geplant?
Mit dem „Vierten Bürokratieentlastungsgesetz“, dass aktuell als Regierungsentwurf mit dem Stand vom 13. März 2024 vorliegt, möchte der Gesetzgeber einige Entlastungen umsetzen. Dort ist auch eine erneute Änderung des Nachweisgesetzes vorgesehen. Zunächst sollte der Nachweis der Arbeitsbedingungen in Schriftform entfallen, wenn bereits der Arbeitsvertrag in einer elektronischen Form abgeschlossen wurde. Wie oben dargestellt bedeutet dies aber, dass Arbeitgeber und Beschäftigte über eine qualifizierte elektronische Signatur verfügen und den Arbeitsvertrag auf diese Weise signieren müssen. Das wird in der Praxis bereits deshalb unüblich, weil der Großteil der Beschäftigten nicht über eine qualifizierte elektronische Signatur verfügen.
Darüber hinaus soll auch das Schriftformerfordernis für den Überlassungsvertrag zwischen Ver- und Entleiher nach § 12 Absatz 1 Satz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) durch die Textform abgelöst werden.“
Was sind die Folgen?
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(1) Arbeitsverträge können – wie bisher – formfrei abgeschlossen werden. Das bedeutet auch die wirksame Befristung oder die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes bedürfen weiterhin zwingend der Schriftform.
Beachte:
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(2) Der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen nach dem Nachweisgesetz soll künftig in Textform (statt bisher der Schriftform) erfolgen können. Enthält damit bereits der in Textform abgeschlossene Arbeitsvertrag alle Nachweise nach dem Nachweisgesetz, ist keine weitere Erklärung mehr erforderlich.
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(3) Erforderlich soll auch künftig sein, dass das Dokument für die Beschäftigten zugänglich ist, gespeichert und ausgedruckt werden kann und der Arbeitgeber einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis erhält. Dazu wird aber voraussichtlich eine Empfangsbestätigung per Mail ausreichen. Einzelheiten hierzu sind aber noch nicht bekannt.
- Ausnahme: Wenn Beschäftigte dies verlangen, muss der Arbeitgeber einen Nachweis der Arbeitsbedingungen in Schriftform zur Verfügung stellen.
- Ausnahme: Auch in den Branchen des § 2a Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz soll die Schriftform erhalten bleiben. Dazu zählen etwa Bau, Gaststätten- und Beherbergung, Personenbeförderung, Spedition, Transport und Logistik, Forstwirtschaft, Gebäudereinigung, Messebau, Fleischwirtschaft sowie Wach- und Sicherheitsdienste. Hier bedarf es also weiterhin der Schriftform.
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(4) Auch das Schriftformerfordernis für den Überlassungsvertrag im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung soll entfallen. In diesen Bereichen wären künftig Erklärungen per E-Mail o.ä. ausreichend.
Über den Autor
Dr. Thomas Köllmann berät und vertritt bei der Sozietät Küttner seit 2018 Unternehmen, Führungskräfte und Organmitglieder in allen Bereichen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts sowie des Dienstvertragsrechts. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen die Vertragsgestaltung, betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen, das Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst sowie die Beratung im Bereich des Beschäftigtendatenschutzes und Themen rund um die Arbeitswelt 4.0. Er promovierte berufsbegleitend zu betriebsverfassungsrechtlichen Fragestellungen unter besonderer Berücksichtigung der Datenschutzgrundverordnung. Dr. Thomas Köllmann veröffentlicht und doziert regelmäßig zu arbeitsrechtlichen Themen.