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Der „digitale Arbeitsvertrag“ – zwischen Wunschvorstellung und Realität

nachweis
Unter Headlines wie „Ampel will digitale Arbeitsverträge ermöglichen“ oder „Arbeitsverträge bald per E-Mail“ wurde viel über die geplante Bürokratieentlastung diskutiert.
Die Medienberichte und politischen Verlautbarungen sind leider vielfach missverständlich und unklar. Sie können gerade im Personalbereich für Verunsicherung sorgen. Nachfolgend ordnen wir die Situation ein und beschreiben, was die Hintergründe der aktuellen Diskussionen eigentlich sind.

I.

Was ist überhaupt die gesetzliche Schriftform?

Wenn wir von Schriftform reden, ist die eigenhändige Unterschrift auf einem Papierdokument gemeint („wet inc“). Diese Schriftform kann – sofern dies im Gesetz nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist (so etwa bei der Kündigung des Arbeitsvertrages) – durch eine elektronische Form ersetzt werden. Die elektronische Form verlangt eine so genannte „qualifizierte elektronische Signatur“ (qeS). Dazu ist eine besondere Zertifizierung erforderlich. Einfache E-Mails genügen daher nicht der elektronischen Form; hier wird schlicht von der Textform gesprochen.

II.

Gibt es aktuell ein Formerfordernis für die Wirksamkeit von Arbeitsverträgen?

Arbeitsverträge können auch bisher wirksam ohne jegliche Formvorschriften – also auch mündlich, per E-Mail oder WhatsApp – abgeschlossen werden. Sie sind auch vollumfänglich wirksam.
Das Gesetz schreibt aber in einigen Fällen die Beachtung einer Schriftform vor: So ist etwa die Befristung eines Arbeitsvertrages nur unter Beachtung der Schriftform wirksam. Die Missachtung der Form führt aber nicht zu einem unwirksamen Arbeitsvertrag, sondern zu einem unbefristeten Arbeitsvertrag. Ebenso bedarf die Vereinbarung eines wirksamen nachvertraglichen Wettbewerbsverbots der Schriftform. Auch im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung gelten besondere Schriftformerfordernisse. Hier bedarf etwa der so genannte Überlassungsvertrag zwischen Verleiher und Entleiher der Schriftform.

III.

Was regelt das so genannte Nachweisgesetz?

Beim Nachweisgesetz geht es nicht um die Wirksamkeit der Arbeitsverträge. Das Gesetz verpflichtet den Arbeitgeber bestimmte zentrale Vertragsbedingungen aufzuschreiben, damit die Beschäftigten diese besser nachvollziehen können. Dies gilt etwa für die Arbeitszeit, die Vergütung, anwendbare Tarifverträge oder das bei der Kündigung einzuhaltende Verfahren u.v.m. Diese Nachweise müssen nicht zwingend im Arbeitsvertrag enthalten sein, sondern können sich auch in einem gesonderten Nachweisschreiben befinden.

Zum 1. August 2022 gab es einige vielbeachtete Änderungen des deutschen Nachweisgesetzes: Diese gingen zurück auf die Umsetzung der EU-Arbeitsbedingungsrichtlinie ((EU) 2019/1152). Neben einer Erweiterung der Nachweispflichten wurde – was sehr umstritten und europarechtlich nicht zwingend war – für die Erfüllung der Nachweispflichten die gesetzliche Schriftform festgelegt und die elektronische Form ausgeschlossen. Damit müssen die Informationspflichten aus dem Nachweisgesetz – nicht zwingend die Arbeitsverträge selbst – schriftlich ausgefertigt, unterschrieben und den Beschäftigten ausgedruckt übergeben werden. Gerade in digital aufgestellten Personalabteilungen sorgt dies für eine erhebliche Mehrarbeit. Hinzu kommt, dass Verstöße sogar als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden können.

Beachte:

Es geht im Bereich des Nachweisgesetzes nicht um die Rechtswirksamkeit des Arbeitsvertrages, sondern um die Pflicht zum Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen. Das Nachweisgesetz wurde erst zum 1. August 2022 vom Gesetzgeber angepasst und es wurde dort trotz viel Kritik an der gesetzlichen Schriftform festgehalten.

IV.

Was ist nun geplant?

Mit dem „Vierten Bürokratieentlastungsgesetz“, dass aktuell als Regierungsentwurf mit dem Stand vom 13. März 2024 vorliegt, möchte der Gesetzgeber einige Entlastungen umsetzen. Dort ist auch eine erneute Änderung des Nachweisgesetzes vorgesehen. Zunächst sollte der Nachweis der Arbeitsbedingungen in Schriftform entfallen, wenn bereits der Arbeitsvertrag in einer elektronischen Form abgeschlossen wurde. Wie oben dargestellt bedeutet dies aber, dass Arbeitgeber und Beschäftigte über eine qualifizierte elektronische Signatur verfügen und den Arbeitsvertrag auf diese Weise signieren müssen. Das wird in der Praxis bereits deshalb unüblich, weil der Großteil der Beschäftigten nicht über eine qualifizierte elektronische Signatur verfügen.

Am 21. März 2024 wurde sodann ein Schreiben von Bundesjustizminister Marco Buschmann öffentlich. Es trug den Titel „Durchbruch beim Nachweisgesetz: Textform statt Schriftform“. Konkret heißt es darin:
„Konkret soll im Nachweisgesetz künftig der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in Textform ermöglicht werden, sofern das Dokument für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zugänglich ist, gespeichert und ausgedruckt werden kann und der Arbeitgeber einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis erhält. Dadurch wird klargestellt, dass durch die Übermittlung des Nachweises in Textform den Anforderungen des Nachweisgesetzes vollumfänglich Genüge getan wird. Nur wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dies verlangen, muss der Arbeitgeber ihnen einen schriftlichen Nachweis zur Verfügung stellen. Lediglich für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in einem Wirtschaftsbereich oder Wirtschaftszweig nach § 2a Absatz 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes tätig sind, soll die Schriftform bei der Nachweiserteilung erhalten bleiben.

Darüber hinaus soll auch das Schriftformerfordernis für den Überlassungsvertrag zwischen Ver- und Entleiher nach § 12 Absatz 1 Satz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) durch die Textform abgelöst werden.“

V.

Was sind die Folgen?

Aktuell fehlt es noch an einem konkreten Zeitplan zur Umsetzung sowie – soweit ersichtlich – neben dem Schreiben von Herrn Buschmann auch an einer konkreten Anpassung des „Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes“. Schließlich muss das Gesetz auch noch Durch Bundestag und Bundesrat. Es gelten damit weiterhin die zwingenden Nachweise in Schriftform.
Sofern die von Herrn Buschmann genannten Aspekte aber umgesetzt werden, hätte dies konkret folgende Auswirkungen:
  • (1) Arbeitsverträge können – wie bisher – formfrei abgeschlossen werden. Das bedeutet auch die wirksame Befristung oder die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes bedürfen weiterhin zwingend der Schriftform.

Beachte:

Bei den in vielen Arbeitsverträgen vorgesehenen Beendigung im Fall des Erreichens der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung handelt es sich um eine Befristung. Damit diese wirksam ist, muss der Vertrag der gesetzlichen Schriftform genügen oder – jedenfalls nach herrschender Meinung – qualifiziert elektronisch signiert sein. Andernfalls wäre die Befristung unwirksam und der Beschäftigte könnte verlangen, über die Regelaltersgrenze hinaus beschäftigt zu werden. Jedoch wäre diese Unwirksamkeit innerhalb der vorgesehenen Fristen geltend zu machen. In der Praxis bildet dies daher eher die Ausnahme.
  • (2) Der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen nach dem Nachweisgesetz soll künftig in Textform (statt bisher der Schriftform) erfolgen können. Enthält damit bereits der in Textform abgeschlossene Arbeitsvertrag alle Nachweise nach dem Nachweisgesetz, ist keine weitere Erklärung mehr erforderlich.
  • (3) Erforderlich soll auch künftig sein, dass das Dokument für die Beschäftigten zugänglich ist, gespeichert und ausgedruckt werden kann und der Arbeitgeber einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis erhält. Dazu wird aber voraussichtlich eine Empfangsbestätigung per Mail ausreichen. Einzelheiten hierzu sind aber noch nicht bekannt.

    • Ausnahme: Wenn Beschäftigte dies verlangen, muss der Arbeitgeber einen Nachweis der Arbeitsbedingungen in Schriftform zur Verfügung stellen.
    • Ausnahme: Auch in den Branchen des § 2a Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz soll die Schriftform erhalten bleiben. Dazu zählen etwa Bau, Gaststätten- und Beherbergung, Personenbeförderung, Spedition, Transport und Logistik, Forstwirtschaft, Gebäudereinigung, Messebau, Fleischwirtschaft sowie Wach- und Sicherheitsdienste. Hier bedarf es also weiterhin der Schriftform.
  • (4) Auch das Schriftformerfordernis für den Überlassungsvertrag im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung soll entfallen. In diesen Bereichen wären künftig Erklärungen per E-Mail o.ä. ausreichend.

Der große Durchbruch sind die Neuregelungen damit keineswegs. Im Grundsatz wird eine bereits im Jahr 2022 vielfach geforderte Anpassung des Nachweisgesetzes nun endlich umgesetzt. Dennoch werden die geplanten Neuregelungen aber die Arbeit der Personalabteilungen in vielen Bereichen erleichtern. So können Unternehmen nun digitale Personalakten führen und müssen nicht wieder zur Schriftform zurückkehren, um die Anforderungen des Nachweisgesetzes zu erfüllen.
Von einem unüberlegten Abschluss aller Arbeitsverträge per E-Mail oder WhatsApp – wie dies einige Medienberichte suggerieren – muss aber weiterhin gewarnt werden. Auch Kündigungen und Aufhebungsverträge bedürfen weiterhin der gesetzlichen Schriftform.

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