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Betriebsratsvergütung – wie geht’s richtig?

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Eine allgemeingültige Antwort auf diese Frage zu geben, ist schwierig. Die betriebliche Praxis ist – wie so oft – auch beim Thema Betriebsratsvergütung gespickt mit Einzelfällen und Sonderkonstellationen, die stets eine individuelle Betrachtung erfordern. Ein Grundsatz gilt allerdings auch hier ganz unabhängig vom Einzelfall: Vorsicht ist besser als Nachsicht. Welche Vorsorgemaßnahmen Unternehmen treffen können, um das (allgegenwärtige) Risiko einer Begünstigung oder Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern und damit im Zusammenhang stehende Strafbarkeitsrisiken so gering wie möglich zu halten, soll der folgende Beitrag klären.

I.

Rechtlicher Grundsatz

Betriebsratsmitglieder dürfen wegen ihrer Betriebsratstätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden (§ 78 S. 2 BetrVG). Sie führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt aus. Das bedeutet, dass sie trotz der Übernahme von für die Unternehmensentwicklung wichtigen und verantwortungsvollen Aufgaben für diese keine besondere Vergütung erhalten dürfen. Nach dem gesetzlichen Leitbild muss Betriebsratsmitgliedern gerade jene vergütungsmäßige Entwicklung zuteilwerden, die sie ohne ihre Amtstätigkeit durchlaufen hätten. Dieser Grundsatz gilt ohne Einschränkung für jedes Betriebsratsmitglied und damit auch für solche, die in Aufsichtsräten großer Unternehmen mit (entsprechend vergüteten) Top-Managern auf Augenhöhe verhandeln.

II.

Rahmenbedingung bei der Ermittlung der Betriebsratsvergütung

Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, soweit es zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Es ist somit das Arbeitsentgelt fortzuzahlen, das sie nach dem sog. Lohnausfallsprinzip bei Erbringung ihrer Arbeitsleistung in vollem Umfang erhalten hätten. Bei der Ermittlung der Entgelthöhe ist der berufliche Werdegang, den ein Betriebsratsmitglied ohne Eintritt in den Betriebsrat genommen hätte, fiktiv nachzuzeichnen. Diese fiktive Nachzeichnung erfolgt durch einen Vergleich mit Arbeitnehmer*innen, die
  • zum Zeitpunkt der Amtsübernahme eine ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeit ausgeübt haben und
  • dafür in ähnlicher Art und Weise wie das Betriebsratsmitglied fachlich und persönlich qualifiziert waren.
Maßstab der Fortschreibung des Entgelts ist demnach nicht der betroffene Amtsträger, sondern die berufliche Weiterentwicklung der vergleichbaren Arbeitnehmer*innen mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.
Bei der Bestimmung der Entgelthöhe ist stets die gesamte Vergütung in den Blick zu nehmen, wobei eine individuelle Betrachtung unerlässlich ist. Betriebliche Regelungen, die bspw. eine einheitliche Behandlung aller Betriebsratsmitglieder bei leistungsunabhängigen Vergütungsbestandteilen oder die Zahlung einer pauschalen Aufwandsentschädigung vorsehen, sind daher im Regelfall unzulässig.
Neben der festen Vergütung sind somit auch variable Entgeltbestandteile, Zulagen und Zuschläge oder Überstundenvergütungen bei der Ermittlung der Vergütungshöhe zu berücksichtigen. Auch bei geldwerten – und sogar sich nicht unmittelbar finanziell auswirkenden – Vorteilen ist Vorsicht geboten: So können auch die Gewährung eines höherklassigen Dienstwagens oder die Verleihung eines besonderen Funktionstitels risikobehaftet sein.

III.

Was droht bei Bevorzugung und Benachteiligung?

Die Begünstigung oder Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern ist nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG strafbar und kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet werden kann. Die Verfolgung der Tat erfolgt (aktuell noch) ausschließlich auf Antrag des Betriebsrats. Dieser Umstand könnte sich bald ändern, sollte die Bundesregierung ihr Ziel aus dem Koalitionsvertrag umsetzen und die Behinderung der demokratischen Mitbestimmung als sog. Offizialdelikt ausgestalten. Die Verfolgung von mit der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern zusammenhängenden Straftaten würde dann künftig von Amts wegen erfolgen, wobei Hinweise von Bürger*innen oder den Medien für die Einleitung eines Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens ausreichend sein können.
Strafanträge des Betriebsrats beziehen sich üblicherweise auf den Tatbestand einer Benachteiligung, während Begünstigungen grundsätzlich nicht Gegenstand eines vom Betriebsrat initiierten Ermittlungsverfahrens sind.
Die Begünstigung spielt vielmehr – insbesondere nach der Entscheidung des BGH vom 10. Januar 2023 (6 StR 133/22) – im Zusammenhang mit dem Straftatbestand der Untreue (§ 266 StGB) eine Rolle. In der medial viel beachteten Entscheidung des BGH hob dieser nicht nur die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Braunschweig und damit die Freisprüche für mehrere VW-Manager auf; der BGH stellte auch erstmals fest, dass die Gewährung einer zu hohen Betriebsratsvergütung neben einer Strafbarkeit nach dem BetrVG auch zu einer Strafbarkeit wegen Untreue führen kann. Gewähren Organmitglieder juristischer Personen also unter Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot überhöhte Arbeitsentgelte an Betriebsratsmitglieder, können sich diese wegen Untreue strafbar machen.
Hinzukommt nicht zuletzt, dass Unternehmen die überhöhten Arbeitsentgelte als Betriebsausgaben ansetzen und dadurch der zu versteuernde Gewinn reduziert wird. Im Ergebnis werden die Steuern dann nicht in der korrekten Höhe abgeführt, was eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung begründen kann.

IV.

Wie Unternehmen vorsorgen können

Um den geschilderten Strafbarkeitsrisiken entgegenzutreten und diese auf ein möglichst geringes Maß zu reduzieren, ist die Implementierung einer Compliance-Struktur auch im Hinblick auf die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern unerlässlich. Aufgrund der medialen Aufmerksamkeit, die das Urteil im VW-Prozess erfahren hat, und das dadurch gestiegene öffentliche Bewusstsein für die Risiken – insbesondere einer zu hohen Betriebsratsvergütung – könnten Unternehmen nunmehr dazu neigen, Betriebsratsmitgliedern finanzielle „Vorteile“ in Form von Gehaltserhöhungen, Gewährung von Zulagen o.ä. nur noch in Ausnahmefällen zu gewähren. Weil ein solches Vorgehen wiederum das Risiko einer ebenfalls strafbaren Benachteiligung birgt, kann dies nicht die Lösung sein.
In der Praxis hat sich zur Vermeidung von Unsicherheiten aufseiten der Unternehmensakteure die Verobjektivierung und Standardisierung des Prozesses zur Ermittlung der Vergütungshöhe von insbesondere vollständig freigestellten Betriebsratsmitgliedern als äußerst hilfreich erwiesen. So ist es sinnvoll, unmittelbar nach der Wahl von Arbeitnehmer*innen in den Betriebsrat eine Gruppe von vergleichbaren Arbeitnehmer*innen zu bestimmen.
Je größer die Gruppe der Vergleichsarbeitnehmer*innen ist, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass im Laufe der Jahre der Betriebsratstätigkeit alle Mitglieder der Vergleichsgruppe aus dem Unternehmen ausscheiden und eine (rechtsunsichere) Hilfsbetrachtung erfolgen muss.
Weiter sollte die vor Eintritt in den Betriebsrat gewährte Vergütung in Gänze, d.h. bezogen auf all ihre Bestandteile, beleuchtet und dokumentiert werden. Werden Änderungen bei der Vergütung vorgenommen, sei es durch eine Entgelterhöhung, Gewährung von Zulagen o.ä., sollten die für die Entscheidung ausschlaggebenden Maßstäbe und Beurteilungen dokumentiert werden.
Insbesondere bei Unsicherheiten im Falle einer Erhöhung der Vergütung empfiehlt sich – aufgrund der bei einer Begünstigung existierenden umfangreichen Strafbarkeitsrisiken – die Hinzuziehung eines Experten. Wird entsprechend der Einschätzung eines sachkundigen Beraters gehandelt, dürfte jedenfalls die Begehung einer vorsätzlichen Straftat zweifelhaft sein.
Kann mit dem Betriebsratsmitglied ein übereinstimmendes Verständnis zur Vergütungshöhe nicht erzielt werden, steht es dem Betriebsratsmitglied frei, die Zahlung einer seiner bzw. ihrer Meinung nach angemessenen Vergütung durch die Arbeitgeberin mit einer Vergütungsklage vor dem Arbeitsgericht geltend zu machen. Auch hier würde ein Handeln entsprechend den Feststellungen des Gerichts Strafbarkeitsrisiken erheblich mindern.

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