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Infektionsschutz am Arbeitsplatz – wenn Beschäftigte das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes verweigern

maske
Angesichts des aktuellen Beschlusses der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und -chefs, müssen Arbeitgeber dort, wo es möglich ist, den Beschäftigten das Arbeiten im Homeoffice ermöglichen, sofern dies die Tätigkeiten zulassen. Auch die Pflicht medizinische Masken zu tragen wird stark ausgeweitet; Arbeitgeber sollen verpflichtet werden, diese bereitzustellen. Es soll zeitnah eine so genannte SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung erlassen werden, die diese Bereiche näher regelt.
Hierdurch wird umso deutlicher, dass Arbeitgeber gehalten sind, ihre Beschäftigten sowie Kundinnen und Kunden effektiv vor Infektionen am Arbeitsplatz zu schützen. Doch wie sollen sich Arbeitgeber verhalten, wenn sich Beschäftigte – aus (vermeintlich) medizinischen Gründen – weigern, eine Maske zu tragen? Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Siegburg vom 16. Dezember 2020 (4 Ga 18/20) ist eindeutig: Der Gesundheitsschutz überwiegt und Arbeitgeber müssen Personen ohne entsprechende Schutzausrüstung nicht beschäftigen – sogar, wenn ärztliche Atteste eine nachvollziehbare Begründung enthalten (!).

I.

Sachverhalt

Die Parteien stritten darüber, ob ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Beschäftigung im Rathaus der Gemeinde hat, ohne hierbei ein Gesichtsvisier oder eine Mund-Nase-Bedeckung tragen zu müssen.
Der Arbeitgeber ordnete im Mai 2020 an, dass in den Räumlichkeiten des Rathauses das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung für Besucher und Bedienstete verpflichtend sei. Der Arbeitnehmer wollte das nicht akzeptieren und legte ein ärztliches Attest vor, nach welchem er „aufgrund einer Erkrankung“ vom Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes oder alternativ eines Gesichtsvisiers jeglicher Art befreit sei. Der Arbeitgeber bestand auf das Tragen eines entsprechenden Schutzes und lehnte deswegen die Beschäftigung ohne einen Mund-Nase-Schutz oder ein Gesichtsvisier ab. Daraufhin begehrte der Arbeitnehmer im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens ihn ohne einen solchen Schutz zu beschäftigen. Hilfsweise verlangte er, ihm seine zu leistende Bürotätigkeit aus dem Homeoffice zu ermöglichen.

II.

Entscheidung des Arbeitsgericht Siegburg vom 16. Dezember 2020 (4 Ga 18/20)

Das Arbeitsgericht Siegburg wies diese Anträge zurück und stützt seine Entscheidung auf folgende Punkte:

1. Gesundheits- und Infektionsschutz überwiegt

Der Gesundheits- und Infektionsschutz aller Beschäftigten und Besucher überwiege dem Interesse des Arbeitnehmers an einer Beschäftigung ohne Mund-Nase-Schutz oder Gesichtsvisier. Dem Beschäftigungsanspruch stehe das ordnungsgemäß ausgeübte Direktionsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 S. 2 GewO und der Gesundheits- und Infektionsschutz entgegen. Der Arbeitgeber habe gegenüber allen Beschäftigten eine Fürsorgepflicht gemäß § 618 BGB, diese vor Gesundheitsgefahren zu schützen. In der gegenwärtigen Pandemielage habe er sicherzustellen, dass Beschäftigte einem nur geringen bis gar keinem Infektionsrisiko ausgesetzt seien. Zudem ordne die Coronaschutzverordnung NRW eine Maskenpflicht in geschlossenen Räumen – also auch Büroräumen – an.

2. Medizinische Gründe nicht glaubhaft gemacht

Der Arbeitnehmer habe zudem nicht glaubhaft gemacht, dass medizinische Gründe eine Befreiung von der Maskenpflicht rechtfertigen. Die vorgelegten Atteste hätten nur wenig Beweiskraft, da sie keine weiteren Begründungen enthielten. Insbesondere seien diese nicht mit der Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu vergleichen, da es dem Arbeitnehmer um einen rechtlichen Vorteil gehe, nämlich die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung. Die ärztliche Bescheinigung müsse konkrete und nachvollziehbare Angaben enthalten, die die Prüfung der jeweiligen Voraussetzungen zulasse (so auch OVG NRW vom 24. September 2020, 13 B 1368/20).

3. Genereller Vorrang des Infektionsschutzes?

Besonders erwähnenswert ist der Hinweis des Arbeitsgerichts, dass der Infektionsschutz der übrigen Personen das Beschäftigungsinteresse auch dann überwiegen kann, wenn es dem Beschäftigten in medizinscher Hinsicht nicht möglich sei, ein Gesichtsvisier zu tragen. Selbst wenn der Arzt die medizinische Situation des Arbeitnehmers umfassend begründet hätte, überwiege dennoch der Infektionsschutz. Der Arbeitgeber müsse den Arbeitnehmer nicht beschäftigen.

4. Kein Anspruch auf Homeoffice

Schließlich wird auch ein Anspruch auf Einrichtung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes verneint. Ein solcher Anspruch ergebe sich insbesondere nicht aus dem Gesetz. Ein vertraglicher Anspruch bzw. ein Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz bestünden ebenfalls nicht. So werde ausschließlich Mitarbeitern, die aufgrund einer Vorerkrankung zu einer Hochrisikogruppe gehören, eine Beschäftigung im Homeoffice zugestanden. Der Arbeitnehmer gehöre jedoch nicht zu dieser Vergleichsgruppe.

Hinweis

Aus der geplanten SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung, die nach dem Beschluss der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und -chefs kurzfristig in Kraft treten soll, geht jedoch nunmehr hervor, dass Arbeitgeber zukünftig überall dort, wo es möglich ist, den Beschäftigten das Arbeiten im Homeoffice ermöglichen müssen, sofern die Tätigkeiten es zulassen. Wir werden Sie hierzu weiterhin informieren.

III.

Praktische Auswirkungen

In praktischer Hinsicht beinhalten die aktuellen Entwicklungen und die Entscheidung ein klares Signal zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie. Arbeitgeber sind (weiterhin) zum Ergreifen geeigneter Schutzmaßnahmen hinsichtlich von Infektionskrankheiten verpflichtet. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts Siegburg treten Individualinteressen hinter den (kollektiven) Gesundheitsschutz zurück.
Dies wird auch durch die geplanten SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung und den Beschluss der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und -chefs besonders deutlich. Arbeitgebern ist vor diesem Hintergrund insbesondere Folgendes zu raten:
Es ist eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und sodann sind bedarfsgerechte Schutzmaßnahmen auf Basis der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards und die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel einzuführen. Dazu zählt u.a. die Einrichtung von Homeoffice, Abstandsgebote und das Tragen eines medizinischen Mund-Nasen-Schutzes. Auch die zeitnah in Kraft tretende SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung ist zu beachten.
Arbeitgeber sollten Desinfektionsmittel und entsprechende Schutzausrüstung, insbesondere einen medizinischen Mund-Nasen-Schutz, kostenfrei zur Verfügung stellen.
Die in dem Hygienekonzept dargelegten Maßnahmen sollten klar kommuniziert und durchgesetzt werden. Verweigern Beschäftigte die Einhaltung der Maßnahmen willkürlich, sollten arbeitsrechtliche Sanktionen (Abmahnung, Kündigung) in Betracht gezogen werden. Aber auch wenn ein Grund zur Verweigerung genannt oder ein ärztliches Attest vorgelegt wird, sollten die Gründe geprüft und ggf. alternative Maßnahmen ergriffen werden. Auch in diesen Fällen kann es – wenn keine alternativen Schutzkonzepte möglich sind – erforderlich und zulässig sein, eine Beschäftigung ohne Schutzausrüstung zu verweigern.
Ob der Arbeitgeber einem „Maskenverweigerer“ Annahmeverzugslohn bei Nichtbeschäftigung zahlen muss, musste das Arbeitsgericht nicht entscheiden. Insofern lässt sich allerdings argumentieren, dass dem Beschäftigten der Leistungswillen fehlt, die Arbeitsleistung, so wie geschuldet – nämlich mit Schutzausrüstung – zu erbringen. Zugleich wird Arbeitgebern die Annahme der Arbeitsleistung ohne das Tragen von Schutzausrüstung aus Gründen des Infektionsschutzes nicht zumutbar sein.
Arbeitgeber sollten nicht darauf warten, dass Beschäftigte ihren neu geschaffenen Anspruch auf Arbeit im Homeoffice geltend machen. Vielmehr sind – sofern möglich – betriebseinheitliche Homeoffice-Regelungen zu erlassen. Sofern – aus betrieblichen Gründen – nur bestimmten Beschäftigten die Arbeit aus dem Homeoffice ermöglicht wird, sollte anhand nachvollziehbarer Kriterien differenziert werden. Wird mit Blick auf betriebliche Gründe eine Beschäftigung im Homeoffice vollständig verweigert, so sollte der Arbeitgeber die Verweigerungsgründe nachweisbar dokumentieren.

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