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Long Time no see – Der richtige Umgang mit Urlaubsansprüchen Langzeiterkrankter II
In unserem Blogbeitrag vom 10. Juli 2025 haben wir die Problematik rund um den richtigen Umgang mit langzeiterkrankten Arbeitnehmern dargestellt. Eine brandaktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bietet Anlass, sich mit neuen Gestaltungsspielräumen zu beschäftigen.
I.
Worum geht es?
Das Entstehen des Jahresurlaubs hängt zunächst nur von einem bestehenden Arbeitsverhältnis ab.
Dies bedeutet, dass auch Arbeitnehmer, die das ganze Kalenderjahr arbeitsunfähig erkrankt waren, grundsätzlich einen vollständigen Urlaubsanspruch erwerben. Folgeproblem dieser nach wie vor zutreffenden gesetzlichen Ausgangslage ist, dass langzeiterkrankte Arbeitnehmer ihren Urlaubsanspruch nicht nehmen können, da sich Urlaub und Krankheit gegenseitig ausschließen.
In der Konsequenz kommt es, wie bereits in unserem letzten Blogbeitrag dargestellt, zu einer Übertragung des Urlaubsanspruchs. Ein Verfall tritt insoweit erst 15 Monate nach Ende des jeweiligen Kalenderjahres ein.
II.
Welche Folgen hat das?
Kommt es noch während der Langzeiterkrankung zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder konnte der Urlaub nicht mehr im vollen Umfang gewährt werden, sind die noch offenen Urlaubsansprüche abzugelten.
Ein Verzicht auf den Urlaubsanspruch ist im laufenden Arbeitsverhältnis nicht möglich. Mit Blick auf den 15-monatigen Übertragungszeitraum sind somit regelmäßig mindestens 40 Urlaubstage abzugelten. Im Falle eines vertraglichen Mehrurlaubs kann der Umfang sogar noch deutlich höher liegen. Besonders ärgerlich sind Konstellationen, in denen Arbeitnehmer, die bereits seit mehreren Jahren eine Erwerbsminderungsrente beziehen, unmittelbar in die Altersrente übergehen und sodann Urlaubsabgeltung verlangen.
III.
Was hat sich geändert?
Die im letzten Blogbeitrag dargestellten Praxishinweise können die Risiken minimieren, führen jedoch nicht dazu, dass Urlaubs(abgeltungs)ansprüche in Gänze ausgeschlossen werden können.
In seiner Entscheidung vom 3. Juni 2025 (Az. 9 AZR 104/24) hat das Bundesarbeitsgericht mit einem Nebensatz aufhorchen lassen. Mit Blick auf die Entstehung des Urlaubsanspruchs eines langzeiterkrankten Arbeitnehmers führt das Bundesarbeitsgericht aus, dass nicht erkennbar sei, dass die Parteien eine von der Arbeitsunfähigkeit unabhängige, separate Befreiung von der Arbeitspflicht vereinbaren wollten, die eine Verminderung des Urlaubsanspruchs zur Folge haben könnte.
IV.
Was bedeutet das für die Praxis?
Liegt eine von der Arbeitsunfähigkeit unabhängige, separate Befreiung der Arbeitspflicht vor, kann dies eine Verminderung des Urlaubsanspruchs zur Folge haben.
Mit Blick hierauf stellt sich die Frage, ob bereits eine einfache einvernehmliche Ruhensvereinbarung eine von der Arbeitsunfähigkeit, separate Befreiung von der Arbeitspflicht darstellt und ob dies auch dann gilt, wenn die Ruhensvereinbarung jedenfalls im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit steht. Trotz dieser offenen Fragen sollte geprüft werden, ob Arbeitsvertragsmuster angepasst werden und/oder mit bereits langzeiterkrankten Arbeitnehmern bzw. erwerbsgeminderten Rentnern entsprechende Ruhensvereinbarungen abgeschlossen werden.
Ob und inwieweit derartige Klauseln zulässig sind, ist selbstverständlich noch nicht geklärt. Klar ist aber, dass eine solche Regelung im Hinblick auf einen etwaigen Rechtsstreit eine bessere Ausgangslage verschafft.
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