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Arbeitsrechtliche Konkurrentenklagen im öffentlichen Dienst – vor dem Arbeitsgericht oder vor dem Verwaltungsgericht?

konkurrenz
Im deutschen öffentlichen Dienst bestehen bekanntlich seit jeher neben Beamtenverhältnissen auch privatrechtliche Anstellungsverhältnisse. Gem. Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
Geschrieben von

Dr. Herbert Hertzfeld

(Expertenteam Öffentliche Arbeitgeber)
Diese Norm wird allgemein weit verstanden und auch auf zivilrechtliche Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst bezogen. Sowohl bei der Einstellung als auch bei der Beförderung dürfen daher ausschließlich die drei genannten Kriterien herangezogen werden.
Ebenfalls unstreitig ist, dass Art. 33 Abs. 2 GG nicht nur einen objektiven Rechtssatz postuliert, sondern dem Betroffenen ein subjektives Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung gewährt („Bewerbungsverfahrensanspruch“). Der Bewerber, welcher sich zu Unrecht übergangen fühlt, kann eine Konkurrentenklage anstrengen. Gerichtet ist diese im Normalfall auf eine neue – ermessensfehlerfreie – Entscheidung über die Besetzung einer neuen bzw. höherqualifizierten Stelle, lediglich im Falle der Ermessenreduzierung auf Null besteht ein Anspruch auf Besetzung dieser Stelle mit der klagenden Partei. Bisher ging die ganz herrschende Meinung davon aus, dass solche arbeitsrechtlichen Konkurrentenklagen von den Arbeitsgerichten zu entscheiden sind. Dies galt gleichermaßen für Klagen von Arbeitnehmern, welche eine Beförderungsstelle begehrten, wie für Bewerber, welche ein Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst überhaupt erst begründen wollten. Arbeitsgerichte nahmen ihre Zuständigkeit meist ohne weitere Begründung an. Auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit teilte bis zuletzt diese Auffassung und verwies derartige Rechtsstreitigkeiten an die Arbeitsgerichtsbarkeit. Mit dieser Rechtspraxis hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf nun gebrochen und in seiner Entscheidung vom 21. August 2020 (3 Ta 202/20) einen derartigen Rechtsstreit an die Verwaltungsgerichtsbarkeit verwiesen.

I.

Die Entscheidung

Die Parteien stritten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens über den Anspruch des Klägers auf Fortsetzung des durch die beklagte Landeshauptstadt abgebrochenen Stellenbesetzungsverfahrens als „Sachgebietsleitung Allgemeine Verwaltung, Personal, Organisation und Kultur-Servicedienst“.
Schon das angerufene Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit in erster Instanz an das Verwaltungsgericht Düsseldorf verwiesen, da eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliege. Der Kläger stütze sich allein auf den aus Art. 33 Abs. 2 GG hergeleiteten Bewerbungsverfahrensanspruch. Diese Bestimmung begründe eine einseitige Verpflichtung von Trägern staatlicher Gewalt. Der Kläger begehre von der Beklagten die Erfüllung einer verfassungsrechtlichen und mithin öffentlich-rechtlichen Pflicht. Dies gelte unabhängig von der Frage, in welcher Rechtsform das anschließende Beschäftigungsverhältnis ausgestaltet sei (öffentlich-rechtlich = Beamtenstatus oder privatrechtlich = Arbeitsverhältnis). Maßgeblich für das „Ob“ des Zugangs zu einem öffentlichen Amt sei – unabhängig von der Ausgestaltung des zugrunde liegenden Beschäftigungsverhältnisses – eine Norm, die ausschließlich einen Träger hoheitlicher Gewalt verpflichte (Art. 33 Abs. 2 GG). Das Landesarbeitsgericht schloss sich dieser Auffassung im Ergebnis wie in der Begründung an. Die Kammer stützt sich ganz schulmäßig auf die Definition einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit, wonach mindestens einer der Beteiligten Träger öffentlicher Gewalt sein muss und die streitentscheidende Norm ausschließlich diesen berechtigt und verpflichtet. Auf dieser Grundlage kam sie zu dem Ergebnis, diese Voraussetzungen seien bei der Geltendmachung des Bewerbungsverfahrensanspruches nach Art. 33 Abs. 2 GG erfüllt und somit der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Die Bündelung dieser Streitigkeiten in der Verwaltungsgerichtsbarkeit erscheine auch sachgerecht. Nur so ließen sich widersprechende Entscheidungen im selben Stellenbesetzungsverfahren sicher vermeiden, etwa in einer Fallkonstellation, in der ein Arbeitnehmer und ein Beamter dieselbe Beförderungsstelle anstreben. Das Landesarbeitsgericht ließ die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zu.

II.

Praktische Auswirkungen

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes mag dogmatisch vertretbar sein. Ob Sie praktisch notwendig ist, darf jedoch bezweifelt werden. Die Situation, dass sich ein Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht und ein Beamter vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich auf dieselbe Stelle einklagen, scheint noch nicht vorgekommen zu sein. Dieser Gefahr sollte auch mit allgemeinem prozessualen Handwerkszeug (Streitverkündung) wirksam begegnet werden können.
Es bleibt nun zunächst abzuwarten, ob das Bundesarbeitsgericht sich dieser Auffassung anschließt. Bisher ging die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung davon aus, nicht zuständig zu sein. Das OVG Bremen hat aber in einer neueren Entscheidung (Beschluss vom 18.03.2020, 2 B 50/20) die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte bejaht und ließ die Rechtsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in dieser Frage zu. Daneben existiert auch eine differenzierende Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 25.03.2019, 2 B 10139/19), welche jedenfalls für ein Vorgehen gegen den Abbruch eines Auswahlverfahrens den Verwaltungsrechtsweg als eröffnet ansieht. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten: Derzeit ist die Rechtsfrage vollends umstritten und, ob alle Fragen zeitnah höchstrichterlich geklärt werden, erscheint fraglich. In der Zwischenzeit besteht in jedem Fall eine unerfreuliche Rechtsunsicherheit und für den Klägervertreter die Gefahr, das Verfahren bei dem „falschen“, sich als unzuständig ansehenden Gericht, anhängig zu machen. Auch die Beklagtenseite mag ein Interesse daran haben, die Angelegenheit zügig zu klären. Eine Begründung der Zuständigkeit durch rügelose Einlassung kommt – anders als etwa bei der örtlichen Zuständigkeit – nicht in Betracht.

Generell vermag der Trend zur „Rechtswegzersplitterung“ nicht zu überzeugen. § 2 Abs. 1 Ziff. 3 ArbGG normiert die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für bürgerlich rechtliche Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern (gem. lit c gilt dies auch für die Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses, also die Bewerbungssituation).
Im Streit steht hier freilich die Frage, ob überhaupt eine bürgerliche oder eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt, so dass diese Zuständigkeitsnorm allein die aufgeworfene Frage nicht beantwortet. Eine ähnliche Problematik ist aus dem Bereich der Ausstellung oder Korrektur einer Lohnsteuerbescheinigung oder einer Arbeitsbescheinigung gem. § 312 SGB III bekannt. Hier gibt es zahlreiche Entscheidungen, die teils die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte, teils der Sozial- oder Finanzgerichte annehmen. Ein „rote Faden“ ist nicht immer erkennbar. Vorzugswürdig wäre es, Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und (potentiellen) Arbeitnehmern generell vor den Arbeitsgerichten zu verhandeln. Hierfür wäre allerdings ein Tätigwerden des Gesetzgebers notwendig.

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