Küttner Blog
6 Minuten Lesezeit (1231 Worte)

Update: „Testangebotspflicht“ für Unternehmen (Stand: 14. April 2021)

test-unternehmen
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat am 13. April 2021 dem Bundeskabinett vorgestellt, wie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) plant, die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) um eine Pflicht zum betrieblichen Testangebot zu ergänzen. Gleichzeitig sollen die wesentlichen Aspekte aus der Verordnung in Kraft bleiben und bis zum 30. Juni 2021 verlängert werden (zu den schon bisher geltenden Inhalten vgl. Blogbeitrag vom 27. Januar 2021).
Maßgebliche Neuregelung ist die zwischen den Ressorts lange strittige Frage der „Testangebotspflicht“ für Unternehmen. Dass eine solche Verpflichtung für Unternehmen kommt, hat das Bundeskabinett am 13. April 2021 beschlossen. Die Änderungen sollen schon Mitte kommender Woche Inkrafttreten. Was aus politischer Sicht einfach klingen mag, wirft – wie so häufig in den letzten Monaten – zahlreiche arbeitsrechtliche und organisatorische Fragen auf. Nachstehend finden Sie einen ersten Überblick über die aktuell geplanten Änderungen der Corona-ArbSchV:

English translation

There is an english translation available for this article.

1.

Grundsatz: Verpflichtung zum Testangebot

Unternehmen sind verpflichtet, in ihren Betrieben allen Beschäftigten, die nicht ausschließlich „in ihrer Wohnung arbeiten“, regelmäßige Selbst- und Schnelltests anzubieten. Dabei wird – anders als etwa in § 6a Abs. 1 Berliner-SARS-CoV-2-Infektionsschutzmaßnahmenverordnung – nicht auf die Anwesenheit der Beschäftigten im Betrieb abgestellt, weshalb Unternehmen dafür sorgen müssen, dass auch Beschäftigte, die an anderen Orten (Kunden, Baustellen usw.) im Einsatz sind, mit einem wöchentlichen Testangebot versorgt werden.

2.

Art der Tests

Die Begründung der Verordnung stellt klar, dass sowohl PCR-Tests oder Antigen-Schnelltests zur professionellen oder zur Selbstanwendung angeboten werden können. Der Wortlaut der Verordnung spricht dafür, dass Tests nicht im Betrieb durchgeführt werden müssen und Beschäftigten etwa auch Selbsttest zur Anwendung zu Hause zur Verfügung gestellt werden können. Ebenso können auch Testkapazitäten bei externen Testanbietern „eingekauft“ werden.

3.

Anzahl der Tests

Grundsätzlich ist mindestens einmal pro Woche ein Testangebot zu unterbreiten. Für bestimmte Gruppen von Beschäftigten ist das Angebot zwei Mal pro Woche zu unterbreiten:
Beschäftigte, die vom Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind.
Beschäftigte, die unter klimatischen Bedingungen in geschlossenen Räumen arbeiten, die eine Übertragung des Coronavirus begünstigen (gemeint ist damit vor allem die Lebensmittel- und Fleischproduktion).
Beschäftigte, die tätigkeitsbedingt häufige Kundenkontakte haben oder körpernahe Dienstleistungen ausführen.
Beschäftigte, die betriebsbedingt Tätigkeiten mit Kontakt zu anderen Personen ausüben, sofern die anderen Personen einen Mund-Nase-Schutz nicht tragen müssen (gemeint sind vor allem Beschäftigte in Kindertagesstätten oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderung).
Beschäftigte, die betriebsbedingt in häufig wechselnden Kontakt mit anderen Personen treten (als Beispiel werden der Einzelhandel sowie Beförderungs-, Zustell- und andere Transportdienstleistungen genannt).

4.

Keine Testpflicht der Beschäftigten durch Corona-ArbSchV

Durch die Corona-ArbSchV wird keine Testpflicht für die Beschäftigten eingeführt. Dies hat zu Recht für viel Kritik gesorgt, da es das Ziel der flächendeckenden Tests in Unternehmen konterkariert. Es stellt sich aber die Frage, ob Unternehmen nicht im Einzelfall berechtigt sind, verpflichtende Tests als Maßnahme des Arbeitsschutzes anzuordnen bzw. im Fall der Verweigerung eines Tests sogar arbeitsrechtliche Sanktionen ergreifen können und ggf. sogar müssen.
Mit Blick auf den Arbeitsschutz und die Mitwirkungspflichten der Beschäftigten (§§ 15, 16 ArbSchG) wäre es jedenfalls nicht in Einklang zu bringen, wenn Beschäftigte, die Testangebote bewusst ablehnen, mit anderen Beschäftigten eng zusammenarbeiten und für diese daher ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht. Die Verweigerung von Tests ohne Begründung kann daher im Einzelfall arbeitsrechtliche Sanktionen (Versetzung, Abmahnung und bei beharrlicher grundloser Verweigerung sogar die Kündigung) nach sich ziehen (vgl. Blogbeitrag vom 1. März 2021). Sofern Beschäftigte, was in der Vergangenheit teilweise schon vorgekommen ist, die vom Unternehmen überlassenen Selbsttests nicht selbst nutzen, sondern gewinnbringend weiterverkaufen, ist gar an die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu denken.

5.

Nachweis- und Dokumentationspflicht

Die Nachweise über die Beschaffung der Tests oder Vereinbarungen mit Dritten (Dienstleister etc.) über die Testungen der Beschäftigten sind vier Wochen aufzubewahren. Dies soll der Dokumentation der betrieblichen Angebote der Testungen dienen und ermöglicht den Arbeitsschutzbehörden und den Aufsichtspersonen der Unfallversicherungsträger die Überprüfung der betrieblichen Maßnahmen.
Demgegenüber spricht die Verordnung nicht an, dass auch die Testergebnisse aufzubewahren oder den Beschäftigten Bescheinigungen über das Testergebnis auszustellen sind. Aus datenschutzrechtlichen Gründen sollten daher Testergebnisse auch nicht umfassend protokolliert und dauerhaft gespeichert werden. Sofern der Beschäftigte eine Bescheinigung über das Testergebnis wünscht und der Arbeitgeber eine solche ausstellen möchte, muss er sich zudem vorab entsprechend registrieren. In NRW ist das in einem unbürokratischen Verfahren kurzfristig möglich: https://www.mags.nrw/coronavirus-beschaeftigtentestung-anzeige.

6.

Mitbestimmung des Betriebsrates

Dem Betriebsrat steht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein zwingendes Mitbestimmungsrecht im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu. Die Umsetzung zwingender (gesetzlicher) Vorgaben unterliegt allerdings nur dann dem Mitbestimmungsrecht, wenn ein Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien verbleibt (LAG Köln, Beschluss vom 22.01.2021 – 9 TaBV 58/20).
Die nunmehr vorgesehene Testangebotspflicht eröffnet etwa hinsichtlich der Durchführung der Tests einige Spielräume, so dass der Betriebsrat im Rahmen der Ausgestaltung der Teststrategie zwingend zu beteiligen ist. Bis zum Inkrafttreten der Verordnung wird der Abschluss einer umfassenden Betriebsvereinbarung indes kaum mehr möglich sein, sodass im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit zunächst darauf gesetzt werden muss, dass der Betriebsrat die Einführung der Tests nicht blockiert.

7.

Testzeit als Arbeitszeit?

Keine Antwort findet sich in dem Entwurf darauf, ob die Testzeit – und das Zuwarten bis zu einem Ergebnis – als Arbeitszeit zu bewerten und zu vergüten ist. In der Begründung heißt es lediglich, dass die Entscheidung, ob die freiwillige Testung der Beschäftigten innerhalb der Arbeitszeit erfolgt oder nicht, im Rahmen „betrieblicher Vereinbarungen“ getroffen wird.
Dieser Passus ist bereits deshalb fraglich, weil im Rahmen betrieblicher Vereinbarungen nicht darüber disponiert werden kann, was Arbeitszeit iSd. Arbeitszeitgesetzes darstellt. Soweit es um die Vergütung entsprechender Zeiten geht, wird eine entsprechende Betriebsvereinbarung (vorrangige) tarifvertragliche Regelungen zwingend beachten müssen. An dieser Stelle wird einmal mehr deutlich, mit welcher heißen Nadel auch diese Änderung der Corona-ArbSchV gestrickt wurde. In der Sache wird es maßgeblich darauf ankommen, ob es sich bei den Tests letztendlich um eine fremdnützige Tätigkeit zugunsten des Arbeitgebers handelt, die dann vergütungspflichte Arbeitszeit darstellen würde. Da es sich um eine Maßnahme des Infektionsschutzes handelt, die letztlich zugunsten der Gemeinschaft wirkt, bleibt zu hoffen, dass Unternehmen nicht auch noch mit den Lohnkosten für wartende Beschäftigte belastet werden. Für die Praxis kann es sich gleichwohl anbieten, soweit rechtlich möglich, Regelungen über eine (abweichende) Vergütung dieser Zeiten zu treffen.

8.

Konsequenzen bei Nichteinhaltung

Auch die Änderungen der Corona-ArbSchV sehen keinen unmittelbaren Verweis auf die Bußgeldvorschrift des § 25 ArbSchG vor. Dies bedeutet, dass – wie auch im Rahmen der Verpflichtung zum Angebot von Homeoffice – jedenfalls kein unmittelbares Bußgeld droht, wenn Unternehmen nicht innerhalb der nächsten Woche ausreichende Testkapazitäten beschaffen können.
Allerdings besteht die Möglichkeit der Beschwerde von Beschäftigten bei den zuständigen Arbeitsschutzbehörden nach § 17 Abs. 2 ArbSchG, die ggf. aktiv werden und konkrete (bußgeldbewehrte) Auflagen verhängen können. Individualrechtlich denkbar ist auch ein Leistungsverweigerungsrecht des Beschäftigten nach § 273 BGB, wenn sich das Unternehmen beharrlich verweigert Tests anzubieten und dadurch konkrete Gesundheitsgefahren entstehen.

9.

Fazit

Die wenig ausgereiften Änderungen der Corona-ArbSchV begründen umfassenden Handlungsbedarf auf Seiten der Unternehmen. Sehr kurzfristig wird u.a. die Frage der betrieblichen Mitbestimmung zu klären sein. Intensiver sollten sich Unternehmen auch mit denjenigen Beschäftigten auseinandersetzen, die Tests konsequent verweigern und damit die gesamte Teststrategie gefährden.
Erschwerend hinzu kommt noch, dass etwa in Berlin und Sachsen teilweise abweichende Vorgaben auf Basis der jeweiligen Corona-Schutzverordnungen existieren. Insofern stellt sich die Frage, in welchem Umfang auf Grundlage der § 32 iVm. § 28 IfSG durch die Länder überhaupt strengere Maßnahmen erlassen werden können. Für die Praxis bleibt es insofern allerdings zunächst bei einem „Flickenteppich“ an Regelungen.

Autoren dieses Beitrags

Dr. Thomas
Köllmann

Dr. Michel
Hoffmann

Ähnliche Beiträge

  • T +49 221 22286 - 0
  • F +49 221 22286 - 400
  • Richmodstraße 8, 50667 Köln
  • Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

© by Küttner Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB